Katja LeikertCDU/CSU - Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag
Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen beschäftigen uns heute mit einem gemeinsam formulierten Antrag für eine nuklearwaffenfreie Welt. Sie fordern die Bundesregierung auf, an den Verhandlungen über ein Kernwaffenverbot teilzunehmen. Sie werden wohl keinen hier im Plenum und unter den Zuhörerinnen und Zuhörern finden, der sich nicht wünschen würde, dass es keine Atomwaffen mehr gibt.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss etwas dagegen tun!)
– Hören Sie erst einmal zu! – Sie stellen es sich so vor, dass man auf einer Seite Papier zusammen mit ein paar anderen Staaten zusammen aufschreibt, dass Kernwaffen verschwinden und dass wir sie ächten sollen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Wir alle wissen, dass es sich rein um eine Initiative der Nichtkernwaffenstaaten handelt. Das ist ein bisschen so, als wenn sich die Mäuse eines Viertels dazu verabreden, etwas gegen die Katzen zu tun.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Katzen haben keine Atomwaffen!)
– Jetzt hören Sie bitte noch einmal kurz zu!
Ganz ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich schätze Sie wirklich sehr – ich bin auch im Gespräch mit Einzelnen von Ihnen –, gerade wegen Ihres abrüstungspolitischen Engagements. Ich respektiere das auch und finde gut, dass viele aus friedenspolitischen Ideen heraus und mit viel Idealismus Politik betreiben. Viel von diesem Idealismus teilen wir. Aber gerade weil Sie in Ihren Reihen viel Kenntnis im Bereich Abrüstung und Nichtverbreitung von Atomwaffen haben, bin ich, ehrlich gesagt, regelrecht enttäuscht über diesen Antrag. Ich sage es gleich vorab: Ihr Weg gefährdet aus unserer Sicht alle bisherigen Erfolge der nuklearen Abrüstung.
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Nebelkerzen!)
Sie kennen genau das klare Ziel der schwarz-roten Koalition: Wir stehen für eine nuklearwaffenfreie Welt. Dieses Ziel ist ausdrücklich auch so im Koalitionsvertrag benannt. Sie wissen genau, dass Deutschland weltweit ein anerkannter und geschätzter Verhandlungspartner für nukleare Abrüstung ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Inge Höger [DIE LINKE]: Sie nimmt ja nicht teil!)
Sie wissen auch, dass Deutschland in seiner Rolle als Brückenbauer schon viel erreicht hat. Wenn Sie ganz ehrlich zu sich selbst sind, dann wissen Sie auch, dass Ihr Antrag an vielen Stellen schlichtweg weltfremd ist. Ich möchte Ihnen das gerne erläutern.
Erstens. Natürlich können wir uns wünschen, dass die Kernwaffenstaaten, die offiziellen und die inoffiziellen, faktisch gemeinsam zu der Einsicht kommen, dass es für alle besser wäre, wenn sie auf Kernwaffen verzichteten. Die Bereitschaft der Kernwaffenstaaten dazu liegt aber schlichtweg nicht vor. Das ist eine Tatsache, an der wir nicht vorbeikommen.
Zweitens. Ihr Antrag ist unrealistisch, nicht nur, weil er die Grundlagen der internationalen Machtverteilung schlichtweg ignoriert, sondern auch, weil die von Ihnen geforderten Verhandlungen aus unserer Sicht das wertvollste Vertragswerk, das wir im Bereich der nuklearen Abrüstung haben, gefährden würden: den internationalen Nichtverbreitungsvertrag.
Sie wollen, dass wir am Ende ein Papier haben, auf dem steht – ich habe das schon erklärt –: Wir ächten Atomwaffen. – Darin stünde aber nichts, was mit denjenigen Staaten passieren soll, die kernwaffenfähiges Material schon haben, oder was mit denjenigen Staaten passieren soll, die schon Atomwaffen haben oder ein Programm für die zivile Nutzung von Atomenergie haben. Wer soll das denn alles überprüfen?
Sie riskieren, dass sich die Nichtkernwaffenstaaten aus dem Nichtverbreitungsvertrag zurückziehen und dass damit die Kontrollen ihrer Atomanlagen durch die Internationale Atomenergie-Organisation entfallen. Wie wollen wir dann in Zukunft eigentlich noch verhindern, dass nicht die nächsten Staaten nachziehen und heimlich Atomwaffen entwickeln? Es ärgert mich, dass Sie genau wissen, dass wir schon viel weiter sind mit dem bestehenden Regime, und die etablierten Verifikationsmechanismen über Bord werfen wollen.
Drittens. Alle Verhandlungen innerhalb des Nichtverbreitungsvertrags haben einen entscheidenden Vorteil – auch das wissen Sie –, dass nämlich beide Seiten verhandeln: die Atomwaffenstaaten und die Nichtatomwaffenstaaten. Das ist aus unserer Sicht absolut essenziell; denn was wir in dieser Welt nicht brauchen können – das ist etwas, was wir alle hier bedauern –, sind ein weiteres Wettrüsten und eine weitere Spaltung in diesem Bereich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Bemerkung oder Zwischenfrage von Dr. Neu?
Ja.
Frau Dr. Leikert, Ihnen ist bekannt, dass im Jahre 2010 fast alle Fraktionen im Deutschen Bundestag gemeinsam einen Antrag verabschiedet haben, der darauf abzielte, die Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. Ist Ihnen bekannt, ja?
Im Jahre 2012 hat Deutschland im Rahmen des Chicagoer NATO-Gipfels seine Souveränität in der Frage des Abzuges der Nuklearwaffen aus Deutschland an die NATO abgegeben. Ist das Ihrer Auffassung nach ein Beitrag zu einer nuklearwaffenfreien Welt?
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich stelle gern eine Rückfrage an Sie: Was machen wir hier in Deutschland, wenn wir nicht mehr Teil der NATO sind, wenn wir so tun, als würden wir nicht ein Stück weit von der nuklearen Teilhabe profitieren?
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)
Eigentlich haben wir hier jetzt keine Dialogveranstaltung.
(Heiterkeit)
Aber gut, kurze Rückfrage.
Nein, das ist okay. Ich mache jetzt einfach weiter, weil ich noch einmal zu diesem Punkt komme.
Wir halten den Antrag von Linken und Grünen an dieser Stelle für sinnlos bis gefährlich; ich habe das vorhin schon ausgeführt.
Die CDU/CSU-Fraktion setzt vielmehr auf das große Engagement Deutschlands innerhalb des Nichtverbreitungsregimes, das wir aufrechterhalten und ausbauen wollen. Wir verfolgen dabei einen schrittweisen Ansatz, und Sie kennen ihn auch. Ich nenne nur drei Punkte, die uns dabei besonders wichtig sind.
Ein Baustein dabei ist Transparenz. Ohne Transparenz mit Blick auf die Atomwaffenarsenale der Atomwaffenstaaten – das ist uns allen, die wir hier sind, bewusst – werden wir keine messbaren Fortschritte erzielen. Deshalb werden wir auch weiterhin innerhalb der Non-Proliferation and Disarmament Initiative – Sie wissen, wie engagiert Deutschland da ist – in den Dialog mit den fünf Atommächten treten.
(Zuruf von der LINKEN: Was machen Sie mit Israel?)
So haben wir es schon geschafft, mehr Transparenz in Bezug auf die Kernwaffenarsenale der Atomwaffenstaaten zu bekommen. Wir alle sind natürlich noch nicht besonders zufrieden mit den Fortschritten, die dort erzielt wurden, aber wir wollen an dieser Initiative festhalten und sie weiter ausbauen.
Zu unserem schrittweisen Ansatz gehört auch, dass wir die Produktion von spaltbarem Material unterbinden wollen. All das erreichen Sie nicht mit Ihrem nuklearen Bann. Hier haben wir eine konkrete Resolution, die Deutschland gemeinsam mit Kanada und den Niederlanden in die UN-Generalversammlung eingebracht hat. Eine Expertengruppe wird mögliche Vertragselemente für einen Fissile Material Cut-off Treaty identifizieren. Wir haben dabei sichergestellt, dass zumindest vier Kernwaffenstaaten eng eingebunden sind.
Ich möchte noch ein weiteres Element hervorheben: Deutschland – auch das wissen Sie – setzt sich schon lange dafür ein, dass der Umfassende Nukleare Teststoppvertrag gestärkt und weiter ratifiziert wird. Auch dieses Engagement wollen wir in Zukunft aufrechterhalten.
Sie sehen, dass all diese Schritte zu einem klaren Konzept führen.
Lassen Sie mich daher feststellen: Solange die machtpolitischen Realitäten – wir können uns andere wünschen – so sind, wie sie sind, solange einzelne Staaten in der Lage sind, immer wieder zu destabilisieren – dazu zählt auch Russland; Sie haben gerade nur über die Modernisierung des amerikanischen Atomwaffenarsenals gesprochen; das ist sehr einseitig –,
(Inge Höger [DIE LINKE]: Wenn der eine anfängt, rüsten die anderen nach!)
so lange ist es gut für uns, wenn wir eine starke Allianz mit unseren NATO-Partnern bilden. So viel Realitätsbewusstsein muss sein.
Deshalb wird die CDU/CSU-Fraktion keinen Antrag unterstützen, mit dem wir uns aus unseren Bündnispflichten – dazu gehört die nukleare Teilhabe – innerhalb der NATO verabschieden. Ich sage es hier ganz deutlich: Ich möchte im Deutschen Bundestag nichts beschließen, was unsere Sicherheit gefährdet.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gleichzeitig wissen wir, dass die nukleare Abrüstung immer wieder neue Impulse braucht. Wir werden auch weiterhin alles dafür tun, um hier greifbare Erfolge zu erzielen. Was wir dabei aber nicht zulassen werden – das unterscheidet uns von Ihrem Antrag –, ist, dass die hervorragenden bestehenden Verträge und Initiativen zur nuklearen Abrüstung für ein einziges wirkungsloses Blatt Papier geopfert werden.
Ich möchte Ihnen aber abschließend eine Brücke bauen und freue mich im Zuge der Beratung über richtig gute Initiativen für eine nuklearwaffenfreie Welt, die wir alle wollen.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Katja Leikert. – Nächste Rednerin: Agnieszka Brugger für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7089927 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 225 |
Tagesordnungspunkt | Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag |