23.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 225 / Tagesordnungspunkt 19

Christian FlisekSPD - Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Gut Ding will manchmal Weile haben, und so ist es auch mit der Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie. Wir haben mit diesem Umsetzungsgesetz und den Änderungen am Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe eine EU-Richtlinie umgesetzt, und wir sind jetzt durchaus ein wenig hinterher; die Frist ist eigentlich abgelaufen. Aber das lag mit Sicherheit nicht nur am Parlament; das muss man mal sehr deutlich so sagen. Wir jedenfalls haben diesen ganzen Komplex verschiedener Änderungen in der Koalition sehr ordentlich beraten. Es ist ein durchaus komplexer Katalog von Einzeländerungen, die wir hier abzuarbeiten hatten, und wir haben es uns damit nicht leicht gemacht. Insofern hat das Ganze etwas Zeit in Anspruch genommen. Zuletzt, auf den letzten Metern, ist es zu Verzögerungen gekommen, die zumindest wir als SPD-Fraktion nicht direkt zu verantworten haben.

(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Wir auch nicht!)

Aber es ist heute ein guter Tag, weil es überhaupt zu dieser Beratung kommt.

Die Reformen – das habe ich bereits gesagt – lösen zahlreiche Probleme im Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe. Ich möchte mich in meiner Rede – das sage ich hier gleich zu Beginn – auf einen Bereich konzentrieren, nämlich auf eine Forderung, die vom Deutschen Anwaltverein und von der Bundesrechtsanwaltskammer erhoben worden ist: Es geht um die Fortbildungspflicht für Anwälte allgemein.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und vom Bundesjustizministerium!)

Es stand dort ursprünglich mal die Forderung im Raum, dass es eine allgemeine Fortbildungspflicht für Anwälte geben soll

(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

– sicherlich, man kann nicht gegen Fortbildung sein –, und zwar in dem Sinne, dass sich Anwälte grundsätzlich jedes Jahr fortbilden müssen, zusätzlich zu den bereits bestehenden Fortbildungspflichten, die die meisten Anwälte in diesem Land, zum Beispiel die Fachanwälte, haben.

Wir haben diese Satzungsermächtigung, die ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehen war, in der Koalition sehr ernsthaft geprüft, und wir sind entsprechend dem Struck’schen Gesetz zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns dem Vorschlag im Entwurf nicht anschließen werden, sondern uns als Parlamentarier dafür einsetzen, dass diese Satzungsermächtigung gestrichen wird.

Ich gebe zu, es gab deswegen Kritik von den Berufsverbänden. Die Kritik von einigen war teilweise sogar sehr schrill; das muss man auch sehr deutlich sagen. Aber ich möchte Ihnen erklären, warum wir der Meinung sind, dass das der richtige Schritt ist.

Beim Anwaltsmarkt haben wir es mit einem Markt zu tun, der sich seit vielen Jahren spezialisiert. Es wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Fachanwaltschaften eingeführt. Jeder, der diesen Bereich einigermaßen kennt, weiß, wie mühsam es mittlerweile ist, einen Fachanwaltstitel zu erwerben und auch zu halten. Wenn Sie mit der Materie vertraut sind, dann wissen Sie, dass man, wenn man Fachanwalt ist, sich mittlerweile jedes Jahr 15 Stunden fortzubilden hat.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja wohl das Minimum!)

Das ist gut, und das ist richtig, aber wir glauben: Gerade auf einem Anwaltsmarkt, der sich seit Jahren wegen der Fachanwaltschaften so ausdifferenziert, bedarf es nachträglich nicht noch einer allgemeinen Fortbildungspflicht für Anwälte,

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gibt es ja schon! Das steht doch im Gesetz!)

die, wenn man der BRAK, der Bundesrechtsanwaltskammer, und dem Anwaltsverein hätte glauben wollen, weitere 10 bis 15 Stunden jedes Jahr in Anspruch genommen hätte.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch nur um die Ausgestaltung!)

Wir sind der Überzeugung – Frau Keul, Sie haben gleich die Gelegenheit, in Ihrer Rede darauf hinzuwirken –, dass man die Anwälte auch im Sinne eines Funktionierens des Anwaltsmarktes nicht überfordern darf.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Bei der SPD könnte das vielleicht helfen!)

Deswegen sage ich Ihnen sehr deutlich: Ich glaube, dass wir mit einer allgemeinen Fortbildungspflicht weit über das Ziel hinausgeschossen wären.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht doch jetzt schon im Gesetz!)

Ich sage Ihnen noch etwas: Wir tun hier immer so, als wenn der Deutsche Anwaltsverein oder die Bundesrechtsanwaltskammer hier völlig uneigennützig agieren würden. Das ist mitnichten der Fall. Wenn man sich die Zahl der zugelassenen Anwälte in Deutschland anschaut und wenn man sich anschaut, wer im Wesentlichen Anbieter solcher Fortbildungsleistungen ist, dann stellt man fest, dass das Fortbildungsinstitute sind, die vom Anwaltsverein oder von der BRAK geführt werden. Wenn Sie die durchschnittlichen Preise eines Tagesseminars hochrechnen, dann stellen Sie fest: Wir reden hier über einen zusätzlichen Markt, den sich die Damen und Herren verschaffen wollten, dessen Umsatz mindestens im dreistelligen Millionenbereich liegt.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wirklich haarsträubend!)

Dass das Angebot völlig uneigennützig sei und dass das Angebot sozusagen nur von dem Gedanken der Qualitätssicherung getragen sei, das kann ich, offen gesprochen, nicht glauben.

Wir haben in der Koalition intensiv über das Thema debattiert, und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir eine allgemeine Fortbildungspflicht für Anwälte zum jetzigen Zeitpunkt nicht wollen, weil wir glauben, dass der Anwaltsmarkt derzeit

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht jetzt schon im Gesetz!)

auch im Sinne der rechtssuchenden Kreise, der Verbraucherinnen und Verbraucher, über ausreichende Qualitätssiegel und auch über ausreichende Titel verfügt, die alle mit Fortbildungspflichten behaftet sind, durch die dafür Sorge getragen wird, dass Qualität am Markt existiert und dass transparent nachgefragt werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Na ja! Na ja!)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal den Vorschlag der SPD-Fraktion ansprechen. Wir haben durchaus versucht, einen sachgerechten Kompromiss vorzulegen. Wir haben gesagt: Wenn eine solche Fortbildungspflicht eingeführt wird, dann wollen wir dafür sorgen, dass Fachanwaltsfortbildungen anerkannt werden und dass junge Anwälte in den ersten fünf Jahren nicht überfordert werden.

All das haben wir vorgeschlagen. Ich muss sagen: Ich fand es schade, dass es vonseiten der Union keine Zustimmung zu unserem Vorschlag gab. Wir hätten uns durchaus vorstellen können, gemeinsam einen Kompromissvorschlag zustande zu bringen, mit dem wir ein Stück weit auf den Anwaltsverein und auf die Bundesrechtsanwaltskammer zugegangen wären. Wir haben von beiden Institutionen das Signal bekommen, dass sie mit unserem Kompromissvorschlag einverstanden sind. Aber das war mit den Kolleginnen und Kollegen der Union leider nicht zu machen. Insofern bleibt es jetzt dabei, dass wir an dieser Stelle keine Regelung mehr haben.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Aber mit uns ginge es!)

– Herr Hahn, schauen wir mal. Es dauert ja nicht mehr lange: Am 24. September sind Wahlen. Dann werden wir überlegen, was mit anderen Parteien so möglich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber warten wir erst einmal ab, ja?

Meine Damen und Herren, das ist aber nicht das Einzige, das wir geregelt haben. Wir haben zum Beispiel auch – und das ist mir persönlich wichtig – bei den Syndikusanwälten dafür gesorgt, dass ihnen für den Zeitraum zwischen Antrag auf Zulassung und Erteilung der Zulassung keine versorgungsrechtlichen Nachteile entstehen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Ich möchte zum Schluss noch erwähnen, dass wir dafür gesorgt haben, dass in Zukunft bei Kammerversammlungen bei der Vorstandswahl die Briefwahl obligatorisch ist. Das ist mir ein ganz wichtiger Punkt, weil ich aus einem Kammerbezirk komme, in dem sich viele Tausend Anwälte an dieser Wahl nicht beteiligen. Es geht darum, dafür zu sorgen, dass man nicht zum Zwecke der Wahl zur Versammlung hinfahren muss, sondern sich auch per Briefwahl an einer solchen Wahl beteiligen kann.

Herr Kollege Flisek.

Ich komme zum Schluss. – Es geht darum, die Legitimation von solchen Wahlen zu stärken. Ich glaube, das ist ein ganz guter Schritt. Was bei der Bundestagswahl gang und gäbe, üblich und möglich ist, das muss in Zukunft auch bei Kammerwahlen möglich sein. Aber wir werden von der Opposition gleich sicherlich hören, warum das alles des Teufels ist.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Ich bin gespannt, meine Damen und Herren.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ganz so schlimm ist es gar nicht!)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Jörn Wunderlich.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7089947
Wahlperiode 18
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie
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