23.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 225 / Tagesordnungspunkt 19

Detlef SeifCDU/CSU - Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie

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Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute beraten wir den Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ach was!)

Die Richtlinie war spätestens zum 18. Januar 2016 in nationales Recht umzusetzen, und das wäre auch unpro­blematisch möglich gewesen. Man hat sich aber nicht auf die Kernvorschriften beschränkt, sondern diesen Gesetzentwurf mit vielen zusätzlichen Vorschlägen regelrecht überfrachtet. Wenn wir uns das Verfahren angucken, stellen wir fest: Das ist natürlich unvertretbar, und man kann im Interesse der Qualität unserer Arbeit und auch der Schnelligkeit nur dringend empfehlen, dass zukünftig Gesetzentwürfe, die EU-Richtlinien betreffen, im Wesentlichen nur auf diese Themen bezogen sind und nicht im Omnibusverfahren alles total überfrachtet wird.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein Omnibus! Das stand im Entwurf des Justizministers!)

Zwei im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene Vorschläge haben für eine besonders intensive Diskussion gesorgt, auch heute wieder, einerseits die Verpflichtung von Berufsanfängern, sich im Jahr zehn Stunden fortzubilden, und zwar bezogen auf das Berufsrecht, andererseits die Regelung, nach der die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer, aber auch der Patentanwaltskammer die Befugnis erhalten sollten, durch Satzung die bestehende Fortbildungsverpflichtung zu konkretisieren, verbunden allerdings auch mit der Möglichkeit, die dann gesetzlich geschaffen werden sollte, über die Rüge hinauszugehen und ein Bußgeld von bis zu 2 000 Euro zu verhängen. Diese Regelungsvorschläge lehnt die Unionsfraktion aus guten Gründen ab.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ohne gute Gründe!)

Es mag sein, dass Berufsanfängern berufsrechtliche Kenntnisse fehlen. Um diese Kenntnisse zu vermitteln, bedarf es aber keiner Fortbildungsstunden und erst recht keines Gesetzes. Es würde ausreichen, wenn die Berufsanfänger direkt nach der Erstzulassung von der jeweiligen Kammer nachdrücklich durch eine entsprechende Zusammenfassung auf einem Merkblatt informiert würden, wo auf die wichtigsten Vorschriften hingewiesen wird.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer soll das jetzt glauben?)

Das sind immerhin studierte Leute, und sie wissen, wie sie auch mit fremder Rechtsmaterie umzugehen haben.

Weder das Justizministerium noch die Berufsverbände konnten angebliche Qualitätsmängel der anwaltlichen Tätigkeit belegen. Auch aus einschlägigen Statistiken der Berufshaftpflichtversicherer folgt kein Nachweis für eine Verschlechterung der anwaltlichen Arbeit. Die allermeisten Rechtsanwälte bilden sich in ihrem eigenen Interesse selbst fort. Soweit einige Prozent der 164 000 Rechtsanwälte sich nicht fortbilden, ist fraglich, ob die Einführung von Zwangsstunden zur Fortbildung überhaupt zu einer Verbesserung des Kenntnisstandes dieser Personen führen wird. Entscheidend ist aber: Es ist doch völlig unverhältnismäßig, die anderen Rechtsanwälte, die weit überwiegende Zahl – rund 90 Prozent, rund 140 000 – mit einer derartigen Fortbildungspflicht zu überfrachten, die sanktionsbewehrt ist, sie wie Schuljungen auf die Bank zu schicken.

Jetzt kommen wir zur rechtlichen Seite. Es gibt die Wesentlichkeitstheorie, und unter Berücksichtigung dieser Theorie muss der Gesetzgeber wesentliche Regelungen selbst treffen. Wenn wir das wollten, müssten wir als Gesetzgeber die Rahmenbedingungen schon selbst festlegen und können sie nicht über eine Satzungsbefugnis an ein Selbstverwaltungsorgan übertragen.

Aber auch im Interesse einer möglichen Interessenkollision wäre es geboten, dann hier ein entsprechendes Gesetz zu machen. Wir reden von einem neuen Markt, bis zu 150 Millionen Euro netto Jahresumsatz, und das Risiko ist groß, dass Vertreter berufsständischer Organisationen ein Interesse daran haben, dass ihre Fortbildungsinstitute am Markt beteiligt werden, und sie die Interessen der Anwaltschaft dabei aus dem Blick verlieren.

Meine Damen und Herren, wenn man das Wirken im Gesetzgebungsverfahren sieht, hat man wirklich den Eindruck: Da sind knallharte Lobbyisten unterwegs, und die bestärken diese Einschätzung.

(Beifall des Abg. Christian Flisek [SPD])

Einige behaupten, dass die Anwaltschaft selbst die bußgeldbewehrte Fortbildungspflicht wünscht; das haben wir auch gerade wieder gehört. Das ist so aber nicht richtig.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So, jetzt bitte die richtige Entscheidung zitieren!)

Selbst in der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer gehen die Ansichten auseinander. Fragen Sie doch mal die Rechtsanwälte, die sich selbst fortbilden – das sind die allermeisten –, was sie von dem Gesetzesvorschlag halten, und dann lassen Sie die Antwort einmal auf sich wirken.

Die Sicherung der Qualität der anwaltlichen Tätigkeit liegt der Unionsfraktion am Herzen.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ach Gott!)

Deshalb wird sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach Abschluss dieses gesetzlichen Verfahrens im Rahmen eines Kolloquiums mit Experten darüber austauschen, ob und in welcher Form eine Qualitätsverbesserung erreicht werden kann,

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Irgendwann!)

und zwar durch eine maßgeschneiderte Regelung und nicht durch eine pauschale und belastende Vorgabe für alle Rechtsanwälte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Die nächste Rednerin ist Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7089957
Wahlperiode 18
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie
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