Ole Schröder - Demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben länger. Wir sind gesünder als alle Generationen vor uns. Wir werden immer mobiler. Das ist die positive Seite des demografischen Wandels.
Klar ist aber auch, dass die Alterung der Gesellschaft in allen denkbaren Szenarien und Modellrechnungen deutlich fortschreiten wird. Auch bei einer hohen Nettozuwanderung muss in Zukunft mit einem deutlichen Rückgang der Erwerbsbevölkerung gerechnet werden. Ob die überwiegend jungen Zuwanderer einen positiven Einfluss auf die Erwerbstätigkeit haben, hängt von ihrer oft schwierigen Integration in den Arbeitsmarkt ab. Außerdem werden ja auch die jungen Zuwanderer älter, und auch die Kinder, die hier geboren werden, werden älter.
Damit steht fest: Unsere Gesellschaft verändert sich. Sie wird möglicherweise kleiner, sie wird wahrscheinlich heterogener, und sie wird sicherlich älter. Diesen Wandel wollen und müssen wir gestalten. Wir stehen dabei vor grundlegenden Fragen: Welche Auswirkungen hat Migration auf den demografischen Wandel? Wie steht es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn die Bevölkerung nicht nur älter, sondern auch heterogener wird? Wohin geht die demografische Reise in Stadt und Land? Welche Fortschritte wird uns die Digitalisierung in diesem Zusammenhang bringen? Wie können wir unseren Wohlstand fortentwickeln und an die nächste Generation weitergeben?
Unter dem Motto „Zusammenhalt stärken – Verantwortung übernehmen“ haben Vertreter aller staatlichen Ebenen, der Wirtschaft, der Sozialpartner, der Verbände, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft diese Fragen auf Einladung des Bundesministeriums des Innern diskutiert. Der letzte Demografiegipfel am 16. März 2017 hat sich wieder als zentrales Forum in der Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und den genannten Partnern erwiesen. Aber, natürlich, ein Gipfel allein reicht nicht aus. Die Bundesregierung hat deshalb mit ihren Partnern in einem seit 2012 laufenden Arbeitsprozess kontinuierlich Lösungsvorschläge entwickelt und umgesetzt. Das zeigt: Wir sind uns der großen Herausforderung bewusst, und wir wollen sie erfolgreich bewältigen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Bundesregierung hat sich daher im Jahr 2015 mit der weiterentwickelten Demografiestrategie politische Ziele gesetzt: die Stärkung des wirtschaftlichen Wachstumspotenzials, die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land sowie die Gewährleistung solider Finanzen für die Handlungsfähigkeit des Staates und verlässliche Sozialsysteme.
Zu soliden Sozialversicherungssystemen gehört auch, dass die Rente mit 67 nicht infrage zu stellen ist. Auch bei jetzt guten, ausgeglichenen Haushalten dürfen wir nicht wieder in den alten Modus zurückverfallen, auf Kosten der jungen Generation Politik zu machen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vor dem Demografiegipfel war es ein guter Zeitpunkt, Bilanz aus dem bisher Erreichten zu ziehen. Die Bundesregierung hat daher am 1. Februar 2017 ihre demografiepolitische Bilanz mit dem Titel „Jedes Alter zählt – Für mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen“ präsentiert. Die demografiepolitische Bilanz beschreibt aktuelle Trends, zeigt nachdrücklich die Maßnahmen der Bundesregierung in 13 Handlungsfeldern auf. Das reicht von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf über die Fachkräftesicherung bis hin zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land. Zentral ist in jeder Hinsicht der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.
Wir haben deswegen eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, damit sich alle gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland als Teil des Ganzen verstehen. Hierzu gehören beispielsweise die Gesetze zur Stärkung der Pflege, die weiter ausgebaute Förderung des bürgerschaftlichen Engagements, an dem sich bundesweit so viele Menschen wie noch nie beteiligen. Daneben wird eine möglichst hohe Erwerbstätigkeit gefördert; denn sie ist Grundlage für Wachstum und Wohlstand und vor allen Dingen für tragfähige öffentliche Finanzen.
Ich sage in diesem Zusammenhang deutlich, dass uns Zuwanderung alleine nicht bei der Stabilisierung der Erwerbsbevölkerung helfen wird. Was wir benötigen, ist qualifizierte Zuwanderung. Die Steuerung von Zuwanderung nach Deutschland und die Attraktivität für Fachkräfte haben daher Priorität. Es ist darauf hinzuweisen, dass alle hochentwickelten Volkswirtschaften vor der gleichen Herausforderung stehen, nämlich einem Fachkräftemangel, und dass deshalb alle weltweit natürlich versuchen, genau diese besonders qualifizierten Fachkräfte anzuziehen, was ausgesprochen schwierig ist. Auch der ungebrochene Trend zu qualitativ hochwertigen Ausbildungen und die auf Rekordniveau steigende Erwerbstätigenquote, insbesondere bei Frauen, dienen der Sicherung unserer Fachkräftebasis.
Die Bundesregierung hat diese Trends mit zahlreichen Weichenstellungen in den letzten Jahren unterstützt. Sie reichen von der beruflichen Bildung über den Hochschulpakt 2020 bis hin zu Maßnahmen für die weitere Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Für die Integration von Flüchtlingen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt wurden geeignete Rahmenbedingungen geschaffen. Auch das ist eine Megaherausforderung, vor der wir stehen. Diese und viele andere Maßnahmen bildet die demografiepolitische Bilanz ab.
Auch andere Konzepte und Anträge, die in der heutigen Sitzung beraten werden, propagieren diesen ganzheitlichen Ansatz und bestätigen den Weg, den die Bundesregierung geht.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns die demografiepolitische Bilanz anschauen, muss man feststellen, dass nicht alle Maßnahmen, die wir in dieser Wahlperiode getroffen haben, positiv sind. Sie sind sicherlich zu begründen; aber natürlich ist die Einschränkung bei der Rente mit 67 – da muss man ehrlich sein – für den Bereich der Demografiepolitik kritisch zu sehen. Auf der anderen Seite haben wir es vor allen Dingen geschafft, einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen, das erste Mal seit 1962. Jetzt haben wir den dritten ausgeglichenen Haushalt zum Abschluss gebracht.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da können sich die Menschen nichts von kaufen!)
Es ist demografiepolitisch mit das Wichtigste,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
dass wir das erste Mal seit 1962 keine Haushaltspolitik mehr machen, die auf Kosten der jüngeren Generation geht.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch hanebüchener Unsinn! So ein Quatsch!)
Das Allerwichtigste ist, dass wir das jetzt fortführen; denn das, was wir heute ausgeben, was wir heute konsumieren, müssen die Jüngeren zurückzahlen, und das schränkt die Handlungsspielräume der Jüngeren ein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Alles, was Sie nicht investieren, müssen die Nachfahren investieren! Investitionsstau nennt man das!)
Deshalb ist die schwarze Null der wichtigste demografiepolitische Erfolg, den wir in dieser Wahlperiode erzielt haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Schimäre! Eine Schimäre ist das! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Amen! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Werdet ihr noch gläubig auf die alten Tage?)
Wir können den demografischen Wandel nicht stoppen, wir können ihn aber erfolgreich gestalten. Das hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode mit den ausgeglichenen Haushalten geschafft. Das zeigt: Eine gute Bilanz ist erreicht worden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nichts erreicht! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Oh, war das schön! Gott, war das schön! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7090049 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 226 |
Tagesordnungspunkt | Demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung |