Petra CroneSPD - Demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über das Thema „Demografischer Wandel in Deutschland“. Warum? Für die Politik gilt, schnell zu reagieren, wenn ein Thema akut wird. Der demografische Wandel eignet sich dafür nicht. Er ist wie auch die Globalisierung ein stetiger Prozess, der uns, die Politik, auch stetig fordert. Deshalb dürfen wir eine muntere Debatte nicht vernachlässigen, und deshalb kann keine Bilanz vollständig sein.
Klar ist doch: Wir werden älter, weniger und bunter, und diese demografische Entwicklung in unserem Land können wir nicht stoppen oder umkehren. Unsere Aufgabe ist die Gestaltung der Auswirkungen. Welche Faktoren machen das Leben in unserem Land lebenswert? Wie gestalten wir die Zukunft für unsere Nachfahren? In diesem tiefgreifenden Prozess, der Auswirkungen auf Kinder und Enkel hat, brauchen wir Mut für Innovationen und unbequeme Diskussionen.
(Beifall bei der SPD)
Gerade wurde der Kinder- und Jugendmonitor öffentlich diskutiert. Fast jedes vierte Kind ist von Armut bedroht. Das macht mich fassungslos, immer noch und immer mehr. Unser Land ist reich, unser Land ist vielfältig. Und die Strukturen sind dennoch ungerecht? Wie wollen wir das ändern?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bildung ist der Schlüssel für Qualifikation, für Teilhabe am beruflichen, politischen und gesellschaftlichen Leben in jedem Alter.
(Beifall der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD])
Lassen Sie uns endlich das unsinnige Kooperationsverbot aufheben.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Bravo!)
Es steht der Chancengleichheit entgegen und damit auch der Fachkräftesicherung. Es gehen Potenziale verloren.
Wir wollen Kinder und Jugendliche stärken, sie für ein selbstbestimmtes Leben fit machen, ihnen Perspektiven bieten und Teilhabe ermöglichen. Das Gleiche gilt für Familien bzw. die sogenannte Sandwich-Generation. Dafür haben wir in dieser Legislaturperiode einiges auf den Weg gebracht. Wir haben das Elterngeld flexibler gestaltet, den Kitaausbau vorangetrieben, pflegende Angehörige entlastet und vieles mehr.
Ältere Menschen sprechen wir durch mehr Bildungsangebote für Senioren an, durch einen flexibleren Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand, und wir erhöhen die Renten. Zudem fördern wir seit Jahren den Austausch der Generationen und die Integration in unseren 550 Mehrgenerationenhäusern.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, wir müssen auch die Nachbarn, ob nah oder fern, im Blick haben. Wir sind ein starkes Land, und es gibt keine Ausreden, nicht Maßstab im Umgang mit Menschen auf der Flucht zu sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich gebe den Kollegen und Kolleginnen von den Bündnisgrünen recht: Wir haben die Debatte um eine Einwanderungsgesellschaft im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel bislang nicht ausreichend geführt, obwohl die SPD-Bundestagsfraktion seit langem ein Einwanderungsgesetz fordert.
(Beifall bei der SPD)
Diesen Fokus müssen wir verschärfen, auch um die Fehler der Integration nicht zu wiederholen. Das geht weit über die Debatte hinaus, Fachkräfte für unsere Wirtschaft anwerben zu müssen.
Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an all die freiwilligen Helferinnen und Helfer, die sich der Einzelpersonen und -schicksale annehmen. Sie leisten seit vielen Monaten schier Unglaubliches. Dank sei auch den vielen Feuerwehrleuten, dem THW, den vielen Ehrenamtlichen beim Bürgerbus, den Kirchen, der AWO und dem DRK usw.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Denn machen wir uns nichts vor, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die eigentliche Aufgabe stellt sich in unseren Wahlkreisen; dort wird die große Leistung erbracht.
Im Siebten Altenbericht, der die Rolle der Kommunen in der alternden Gesellschaft beleuchtet, stehen Anregungen, Kritik und Handlungsempfehlungen, weil alle Kommunen betroffen sind, egal ob Stadt oder Land, Nord, Süd, Ost oder West, arm oder reich. Sie alle sind mit den Auswirkungen des demografischen Wandels zuerst konfrontiert. Sie finden vielfach kreative praxistaugliche Lösungen. Das wird mit dem Programm „Demografiewerkstatt Kommunen“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gut unterstützt.
Die Kommunen sind immer mehr gefordert. Sie müssen eine Infrastruktur schaffen für Betreuung, Pflege, Teilhabe, Bildung, Integration, Wohnen und Mobilität. Sie müssen lokale Akteure vernetzen. Sie müssen darauf achten, dass diese Aufgaben gerecht zwischen Männern und Frauen aufgeteilt werden und soziale Benachteiligungen ausgeglichen werden. Das alles muss finanziert werden. Die SPD-Bundestagsfraktion steht an der Seite der Kommunen. Das haben wir in den vergangenen Jahren vielfach – und vielfach erfolgreich – unter Beweis gestellt.
(Beifall bei der SPD)
Das gilt auch für die Zukunft.
Es geht um die Ausgestaltung des Zusammenlebens in Deutschland – um nicht weniger. Deshalb müssen wir externe Partner ins Boot holen und unsere Erfahrungen teilen. Deshalb war es mir als Sprecherin der SPD-Arbeitsgruppe Demografischer Wandel auch ganz wichtig, die Arbeit von Franz Müntefering weiterzuführen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, der hat uns die Rente ab 67 eingebrockt! Das war nicht gut!)
Hierbei ist uns der Kontakt zur Zivilgesellschaft und zur Wissenschaft stets wichtig. Deshalb weckt es mein Interesse, dass die Bertelsmann-Stiftung erste Überlegungen zur Einführung eines Staatsfonds in Deutschland vorgestellt hat. Die Idee: Ein konkretes Ziel wird definiert, und staatliches Vermögen wird aufgebaut, am Kapitalmarkt investiert, um dann etwa Pensionslasten in Zeiten des demografischen Wandels nicht allein den künftigen Steuerzahlern zu überlassen. Auch für mich klingt das erst einmal ungewohnt; aber ich wünsche mir, dass wir hier im Parlament über solche Vorschläge ergebnisoffen diskutieren. Näher sind mir die Vorschläge der Friedrich-Ebert-Stiftung für eine regionale Daseinsvorsorge als Gemeinschaftsaufgabe. Ganz nah ist mir meine Idee eines Demografie-Solis.
Die Herausforderungen des demografischen Wandels müssen die Kommunen bewältigen, auch finanziell. Die schwarze Null ist zwar wichtig, aber wir müssen da investieren. Daten und Fakten liegen auf dem Tisch, sind rauf und runter diskutiert worden. Es ist Zeit, Zukunftsstrategien zu entwickeln. Das hat uns als Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten gutgetan.
Ich danke fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD)
Das Wort erhält nun die Kollegin Doris Wagner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7090052 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 226 |
Tagesordnungspunkt | Demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung |