24.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 226 / Tagesordnungspunkt 28

Matthias SchmidtSPD - Demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Zuschauertribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Houston, wir haben ein Problem!“: Dieser berühmte Hilferuf der Apollo-13-Besatzung beschrieb eine lebensbedrohliche Notsituation. Die Besatzung der Apollo 13 fürchtete 1970, aufgrund eines technischen Defekts nicht mehr zur Erde zurückkehren zu können. Filmisch ist das übrigens von Tom Hanks und anderen gut aufgearbeitet worden.

Unser demografisches Problem in Deutschland ist mit Apollo 13 nicht zu vergleichen, und doch möchte man ausrufen: „Berlin, wir haben ein Problem!“ Denn auch dieses ist ein gewaltiges Problem, das die Bundesregierung als unsere Bodenstation schon lange erkannt hat. Die Bundesregierung hat uns mit der demografiepolitischen Bilanz unter dem vielschichtigen Titel „Jedes Alter zählt“ ein gutes Papier an die Hand gegeben, das zahlreiche überwiegend gesetzgeberische Maßnahmen gegen den demografischen Wandel in unserem Land aufzählt.

Darüber, Herr Staatssekretär, ob die schwarze Null die wichtigste Errungenschaft auf diesem Gebiet ist, kann man vielleicht noch einmal intensiv nachdenken. Die Probleme sind gewaltig: Von A wie Arztmangel bis Z wie Zugverbindungen geht es um zahlreiche Belange unseres Alltagslebens. Unsere Gesellschaft wird sich unter dem Eindruck des demografischen Wandels verändern. Es ist ein schleichender Prozess, der Jahre und Jahrzehnte in Anspruch nimmt; aber er hat schon längst begonnen. Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind in der Pflicht, diesen Wandel zu gestalten.

Schauen wir uns die Bilanz der Regierung an: Unter Punkt 4.4 geht es um „Zuwanderung und Integration von Flüchtlingen“. Diesem Thema kommt meines Erachtens besondere gesellschaftliche Bedeutung zu. Auch hier werden wir keine schnellen Lösungen erzielen können, aber die Große Koalition hat erkannt: Sprache und Arbeit sind die Schlüssel zur Integration. An dieser Stelle hat die Große Koalition schon gehandelt.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass unter Punkt 4.5 „Fachkräftesicherung“ folgt. Auch hier erkennen wir auf Anhieb, dass der demografische Wandel auch Chancen beinhaltet. Wenn es uns gelingt, möglichst große Teile der ersten, mindestens aber die zweite Generation der Flüchtlinge komplett in unser Bildungs- und Ausbildungssystem zu integrieren, dann werden wir dem Arbeitsmarkt Gutes tun und zugleich für ein „Selbstbestimmtes Leben im Alter“ – siehe Punkt 4.7 – sorgen.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? So weit sind wir noch nicht. Es gibt auch Dinge, die wir im Bund selbst regeln können und für die der Bund selbst Verantwortung trägt.

Damit komme ich zum Thema Demografie im öffentlichen Dienst. Das ist ein wichtiges Thema. Ein Blick auf die Alterspyramide im öffentlichen Dienst zeigt: Es ist keine Pyramide, die unten stark ist und eine schmale Spitze hat, sondern sie sieht eher aus wie ein Schneemann aus zwei großen Ballons, der auch noch auf dem Kopf steht. Der obere Ballon – das ist die Altersklasse 50 Jahre aufwärts – ist der stärkste im öffentlichen Dienst. In der Mitte kommt eine schmale Taille. Das ist die Gruppe der ungefähr 40-Jährigen, die so gut wie gar nicht vorhanden sind. Eine kleinere Kugel repräsentiert die 20- bis 30-Jährigen, die neu eingestellt wurden. Diese Alterspyramide wird quasi nach oben herauswachsen. Die Babyboomer werden in Rente oder in Pension gehen. Wir müssen schon heute durch eine kluge Einstellungspolitik dafür sorgen, dass die dann entstehenden Lücken geschlossen werden.

Hinzu kommt, dass wir derzeit im öffentlichen Dienst einen Kardinalfehler begehen. Das ist die Befristung. Wir wissen, dass junge Menschen in befristeten Arbeitsverhältnissen nur selten Familien gründen. Diesen Menschen müssen wir Sicherheit geben, nicht nur im öffentlichen Dienst. Aber dort können wir mit gutem Beispiel vorangehen. Insgesamt müssen wir auf dem Arbeitsmarkt zu einer raschen Abschaffung der sachgrundlosen Befristung kommen. Diese war hilfreich auf einem Arbeitsmarkt, der von hoher Arbeitslosigkeit geprägt war. Aber jetzt herrscht weithin Facharbeitermangel. Da braucht es Befristungen nur in konkreten Einzelfällen, zum Beispiel im Fall einer Schwangerschaftsvertretung. Lassen Sie uns gemeinsam den Befristungsfehler schnellstmöglich korrigieren.

(Beifall bei der SPD)

Insgesamt steht die Politik beim Thema Demografie vor vielen Handlungsfeldern und Problemen, die gelöst werden wollen. Aber genauso wie Apollo 13 im Jahr 1970 wohlbehalten zur Erde zurückgeholt werden konnte, können wir die demografischen Probleme angehen und lösen. Jetzt, da Apollo 13 gelandet ist, freue ich mich auf die Ausschussberatungen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Astrid Timmermann-Fechter für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7090060
Wahlperiode 18
Sitzung 226
Tagesordnungspunkt Demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung
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