Claudia Lücking-MichelCDU/CSU - Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf der Tribüne. Gut Ding will Weile haben. Doch wenn wir heute über die neue Strategie der Bundesregierung für die Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung diskutieren, dann habe ich den Eindruck: Sie kommt genau zum richtigen Zeitpunkt.
(Beifall des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])
Noch nie war sie so wertvoll wie heute.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Der Brexit, der Einreisestopp in den USA – uns allen fallen, glaube ich, noch viele Beispiele für einen sich zunehmend isolierenden neuen Nationalismus ein, den wir an so vielen Stellen erleben. Dieser hat Auswirkungen auf die jeweiligen Gesellschaften im Allgemeinen und natürlich auch auf Wissenschaft und Forschung im Besonderen. Wie gut, dass die Bundesregierung in ihrer Strategie diesbezüglich eine gänzlich andere Haltung einnimmt. Nicht Abschottung, sondern Offenheit ist Garant für Spitzenforschung und Innovation,
(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Und Wettbewerb!)
oder wie Professor Mlynek das in der Vorstellungspressekonferenz auf den Punkt gebracht hat: Der wahre Egoist kooperiert.
Klar: Wir müssen intensive internationale Kooperationen schmieden, wenn wir unseren eigenen Wissenschaftsstandort stärken und damit am Ende unseren Wohlstand sichern wollen. „ Internationale Kooperation: vernetzt und innovativ“ – unter diesem Leitmotiv lotet die neu aufgelegte Strategie die Wege genau dorthin aus und positioniert sich deutlich gegen jede nationalistische Verengung. Das macht sie so wichtig.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Internationalisierung geschieht in verschiedenen Dimensionen. Die Menschen sind heute mobiler als je zuvor. Das gilt auch für die angehenden und arrivierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie überqueren Ländergrenzen, um voneinander zu lernen, miteinander zu forschen, sich mit Kollegen auszutauschen und in internationalen Projekten gemeinsam zu arbeiten. Brain Circulation ist der Fachbegriff dafür. So nennen wir es, wenn sich Talente möglichst frei über den Globus bewegen. Wissenschaft – ich glaube, da sind wir uns einig – ist per definitionem länderübergreifend. Der Austausch von Wissen, Daten und Erkenntnissen ist zentral für gute Wissenschaft. Die eigentlichen Spitzenergebnisse werden und können nur in internationalen Teams erreicht werden. Wen wundert es? Die meistzitierten Ergebnisse stammen von international mobilen und damit weltweit sichtbaren Wissenschaftlern. Diese Mobilität von Studierenden, von Forscherinnen und Forschern über Ländergrenzen hinweg fördern wir durch eine Vielfalt von Stipendien und sonstigen Programmen. In der Strategie werden diese hervorgehoben. Hier leisten unsere Mittlerorganisationen wie zum Beispiel der DAAD und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, wie ich finde, hervorragende Arbeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mir ist auch wichtig, zu sagen, dass sie für Studierende und Wissenschaftler in Not, auf der Flucht wichtige Perspektiven bieten und damit nicht nur die einzelnen Menschen unterstützen, sondern auch wichtige Zeichen setzen für die Wissenschaftsfreiheit insgesamt.
Eine andere wichtige Dimension ist natürlich die Kooperation zwischen Institutionen, zwischen Hochschulen und Forschungsgemeinschaften, oder auch mit Unternehmen. In den sogenannten 2+2-Formaten – so wird es in der Strategie genannt – werden gezielt Unternehmen eingebunden, damit international erarbeitete Forschungsergebnisse auch schnell in Anwendung kommen.
Dann haben wir die Dimension der großen Zukunftsfragen, die uns alle herausfordern. Auch sie sind natürlich international. Denn es ist ja offenkundig: Die großen Menschheitsfragen – Klimawandel, Gesundheit, Migration – werden wir nur beantworten können, wenn sich die Weltgemeinschaft gemeinsam auf den Weg macht und nach neuen Antworten und Erkenntnissen strebt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Zwei der fünf Handlungsfelder der Strategie haben dies deswegen sehr explizit zum Ziel. Das ist ein Schwerpunkt, der aus meiner Sicht absolut wichtig und richtig ist.
Ein großes Anliegen der Strategie möchte ich an dieser Stelle besonders herausgreifen: Die Regierung sagt ausdrücklich, dass sie Entwicklungs- und Schwellenländer noch stärker in den Fokus nehmen will und dabei die Wissenschaft gezielt dazu beitragen soll, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung, die sogenannten Sustainable Development Goals oder SDGs, gemeinsam zu erreichen. Nun kommt es aus meiner Sicht besonders darauf an, dass die Ministerien hier bei uns abgestimmt zusammenarbeiten. Denn es ist ja klar, dass hier sowohl das Forschungs- und Bildungsministerium als auch die Ministerien für Gesundheit, Energie, Landwirtschaft, Auswärtiges und natürlich auch das Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit gefragt sind.
Ein Beispiel will ich kurz vorstellen. Seit Januar 2017 bieten sieben bilaterale SDG-Graduiertenkollegs – vier in Afrika, zwei in Lateinamerika, eines in Asien – jungen Graduierten eine qualitätsvolle Möglichkeit, in ihren Heimatländern sur place zu entwicklungsrelevanten Themen zu promovieren. Deutsche Hochschulen haben dafür Konzepte erdacht und sie mit den Partnern in den Ländern umgesetzt; hier finanziert das BMZ. Eines dieser Kollegs – eine Kooperation der TU Berlin mit der University of Witwatersrand in Südafrika – widmet sich dem Thema „Nachhaltige Städte und Gemeinden“. Dies wiederum ist aber ebenso Themenschwerpunkt eines großen Projekts von FONA, nämlich zum Thema Zukunftsstadt; hier finanziert das BMBF. Exemplarisch zeigt sich daran, dass es viele Anknüpfungspunkte für Synergien gibt. Es ist gut, dass die Strategie dies besonders hervorhebt.
Noch nie war sie so wertvoll wie heute. Die Effekte der Internationalisierungsstrategie gehen weit über eine Effizienzsteigerung in den Wissenschaften hinaus. Wir brauchen, um kreativ und innovativ zu sein, Differenzerfahrungen, auch und gerade in fremden Kulturen und Ländern.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Man lernt dadurch mehr als nur die fachlichen Inhalte an der Uni oder im Forschungsprojekt. Die Kollegen, die man weltweit in den Laboren trifft, die fremden Sprachen, die neuen Nachbarn: All das stärkt unser Verständnis von der eigenen Kultur ebenso wie von der fremden, in der wir leben. International zu sein, heißt, Umgang mit dem Fremden zu erlernen und schätzen zu lernen. Grenzüberschreitungen auf der Landkarte führen dann hoffentlich auch zu Grenzüberschreitungen im Kopf; denn für Offenheit und Freiheit im Denken stehen Bildung und Wissenschaft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Jetzt hat Frau Kollegin Dr. Rosemarie Hein von der Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7090296 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 226 |
Tagesordnungspunkt | Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft |