24.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 226 / Tagesordnungspunkt 31

Ernst Dieter RossmannSPD - Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Wanka, Sie haben sich sehr intensiv mit Frau Hein auseinandergesetzt. Ich mache es kürzer. Es gibt den schönen Satz: „Ich bin der Geist, der stets verneint.“ – Frau Dr. Hein, Sie waren heute leicht mephistophelisch, und das ist zu wenig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben deshalb einen weiteren Weg zu gehen, um den Konsens in Bezug auf die Internationalisierungsstrategie am Ende auch so zu teilen, wie das – natürlich in Nuancen – bei den Grünen, bei der SPD und auch bei der Fraktion der CDU/CSU – dort wird es vielleicht differenziert gesehen – der Fall ist.

Aber insgesamt ist da etwas gewachsen; Frau de Ridder hat daran erinnert. Es begann mit Edelgard Bulmahn. Da hat es erste Akzente gegeben.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tolle rot-grüne Koalition, ja!)

Ich erinnere mich an den leider schon verstorbenen Vizepräsidenten des DAAD, Max Huber, der sich über eine solche Debatte hier gefreut hätte. Es war damals Edelgard Bulmahn zusammen mit Joschka Fischer. Dann kamen in der ersten Großen Koalition – in Anführungszeichen – der Neuzeit Frau Schavan und Herr Steinmeier. Genauso ist es jetzt mit Frau Wanka und Herrn Gabriel. Es ist gut, dass wir diese Kontinuität über die verschiedenen politischen Verantwortlichkeiten hinweg haben; denn am Ende steht ein wirklich gutes gemeinsames Ergebnis.

Frau Hein, wenn Sie in die Betrachtung der sehr detaillierten Programme eintreten würden, dann würden Sie merken, wie fein ausgewogen die vielen Aktivitäten sind. Ich will versuchen, das in einem Punkt neu einzuordnen. Frau Wanka, da haben Sie für meine Begriffe das richtige Stichwort für diese Debatte genannt. Sie haben nämlich auf Europa abgehoben. Wir sind in Deutschland allerdings dabei, ein gewisses Gegenbild zu dem zu entwerfen, was aktuell in Europa diskutiert wird. Ich will Ihnen sagen: Wir sind befremdet darüber, dass Kommissionspräsident Juncker mit seiner Zielstrategie 2025 fünf strategische Elemente bzw. fünf Inhalte benennt, in denen Bildung, Forschung und Innovation aber nicht enthalten sind. Das, finden wir, ist zu wenig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es wäre gut, wenn dies im Jahr 60 der Römischen Verträge, im Jahr 30 von Erasmus in Europa aufgenommen werden könnte; der Europäische Forschungsraum und Horizont 2020 sind in diesem Zusammenhang ebenfalls zu erwähnen. Aber es fehlt. Es fehlt in der Juncker’schen Europastrategie vollkommen, und das ist unterkomplex, das ist auch unterperspektivisch.

Die Bitte an die Bundesregierung ist: Bringen Sie sich, nachdem Sie sich jetzt schon eingebracht haben, noch viel energischer ein mit dem Ziel, dass in der Verantwortung Europas diese sechste Dimension mit aufgenommen wird. Es geht bei der Internationalisierung von den Inhalten her um Entwicklung in der Welt, um Wissenschaft, um Forschung und Bildung.

Das hat auch deshalb Perspektive – Sie haben die Zahlen genannt –: 7 Prozent der Weltbevölkerung sind europäisch, 19 Prozent der Wissenschaftsleistung. Aber das wird sich ändern. Wenn wir das nicht bündeln, wenn wir nicht mit Exzellenz in Kooperationen und Netzwerke hineingehen, dann wird dieser positive Beitrag, den wir aus Europa, aus Deutschland leisten, schwächer ausfallen, als er sein könnte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine kritische Bemerkung. Wir müssen auch daran denken – Sie haben es angesprochen, andere ebenfalls –, dass dazu natürlich auch Substanz gehört: Substanz an Ressourcen, Substanz an Regierungsaufmerksamkeit, Substanz auch an Geld. Von Kai Gehring kam vorhin dieser Zwischenruf. Auch wir glauben, dass die Fixierung auf das 2-Prozent-Ziel für Rüstungsausgaben im Rahmen der NATO nicht das ist, was internationalen Frieden, internationale Nachhaltigkeit tatsächlich so befördern könnte, wie es notwendig wäre; denn Militär schafft kein sauberes Wasser, Militär verändert nicht den Klimawandel, Militär sorgt nicht für berufliche Bildung. Wir dürfen diese Dimension nicht vergessen. Wir brauchen dafür zusätzliche Mittel. Wir brauchen sie in Deutschland, und wir brauchen sie auch in Europa. Das muss eine Perspektive sein, die wir zusammen aufmachen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gemeinsam!)

Es gibt jetzt erste Vorstellungen nach Trump und nach dem Brexit und sozusagen zur Korrektur des verengten Juncker’schen Entwicklungskonzepts. Ich fand sehr bemerkenswert, was Herr Hippler und sein französischer Kollege Roussel – jeder in seinem Land Präsident der Hochschulrektorenkonferenz – angesprochen haben, nämlich: Wir bräuchten auch aus der europäischen Wertetradition heraus eine gemeinsame Initiative der Universitäten, der Forschungs- und Bildungseinrichtungen mit dem Ziel höherer Niveaus in Europa, um dies in Europa zu vermitteln und zu vernetzen, aber auch aus Europa heraus. – Sie schlagen einen Fonds vor, eine Initiative für Bildung, Forschung und Innovation. Wenn unser Außenminister Sigmar Gabriel jetzt anspricht, mehr Geld für Europa zu mobilisieren, dann hat er auch dies mit im Hinterkopf.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist gut, dass wir beim konservativen Partner/Konkurrenten merken: Darüber wird differenziert gedacht, von Europapolitikern anders als von anderen. Aber lassen Sie uns, wenn wir diese gute Bildungs- und Forschungsagenda haben, doch gemeinsam dafür werben, dass in Europa das Gewicht auf Bildung, Forschung und Innovation stärker wird, weil das etwas Positives in die Welt hineinträgt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Der Vorschlag der beiden Präsidenten zu Bildung, Forschung und Innovation deckt sich im Übrigen mit dem, was von Ihnen, Frau Wanka, aber auch von anderen verdienstvollerweise in die neue Internationalisierungsstrategie 2017 – nach der von 2008 – hineingebracht worden ist. Darin findet sich erstmals die Dimension der beruflichen Bildung.

Damals war man noch nicht so weit. Frau Hein, man kann – ich mache einmal den Zusammenhang klar – ganz einfach sagen: Es ist das Bündnis von exzellenter Wissenschaft und exzellentem Facharbeitertum bzw. von exzellenter Forschung und exzellenter beruflicher Bildung, das Baden-Württemberg, Deutschland und andere europäische Länder stark gemacht hat.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dies in der Exzellenz und Qualifizierung nach vorne zu tragen, wäre eine starke Botschaft. Die müssen wir aber noch ausbauen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das darf aber nicht in dem Sinne geschehen, dass wir unser System in andere Länder transportieren wollen. Nein, wir nehmen es als Botschaft mit auf, dass wir an der Stelle etwas entwickeln wollen. Wir müssen das dadurch unterstützen, dass wir – das haben Sie und auch Kai Gehring angesprochen – für den Bereich des nichtakademischen bzw. beruflichen Austausches die Mittel im Rahmen des Erasmus-Programms verdoppeln. Das wäre etwas, wo wir hinkommen könnten. Selbst wenn Sie, Frau Ministerin, die Stirn runzeln: Ich glaube, wenn wir es erreicht hätten, würden auch Sie das anders beurteilen. Am Ende geht es um die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Ausbildung auch bei Erasmus.

Weltoffenheit ist das Ziel und die Garantie, Frau Lücking-Michel, für das, was uns stark macht. Deshalb schlage ich den Schlussbogen mit einem Zitat von Alexander von Humboldt, der Folgendes gesagt hat:

Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.

Ja, sich die Welt anschauen – das ist Internationalisierungsstrategie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster hat das Wort Dr. Thomas Feist von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7090468
Wahlperiode 18
Sitzung 226
Tagesordnungspunkt Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft
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