Antje TillmannCDU/CSU - Finanzaufsichtsrecht
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Im Finanzbereich waren die letzten Jahre von Krisen geprägt, für die wir unter Zeitdruck Lösungen finden mussten. In der Bankenkrise haben wir gefühlt in einer Woche einen immensen Rettungsschirm aufgebaut. 2010 mussten wir in der Griechenland-Krise genauso schnell handeln. Und in der Schuldenkrise haben wir sehr zügig einen Rettungsschirm für europäische Staaten aufgebaut.
Es ist gut, dass wir das Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz heute ganz ohne Zeitdruck und ganz ohne akute Situationen und Handlungsbedarfe in Ruhe beraten können. Auch ist gut, dass wir hier beraten können, ob wir der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht für den Immobilienbereich zusätzlich differenzierte Instrumente an die Hand geben, mit denen sie dann reagieren kann, wenn es Schwierigkeiten in diesem Sektor gibt.
Ich sage ganz deutlich: Weder die Bundesbank noch die BaFin sehen aktuell eine Immobilienkrise. Die Bundesbank weist darauf hin, dass es für das Entstehen einer Blase neben stark steigenden Preisen, wie wir sie in einigen Städten sehr wohl haben, sowie einer laxeren Kreditvergabepraxis auch einer stark expansiven Ausdehnung der Immobilienkredite bedurft hätte. Das Wachstum der Immobilienkredite lag 2016 um 3,7 Prozent höher als im Vorjahr und damit absolut im Rahmen des langjährigen Durchschnitts. Es gibt also keine Krise auf dem Immobilienmarkt.
Beide Aufsichtsbehörden empfehlen aber, prophylaktisch Instrumente einzuführen, um, falls es zu einer solchen Situation käme, auch reagieren zu können. Diese Auffassung teile ich. Natürlich hätte die BaFin auch heute schon Instrumente, um in einem solchen Fall einzugreifen. Diese Instrumente sind aber so grobschlächtig, dass davon auch andere Kreditvergaben – zum Beispiel im Bereich der Wirtschaft, bei der es überhaupt keine Schwierigkeiten gibt – betroffen wären. Deshalb wollen wir zielgenauere Instrumente.
Der Ausschuss für Finanzstabilität hat uns hierzu vier Instrumente vorgeschlagen: erstens Eingriffe in die Kreditvolumen-Immobilienwert-Relation, also bezüglich der Obergrenze für das Verhältnis zwischen Darlehenshöhe und Immobilienwert; zweitens für die Anforderungen zur Amortisation; drittens für Schuldendienstfähigkeit, also hinsichtlich einer Obergrenze für den Schuldendienst im Verhältnis zum Einkommen, und viertens für eine Gesamtverschuldung-Einkommen-Relation, also in Bezug auf eine Obergrenze für das Verhältnis zwischen Gesamtverschuldung und Einkommen.
Nach sehr intensiven Beratungen haben wir uns darauf verständigt, die ersten zwei Instrumente einzuführen. Mit diesen kann die BaFin den Kreditgebern bestimmte Mindeststandards für die Vergabe von Neukrediten für den Erwerb oder den Bau von Wohnimmobilien vorgeben, wenn dies zur Abwehr einer drohenden Gefahr im Wohnimmobilienmarkt erforderlich ist.
Wir kombinieren diese Instrumente mit einer Bagatellgrenze und mit Schwellenwerten. Kredite bis 50 000 Euro werden von den neuen Instrumenten gar nicht erfasst. Daneben ziehen wir zwei weitere Schwellenwerte ein. Der erste liegt bei 200 000 Euro. Bei Krediten mit einer Beleihungsgrenze von 80 Prozent des Beleihungswertes bis 200 000 Euro werden auch diese nicht erfasst. Bei 400 000 Euro liegt die Beleihungsgrenze bei 60 Prozent. Auch solche Kredite bis 400 000 Euro werden nicht von den zusätzlichen Regulierungsmaßnahmen erfasst. Darüber hinaus hat jede Bank Freikontingente, wo sie trotz dieser Schwellenwerte bzw. bei Überschreitung Kredite gewähren kann.
Daneben haben wir bestimmte Bereiche im Wohnungsbau von dieser Regulierung komplett ausgenommen, zum Beispiel den sozialen Wohnungsbau, die Renovierung von Wohnimmobilien und Anschlussfinanzierungen. Auch für diesen großen Bereich gelten die zusätzlichen Beschränkungen und Regulierungsmaßnahmen überhaupt nicht. Das haben wir deswegen getan, weil wir Wohnungsbau brauchen. Wir fördern ihn deshalb in erheblichem Umfang auch aus dem Bundeshaushalt. Für den sozialen Wohnungsbau stellen wir jedes Jahr 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung.
Mit den Instrumenten, die wir über das Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz neu beschließen, wollen wir den Aufschwung auf dem Wohnungsmarkt nicht belasten. Wir wollen, dass Menschen Wohnungen bauen; denn der beste Schutz gegen steigende Mieten ist eine hinreichende Anzahl von Wohnungen. Deshalb treten die Instrumente, die wir heute beschließen werden, auch nicht automatisch in Kraft, sondern wir erwarten von der BaFin, dass sie vor Inkraftsetzen den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages informiert. Das haben wir im Gesetz festgelegt. Wir haben dann auch noch festgelegt, dass es eine Frist von sechs Wochen vor Scharfschaltung dieser Instrumente gibt, um mit den betroffenen Verbänden, mit Wohnungsunternehmen und Bauunternehmen, aber auch mit der Kreditwirtschaft zu beraten, ob es einer solchen Scharfschaltung dieser Instrumente tatsächlich bedarf. Auch da haben wir also noch eine Sicherheitsschwelle eingebaut, um mit diesen neuen Instrumenten vernünftig umgehen zu können.
In dieser Kombination ist der Gesetzentwurf ausgewogen. Wir erhöhen die Kompetenz der BaFin gegen Überhitzung auf dem Wohnungsmarkt und schützen so die Verbraucherinnen und Verbraucher vor Fehlentscheidungen, und wir würgen den Wohnungsbau nicht da ab, wo wir ihn dringend brauchen.
Wir werden diese Instrumente regelmäßig überprüfen, evaluieren und im Blick behalten. Selbstverständlich werden wir nachsteuern, wenn es den Bedarf gibt. Aber vorerst ist es ein gutes Gesetz, ein erster Schritt in die richtige Richtung, und ich kann Sie guten Gewissens um die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf bitten.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Axel Troost ist für die Fraktion Die Linke der nächste Redner.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7092681 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Finanzaufsichtsrecht |