30.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 228 / Tagesordnungspunkt 5

Enak Ferlemann - Schienenlärmschutzgesetz

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Sehr geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir können jetzt, wo wir auf die Zielgrade der Legislaturperiode einbiegen, sagen, dass wir wohl eine der erfolgreichsten Legislaturperioden für die Verkehrspolitik seit den Zeiten, als Verkehrsminister Seebohm die Verantwortung für die Verkehrspolitik trug – damals noch von der legendären Deutschen Partei –, haben. Wir haben in dieser Legislaturperiode wirklich gemeinsam Unglaubliches geleistet. Ich darf mich an dieser Stelle ganz herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen bedanken und insbesondere auch, lieber Michael Meister, beim Finanzminister, weil er uns immer sehr unterstützt hat und das hoffentlich auch weiter tut.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Neben den vielen Gesetzen, die wir gemeinsam verabschiedet haben – eine unglaubliche Investitionsinitiative mit sage und schreibe 271 Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur bis 2030 –, und vielem anderen setzen wir heute mit der Verabschiedung des Schienenlärmschutzgesetzes dem Ganzen noch die Krone auf. Viele Millionen Menschen haben auf dieses Gesetz gewartet, und sie haben wahrscheinlich – wenn man ehrlich ist – nie geglaubt, dass in dieser Wahlperiode ein solcher Gesetzentwurf von uns vorgelegt wird und von Ihnen heute beschlossen werden kann. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass wir im Verkehrsausschuss als dem federführenden Fachausschuss eine einstimmige Beschlusslage hinbekommen haben. Das ist bei so einem komplizierten Thema nicht selbstverständlich.

Was regeln wir? Viele Menschen sagen: Ein ICE oder ein IC läuft relativ leise, das gilt in aller Regel auch für Nahverkehrszüge, aber warum ist es bei Güterzügen nicht so? – Hintergrund ist: Güterzüge bremsen wir mit Stahl auf Stahl, das heißt, das Stahlrad wird mit einer Stahlbremse gebremst. Das raut das Rad auf, und weil es dadurch unrund wird, fängt das Rad an zu holpern – was wir mit dem menschlichen Auge nicht sehen, aber das erzeugt die lauten Geräusche. Bei Fernverkehrs- oder Nahverkehrszügen bremsen wir mit einer Kompositsohle, die das Rad nicht aufraut. Deswegen bleibt das Rad glatt und erzeugt damit nicht die hohen Lärmfrequenzen.

So war es klug, dass wir vor einiger Zeit ein Förderprogramm aufgesetzt haben und gesagt haben: Wir wollen, dass die Güterwagen von der Bremsung mit Stahl auf die Bremsung mit Kompositsohle oder sogenannter Leichtlaufsohle, mit der man nach einer kleinen Nachrüstung den gleichen Effekt erzielen kann, umgerüstet werden. Das ist sehr erfolgreich gelungen. Wir haben damals gesagt: Wenn bis 2016 nicht etwa die Hälfte der Güterwagen, die hier in Deutschland fahren, umgerüstet ist, wollen wir den entsprechenden Güterverkehr mit bestimmten Maßnahmen eingrenzen.

Da wir mit der Umsetzung des Programmes sehr erfolgreich sind – ich gehe davon aus, dass wir um die 50 Prozent der Güterwagen in Deutschland umgerüstet haben –, haben wir uns dazu entschlossen, den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, das zur Fahrplanperiode 2020/2021 die Fahrten mit lauten Güterwagen in Deutschland komplett verbietet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vorbild für uns ist dabei – wie bei Eisenbahnthemen so häufig – die Schweiz. Sie hat das im gleichen Zeitraum vor. Die Niederländer unterstützen es ebenso. Alle anderen europäischen Länder wundern sich, welches vermeintliche Luxusproblem da Deutschland bewegt. Aber wir wollen mehr Verkehr, gerade Güterverkehr, von der Straße auf die Schiene bringen, und obwohl fast alle Bürger sagen, das sei grundsätzlich richtig, ist es für die Leute eine Schreckensnachricht, wenn der Güterverkehr dann tatsächlich kommt. Sie klagen: Dieser ganze Lärm, dieser Krach! – Darum ist es im Sinne der Steigerung der Akzeptanz des Verkehrsträgers Schiene wichtig, dass wir sagen: Wir müssen mit dem Lärm deutlich runter. – Deswegen wollen wir den Lärm bis 2020 im Vergleich zu den Jahren 2008/2009 in ganz Deutschland halbiert haben. Dafür brauchen wir diese Maßnahmen.

Damit die Wirtschaft weiß, dass wir nicht nur darüber reden, sondern es ernst meinen, braucht es dieses Gesetz, um auch noch die letzten, vor allem ausländischen Wagenhalter zur Umrüstung zu bewegen, damit wir das große Ziel insgesamt erreichen können.

(Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Haben Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Herr Kollege Willsch.

Das ist lieb, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, Sie haben es selbst angesprochen: Es ist eine gute Nachricht, auch für den Rheingau, aus dem ich komme, dass wir die Klapperkisten wegbekommen. Sie gehören ins Museum und nicht auf die Schiene. Aber mehr Verkehr ist dennoch problematisch. Deswegen diskutieren wir ja auch über eine Alternativtrasse für das Mittelrheintal. Da ist im Bundesverkehrswegeplan etwas Entsprechendes vorgesehen. Meine Frage ist: Geht es da vorwärts?

Sehr geehrter Herr Kollege, wir reden zwar heute über ein Gesetz, das das Rad-Schiene-System verändert, aber Sie stellen eine Frage zur Infrastruktur. Gleichwohl will ich sie Ihnen gerne beantworten. – Es ist eine der größten Herausforderungen, das herrliche Mittelrheintal vom Schienenlärm zu befreien. Dazu gibt es unter anderem die Maßnahmen, über die wir heute reden. Aber wir werden um eine neue Infrastruktur nicht herumkommen. Dieses Projekt steht im sogenannten Potenziellen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. Bund-Länder-Arbeitsgruppen sind dabei, das zu bewerten. Potenzieller Bedarf heißt: Fällt die Bewertung positiv aus, rückt das Projekt automatisch in die höchste Kategorie, den sogenannten Vordringlichen Bedarf.

Wir haben es hier mit einem Projekt zu tun, bei dem wir mit rund 7 Milliarden Euro Kosten rechnen. Wir werden keinen durchgängigen Tunnel bauen können. Wir werden sicherlich Tunnel an Tunnel legen, um dieses Problem zu beheben. Ich glaube, es ist auf einem sehr guten Weg. Sie können am Wochenende sehr erfreut zu den Bürgerinnen und Bürgern Ihres Wahlkreises fahren und die gute Nachricht überbringen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Sollten weitere Fragen dieser Art kommen, will ich sie gerne beantworten. Das können wir aber auch an anderer Stelle fortsetzen.

Das Gesetz, das wir heute verabschieden werden, ist wirklich gut. Es gibt allerdings eine unterschiedliche Bewertung. Der Verkehrsausschuss hat gesagt: Wir wollen den diskriminierungsfreien Zugang zum deutschen Netz anders gestalten, als das Verkehrsministerium es vorgesehen hat. Wir haben unsere Bedenken dazu angesichts des großen juristischen Sachverstandes im Verkehrsausschuss zurückgestellt, weil die Experten gesagt haben, die Regelung sei europarechtskonform. Wir kennen uns als Verkehrsministerium damit aus: Auch die Maut ist europarechtskonform gewesen.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Na, mal sehen!)

Wir glauben, dass das auch in diesem Fall so sein wird. Deswegen werden wir das Gesetz mittragen und auch auf europäischer Ebene vorlegen und durchbringen.

Damit bin ich bei dem letzten Problem. In Europa ist man noch nicht so weit in Sachen Schallschutz auf der Schiene, wie wir Deutschen, die Niederländer und die Schweizer das sind. Es wird viel Überzeugungskraft kosten, die Europäische Kommission dazu zu bringen, das Gesetz, das wir heute beschließen, europaweit anwendbar zu machen. Es muss unser Ehrgeiz sein, dafür zu sorgen, dass in ganz Europa der Schienenverkehr leiser wird.

In diesem Sinne freue ich mich sehr, wenn wir den vorliegenden Gesetzentwurf heute über die Hürde heben und auch der Bundesrat in seiner nächsten Sitzung diesen Gesetzentwurf verabschiedet, sodass das Gesetz in Kraft treten kann. Es ist ein wahres Highlight der Verkehrspolitik, was wir heute beschließen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Jetzt hat Dr. André Hahn für die Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7092696
Wahlperiode 18
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Schienenlärmschutzgesetz
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