Thomas JarzombekCDU/CSU - Öffentlicher Personennahverkehr
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mehr zur Sache reden, aber nachdem der Kollege Bartol hier eine Wahlkampfrede gehalten hat, kann das nicht völlig unwidersprochen bleiben.
(Sebastian Hartmann [SPD]: Er hat zur Sache geredet!)
Ich sage nur eines dazu: Natürlich müssen die Dinge, die wir gemeinsam verabredet haben, auch gemeinsam getragen werden. Was das Thema „potenzielles Sozialdumping im öffentlichen Nahverkehr“ betrifft, muss erst einmal ein vernünftiger Regelungsvorschlag her;
(Sören Bartol [SPD]: Gibt es im Bundesrat!)
denn, lieber Kollege Bartol, wir in Nordrhein-Westfalen sind gebrannte Kinder durch Tariftreuegesetze, die den Mittelständlern und gerade den kleinen Mittelständlern so viel bürokratisches Blei ans Bein binden, dass kein kleines Unternehmen mehr Aufträge bekommen kann.
(Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU] – Widerspruch bei der SPD – Zuruf des Abg. Andreas Rimkus [SPD])
Deshalb müssen diese Dinge auch umsetzbar sein. Daran, dass sich Andreas Rimkus so aufregt, merke ich, dass er dadurch offensichtlich getroffen ist.
(Zurufe von der SPD)
Ich kann nur sagen: Das Tariftreuegesetz in Nordrhein-Westfalen, das Unternehmen und Handwerksbetrieben Regelungen vorgibt, um auch noch für den dritten Subunternehmer zu bürgen, dass auch der sich tariftreu verhält, und von Zertifikaten und von Siegeln spricht, von denen keiner weiß, wie er sie bekommen soll, ist mittelstandsfeindlich. Wir müssen mittelstandsfreundliche Regelungen schaffen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD]: Sind Sie für Tariftreue oder dagegen? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Davon abgesehen, wollte ich Ihnen eigentlich eine gute Nachricht präsentieren, auch wenn es für einen Düsseldorfer jetzt ein schwerer Gang ist, gerade den in Köln beheimateten VRS zu zitieren: „Erneuter Rekord bei Fahrgastzahlen und Einnahmen.“ Das ist eine Pressemitteilung des VRS von Montag. Der öffentliche Nahverkehr schreibt seit Jahren in Deutschland eine riesige Erfolgsgeschichte. Es gibt jedes Jahr mehr Fahrgäste, und der öffentliche Nahverkehr ist eindeutig ein Gewinner der Digitalisierung; denn Kunden, die früher nicht wussten, wann eine Straßenbahn kommt, können dies jetzt mit einer App erfahren. Sie können gleich ein Ticket kaufen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn denn eine Straßenbahn kommt! Die kommt nämlich meistens nicht, jedenfalls nicht im ländlichen Raum!)
Beim Warten an der Haltestelle sind sie jetzt beschäftigt. Sie sind auch beim Fahren im Verkehrsmittel häufig mit ihrem Handy beschäftigt. Gerade junge Leute sagen: Ich fahre lieber mit Bus und Bahn, da kann ich weiter auf Facebook und Co etwas machen, was ich beim Autofahren nicht kann. Deshalb sind die öffentlichen Nahverkehrsbetriebe Gewinner.
Aber sie müssen es auch bleiben. Hier stehen wir natürlich vor Herausforderungen. Kollege Kühn, zu Recht haben Sie das herausgestellt: Wir müssen aus dieser Kleinstaaterei heraus und brauchen endlich eine gemeinsame Plattform. Ich habe auf meinem Handy nachgezählt und festgestellt, ich habe neun Mobilitäts-Apps, die ich alle regelmäßig brauche: drei davon für die Rheinbahn, für die BVG und für die Deutsche Bahn. Diese müssen integriert werden.
Richtig ist, dass der Bundesverkehrsminister 16 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat, um eine einheitliche Plattform zu machen;
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um ein Forschungsprojekt zu machen!)
denn natürlich möchte ich mit der Rheinbahn-App auch Tickets bei der Bahn und bei der BVG kaufen, und wenn ich nach Frankfurt, Hamburg oder München fahre, dann eben auch dort.
(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kommt man mit 16 Millionen Euro nicht weit!)
Ich möchte aber insbesondere, und das ist meine Forderung an die Nahverkehrsunternehmen und an die Verbünde, weg von diesen albernen Karten. Warum brauchen Sie als Rheinbahnticket noch eine Karte im Portemonnaie? Wir machen jetzt gerade die Novelle des Personalausweisgesetzes. Der Personalausweis sollte als universelle ID – genauso wie alternativ eine Bankkarte – doch ausreichend sein, um als Verkehrsticket zu dienen. Gerade die Kunden, die wenig fahren, verschrecken Sie damit, dass man sich erst aufwendig solche Karten beschaffen und diese dann auch noch transportieren muss.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein weiteres wichtiges Thema ist Open Data. Wir werden hier morgen im Deutschen Bundestag das erste Open-Data-Gesetz einbringen. Darauf bin ich persönlich stolz, weil das wirklich ein großer Meilenstein ist. Diese Open-Data-Strategie, nämlich dass die Daten, die der Allgemeinheit gehören, auch der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden müssen, ist eine Innovationsquelle. Die öffentlichen Nahverkehrsunternehmen dürfen hier nicht auf Datentöpfen sitzen.
Ich weiß von Leuten, die innovative Verkehrs-Apps programmieren, wie schwer es ist, mit jedem einzelnen Verkehrsverbund zu verhandeln, wie man an die Fahrplandaten, an Echtzeitdaten und auch noch an eine Schnittstelle kommt, um Tickets zu verkaufen. Die Aufgabe der Nahverkehrsunternehmen besteht nicht darin, Google Konkurrenz zu machen, mit großem Aufwand eine eigene Plattform zu produzieren und dann die Daten darin abzuschließen, sondern die Aufgabe der Nahverkehrsunternehmen besteht darin, auf so vielen Plattformen wie möglich für ihr Produkt zu werben. Das bedeutet, dort Verbindungen präsent zu machen, dort Angaben zu platzieren und Menschen zu ermuntern, mit dem öffentlichen Nahverkehr zu fahren.
Wir stehen darüber hinaus vor einer großen Herausforderung, die damit einhergeht, dass beispielsweise BMW angekündigt hat, dass schon in vier Jahren Fahrzeuge selbst fahren. In dieser Woche haben wir auch den Gesetzentwurf zum automatisierten Fahren hier im Plenum. Das wird auch eine große Herausforderung für die Nahverkehrsunternehmen. In der letzten Woche haben wir auf der CeBIT mit unserer Arbeitsgruppe schon in einem selbstfahrenden Bus mitfahren können, der neun bis zwölf Leute transportieren kann und für die Schweizerische Post im Kanton Wallis unterwegs ist. Das ist ein tolles Projekt.
Es gibt auf dem EUREF-Campus hier in Berlin etwas Vergleichbares, und ich glaube, es ist wichtig, dass der öffentliche Nahverkehr dieses Thema sehr deutlich voranstellt. Die Zeit der großen Gefährte ist langsam, aber sicher vorbei. Die Menschen haben immer individuellere Bedürfnisse. Gerade über die Apps lernen Nahverkehrsunternehmen, wo Kunden herkommen und wo sie wirklich hinfahren wollen.
(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die sollen die S-Bahnen in Berlin ersetzen?)
Und das müssen wir berücksichtigen. Deshalb erwarte ich von den Nahverkehrsunternehmen, dass sie auch auf diese Plattform setzen und sich mit diesen selbstfahrenden Fahrzeugen an die Spitze der Bewegung setzen.
Der allerletzte Punkt ist ein ganz wichtiger: Um den Erfolg, den wir heute haben, auch fortzusetzen, brauchen wir WLAN, und zwar nicht nur an den Haltestellen, sondern auch in den Verkehrsmitteln. Das ist gerade für junge Leute ein immer wichtigerer Aspekt. Deshalb ist es wichtig, dass die Nahverkehrsunternehmen beim Thema WLAN die Initiative ergreifen. Dafür werbe ich und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Kerstin Kassner hat jetzt für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7092894 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Öffentlicher Personennahverkehr |