30.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 228 / Tagesordnungspunkt 6

Arnold VaatzCDU/CSU - Öffentlicher Personennahverkehr

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch für die Zuschauer auf den Tribünen möchte ich jetzt ein bisschen dazu beitragen, die Diskussion auf den eigentlichen Inhalt der Anträge zu lenken, über die wir heute reden. Einer der Anträge der Grünen ist mit den Worten überschrieben: „Investitionsstau auflösen – Zukunft des ÖPNV sichern – Jetzt die Weichen für den öffentlichen Verkehr von morgen stellen“.

Mit genau diesem Thema haben wir uns vor vier Jahren befasst, als wir den Koalitionsvertrag zwischen SPD, CSU und CDU niedergeschrieben haben. Damals haben wir uns zu dieser Aufgabe bekannt.

Dabei ist erstens eine der größten Leistungen der Verkehrsfinanzierung in der jüngeren Geschichte nach der Wiedervereinigung Deutschlands herausgekommen. Wir haben nämlich jetzt Regionalisierungsmittel für den öffentlichen Personennahverkehr in Höhe von 8,2 Milliarden Euro jährlich mit 1,8 Prozent Steigerung pro Jahr dynamisiert bereitgestellt. Das ist übrigens eine Steigerung in Höhe von 12 Prozent gegenüber dem Vorzustand und eine enorme Summe.

Zweitens. Wir haben auch erreicht, dass das Bundesprogramm im Gesetz für Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden über das Jahr 2019 hinaus fortgeführt wird und unbefristet mit einer Drittelmilliarde Euro jährlich für kommunale ÖPNV-Vorhaben verwendbar ist. Das schafft Planungs- und Finanzierungssicherheit, die Sie gefordert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir wissen aber, dass allein mit diesen Mitteln die erforderlichen Sanierungsaufgaben noch nicht zu leisten sind. Deshalb sind wir noch einen Schritt weiter gegangen. Wir haben außerdem beschlossen, ab dem Jahr 2020 Umsatzsteuerpunkte zur Verfügung zu stellen. Jetzt hoffen wir, dass diese Umsatzsteuermittel in den Ländern in die Kanäle fließen, für die sie gedacht sind. Wir haben darauf nämlich keinen Einfluss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Darauf Einfluss haben alle hier vertretenen Parteien, aber insbesondere die Grünen, die heute diesen Antrag gestellt haben. Herr Kühn, Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, dass wir noch weit hinter dem zurück sind, was wir uns für die Zukunft in Sachen Abschaffung von Kleinstaaterei und bei der Koordinierung und Vereinheitlichung von Zugriffen auf den öffentlichen Personennahverkehr vorstellen können – überhaupt keine Frage. Aber: Sie regieren in elf Ländern mit. Ich hätte die Bitte, dass Sie Ihre Verkehrspolitiker einmal zusammenholen und versuchen, wie wir es teilweise schon seit Jahrzehnten tun, dort eine gemeinsame Sprache hineinzubringen – ich arbeite da gerne mit Ihnen zusammen –, damit wir an dieser Stelle mehr Koordination zustande bringen. Nur, bis jetzt ist das nicht gelungen, und Sie haben verschwiegen, dass das bei Ihnen, in Ihren Reihen, ganz offensichtlich auch nicht klappt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich jetzt nicht verstanden! Das müssen Sie mir noch mal erklären!)

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zu einer anderen Frage.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo gibt es denn eine unterschiedliche Sprache? Erklären Sie mir das doch noch mal!)

– Ich will jetzt noch kurz etwas zu der Auseinandersetzung über das Personenbeförderungsgesetz sagen; erlauben Sie mir das auch bitte.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe das aber immer noch nicht verstanden!)

Ich glaube, hier nähern wir uns allmählich einer Grundfrage. Die Grundfrage, die hier eine Rolle spielt, wird von der rechten und der linken Seite dieses Parlaments unterschiedlich beantwortet. Sie lautet: Ist der ÖPNV für den Bürger da, ist der ÖPNV also ein Dienstleister für den Bürger, oder ist der Bürger ein Dienstleister für den ÖPNV?

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Was ist das denn für eine Frage? Ich glaube, die Frage hat sich niemand gestellt!)

Hat der Bürger das Einkommen und die Arbeitsplätze beim ÖPNV zu sichern, oder hat der ÖPNV nicht vielmehr die Aufgabe, dem Bürger nach dem günstigsten Preis-Leistungs-Verhältnis eine Dienstleistung anzubieten? Das ist die Frage, um die es geht.

(Ulli Nissen [SPD]: Und was ist mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?)

Unsere Seite des Parlaments sagt: Der ÖPNV ist der Dienstleister für den Bürger. – Sie hingegen befassen sich mit der Besitzstandswahrung eines Teils der Öffentlichkeit zulasten eines anderen Teils der Öffentlichkeit,

(Widerspruch bei der SPD)

nämlich derjenigen, die im privaten Gewerbe tätig sind. Diese Arbeitsplätze sind Ihnen nicht wichtig.

(Widerspruch bei der SPD – Sören Bartol [SPD]: Steile These!)

Sie senden das Signal aus: Den privaten Verkehrsdienstleistern geht es jetzt an den Kragen. – Das ist Ihre Botschaft.

(Sören Bartol [SPD]: Nein, eben nicht! Quatsch!)

Das ist genau die Botschaft, die wir vermeiden wollen.

(Kirsten Lühmann [SPD]: Sie hätten bei unseren Reden mal besser zuhören sollen! Dann würden Sie so etwas jetzt nicht behaupten!)

Jetzt noch eine Bemerkung zu dem wichtigen Thema Wahlkampf. Sebastian Hartmann hat sehr richtig gesagt: Der Wahlkampf gehört zur Demokratie; er ist die Würze der Demokratie. Da hat man die Möglichkeit, scharf konturiert Unterschiede darzustellen, damit der Bürger weiß, wem er aus welchem Grund seine Stimme gibt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bürgerin aber auch!)

Das ist richtig. Aber es gibt da ein Problem. Im Wahlkampf geht nämlich etwas schief, wenn man die Dinge so vergröbert, dass am Ende Unwahrheiten herauskommen. Bei Ihnen ist es so, dass Sie eines nicht erklären: wie Sie den Wettbewerb im öffentlichen Personennahverkehr aufrechterhalten wollen, wenn Sie die Wettbewerber, die zur Verfügung stehen, vom Markt fegen.

(Klaus Barthel [SPD]: Aber das wollen wir doch gar nicht!)

Genau das tun Sie im Augenblick. Sie sind nicht bereit, Wettbewerb wirklich zuzulassen.

(Kirsten Lühmann [SPD]: Herr Vaatz, bleiben Sie bei der Wahrheit! Das ist doch eine Lüge!)

Jetzt komme ich auf die Situation in Pforzheim zu sprechen. Sie argumentieren mit dem Alter der Verkehrsbetriebe usw. usf. Ich argumentiere mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis. Das Preis-Leistungs-Verhältnis hat sich dort dramatisch verbessert. Es werden pro Jahr 3 bis 7 Millionen Euro eingespart, und das bei einer verbesserten Verkehrsleistung. Jetzt verstehe ich natürlich auch, warum manche öffentliche Personennahverkehrsdienstleister die Hosen voll haben.

(Zuruf von der SPD: Ach ja? Bei wem ist das denn so?)

Sie fürchten nämlich, dass sie mit ihrem Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr zukunftsfähig sind, wenn es darum geht, die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen.

(Kirsten Lühmann [SPD]: Aber auf Kosten der Beschäftigten!)

Ich sage Ihnen: Wir wollen Marktwirtschaft, und wir wollen auch im öffentlichen Personennahverkehr vernünftige Bedingungen. Wir wollen kein Lohndumping. Sie können das Lohndumping verhindern, indem Sie von Ihren gesetzgeberischen Möglichkeiten in den Ländern Gebrauch machen. Tun Sie das, und verbreiten Sie hier keine Illusionen, die Sie am Ende nicht verwirklichen können.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7092907
Wahlperiode 18
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Öffentlicher Personennahverkehr
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