Axel SchäferSPD - Vereinbarte Debatte zum EU-Austritt Großbritanniens
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit zwei persönlichen Bemerkungen beginnen, die meine besondere Traurigkeit ausdrücken.
Erstens. Meine Stadt Bochum ist seit 67 Jahren partnerschaftlich mit Sheffield verbunden. Es haben Schüleraustausche, vielfache Begegnungen und Solidaritätsaktionen für Arbeitsplätze stattgefunden, aber am Ende war das Gemeinsame schwächer als das Trennende.
Zweitens. Ich bin besonders traurig, dass unsere Labour-Kollegin Jo Cox von einem fanatischen EU-Hasser ermordet worden ist.
Deshalb sage ich hier ganz offen: Politiker wie Johnson und Farage mit ihren Hetzreden haben eine moralische Mitverantwortung für den Brexit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt wird es darauf ankommen, dass wir im Dialog mit unseren Bürgerinnen und Bürgern einige Dinge ganz, ganz klar aussprechen.
Erstens. Der Zusammenhalt dieses vereinten Europas ist das Allerwichtigste – jeden Tag, bei allen Verhandlungen, bei allem, was wir tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Der Brexit ist nicht gut für die EU, aber er ist besonders tragisch für Großbritannien. Er verursacht eine Situation, die bis zu einer Spaltung des Landes führt.
Drittens. In den Verhandlungen wird es letztlich nicht um möglichst gute Lösungen gehen, sondern darum, dass wenig Schlechtes dabei herauskommt. Denn wir sind nicht mehr in einer Win-win-Situation. Am Ende wird eine Lose-lose-Situation bestehen. Darüber darf es überhaupt keine Illusionen geben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Viertens. Stellen wir uns darauf ein, dass die britische Regierung bei allen Konflikten in den Gesprächen sagen wird: Ihr Europäer behandelt uns schlecht. – Das ist so, als würde Frau May eine Scheidung anstreben, aber weiterhin jede Nacht im europäischen Ehebett verbringen und keinen Unterhalt für die gemeinsamen Kinder zahlen. So geht es weder im richtigen Leben noch in der Politik.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es gibt aber auch Gutes im Schlechten. Ich bin ganz sicher: Die Verhandlungen werden zeigen, was wir in Europa gemeinsam erreicht haben. Die Verhandlungen werden vielen Menschen die Augen öffnen über die Erfolge der EU, die so selbstverständlich geworden, jetzt aber leider gefährdet sind. Ich hoffe, sie werden auch manchen das Wort im Hals stecken bleiben lassen, die immer wieder über die Bürokratie und alles Schlechte aus Brüssel gelästert oder, christlich formuliert, falsches Zeugnis wider den Nächsten geredet haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
In den nächsten Jahren wird sich zeigen, dass die Europäische Kommission als zentrale Institution mit einer außergewöhnlichen Kompetenz, mit Power in der Lage sein wird – übrigens ebenso wie bei der deutschen Einheit –, dieses Regelwerk überhaupt hinzubekommen. Es gibt nirgendwo in der EU, in keinem Staat so viel Sachverstand, um das überhaupt bewerkstelligen zu können.
Denn am Ende wird es, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Lösungen und um Antworten gehen, für die wir heute noch nicht einmal die Fragestellung kennen.
Ich bleibe optimistisch insbesondere aufgrund der vielen jungen Menschen, die sich für Europa engagieren. Wir hoffen, dass auch verstockte konservative und ängstliche Labour-Politiker auf einen anderen Weg zurückkommen. Wir wollen dieses gemeinsame Europa, so wie wir weiterhin Englisch sprechen, den Fußball lieben und die Errungenschaften für die Demokratie in Großbritannien wertschätzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer. – Als Nächste spricht Andrea Lindholz von der CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7092934 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zum EU-Austritt Großbritanniens |