30.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 228 / Tagesordnungspunkt 12

Ursula Groden-KranichCDU/CSU - Transparenz von Entgeltstrukturen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Liebe Frauen! Das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen wurde heftig kritisiert und war auch sicher keine leichte Geburt. Aber das hat schon so manche Mutter erlebt, und das Kind hat sich dann prächtig entwickelt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Gott!)

Erlauben Sie mir daher eine Bemerkung vorab: Wenn wir lange und intensiv über ein Vorhaben diskutieren und wenn verschiedene Gruppen mit Herzblut ihre Interessen vertreten und am Ende einen Kompromiss finden, dann ist das für mich kein Zeichen von Schwäche oder politischer Inkompetenz,

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch nicht um Sie; es geht um die Frauen!)

sondern genau das Gegenteil: ein Beispiel dafür, wie Politik ganz praktisch funktioniert, zumindest in einer intakten Demokratie. Dort, wo Gesetze per Dekret von oben erlassen werden, dient das in aller Regel nicht den Frauen und schon gar nicht dem Ziel der Gleichstellung.

Ich habe es hier schon mehrfach gesagt, und ich wiederhole es gerne immer wieder: Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließen wir nicht mal eben mit einem Gesetz und überhaupt mit keinem Einzelgesetz. Das sehen wir am Beispiel von Skandinavien mehr als deutlich: Weder Transparenz noch irgendeine politische Maßnahme alleine führen zum Ziel. Die unbequeme Wahrheit lautet: Die Lohnlücke schließen wir mittelfristig nur mit einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen junge Frauen von Anfang an stärken und sie viel früher in Sachen Beruf und Finanzen informieren, und wir müssen bei allen Maßnahmen immer auch den Arbeitsmarkt im Blick haben. Denn in Zeiten von hybriden Arbeitsverhältnissen und gebrochenen Erwerbsbiografien gehen manche Regelungen, die wir hier beschließen, an den eigentlichen Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorbei, oder sie sind schon wieder überholt, bevor sie in Kraft treten.

Auch wenn dieses Gesetz also nicht die Lösung der Entgeltfrage bringen wird,

(Dagmar Ziegler [SPD]: Ja, weil es so lange dauert!)

hat es bereits jetzt einen gar nicht unwichtigen Zweck erfüllt: Wir reden über Gehälter und Transparenz, und zwar öffentlich und auf allen Ebenen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie schon seit 20 Jahren!)

Ich erwarte davon durchaus eine gewisse Signalwirkung, ähnlich wie bei der Quote, die ja zunächst auch belächelt wurde, und jetzt stellen wir fest, dass sie dort, wo es sie gibt, wirkt und dass trotzdem und völlig überraschend die Welt nicht untergegangen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wenn wir über dieses Gesetz reden und wenn wir durch dieses Gesetz über Gehälter reden, müssen wir aber auch so ehrlich sein, ein paar unangenehme Fragen zu stellen: an die Wirtschaft, an die Politik und vor allem an uns selber. Denn natürlich könnten unterschiedliche Gehälter innerhalb einer Entgeltgruppe ein Zeichen von Diskriminierung sein.

Viel spannender ist aber doch die Frage, warum jemand wo eingruppiert wird und wie ich aus einer Entgeltgruppe in die nächste aufsteige. Damit sind nämlich oft die Bedingungen vorgegeben, die im Laufe des Berufslebens weiter verstärkt werden.

Noch schwieriger wird die Bewertung über Berufe und Branchen hinweg. Auch hier müssen wir endlich so ehrlich sein, den Finger in die Wunde zu legen:

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie ja gar nicht!)

Die typischen Frauenberufe werden nicht nur von Arbeitgebern oder von den Sozialpartnern unterbewertet, sondern von allen, die diese Dienstleistungen gerne in Anspruch nehmen, aber nicht wirklich bereit sind, dafür auch anständig zu zahlen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen doch gar nichts dagegen!)

Auch heute noch gilt Familienarbeit wie Pflege und Erziehungsarbeit als eine Leistung, die Frauen quasi selbstverständlich und natürlich unbezahlt erbringen sollen. Wie der Bericht über die Schwarzarbeit in privaten Haushalten gezeigt hat, geht das sogar noch viel, viel weiter.

Auch die Frage nach den Rollenstereotypen, die unbestritten zum Pay Gap beitragen, bringt ein paar unangenehme Antworten mit sich. Inzwischen belegen nämlich zahlreiche Studien, dass diese Rollenstereotype nicht nur in den Köpfen der Männer, sondern genauso in den Köpfen der Frauen verfestigt sind. Ein US-amerikanisches Fachblatt hat soeben Studienergebnisse veröffentlicht, wonach Frauen und Männer gleichermaßen dazu neigen, Frauen pauschal geringere Löhne zuzugestehen als den gleich qualifizierten Männern. Solche unangenehmen Wahrheiten und verfestigten Rollenbilder lösen wir natürlich nicht mit einem Entgelttransparenzgesetz auf. Aber ich bin überzeugt, dass das Gesetz mit seinem Mehr an Transparenz durchaus dazu beitragen wird, die bestehende Lücke zu schließen. Wenn wir uns häufiger mit den unterschiedlichen Gehältern von Männern und Frauen sowie mit den Gründen für die Differenzen beschäftigen, erkennen wir den Wert der eigenen Arbeit und der Arbeit anderer möglicherweise besser.

Wir müssen Frauen dazu bewegen, aktiver zu werden. Ich weiß, dass Aktivwerden immer unangenehmer ist, als wenn der Gesetzgeber alles regelt. Aber das Entgelttransparenzgesetz ist eine Etappe auf dem Weg der Gleichstellung, den Feministinnen seit Einführung des Frauenwahlrechts beschritten haben. Das Ziel dieses Gesetzes sind Entgelttransparenz und dadurch Entgeltfairness im Sinne einer leistungsgerechten und geschlechtsunabhängigen Entlohnung. Damit hätten wir dann in der Tat gar nicht so wenig erreicht und einen gar nicht so kleinen Schritt auf dem Weg der Gleichstellung getan.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das Gesetz einmal gelesen?)

Vielen Dank, Frau Kollegin Groden-Kranich. – Darf ich noch einmal versuchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie daran zu erinnern, entweder die interessanten Debatten, die Sie hier im Hintergrund führen, draußen fortzusetzen oder sich hinzusetzen. Das gilt auch für die Grünen-Männer, die so engagiert reden. Es sind keine Frauen dabei.

Ich bitte Sie, dem letzten Redner in der Debatte Ihr Gehör zu schenken.

Der letzte Redner in der Debatte ist Paul Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7093192
Wahlperiode 18
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Transparenz von Entgeltstrukturen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine