30.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 228 / Tagesordnungspunkt 13

Uwe KekeritzDIE GRÜNEN - Hungersnot und Völkermord in Südsudan

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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der VN-Nothilfekoordinator, Stephen O’Brien, wies neulich darauf hin, dass die größte humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg auf uns zurollt. Er spricht in erster Linie von der Hungersnot in den Ländern Jemen, Südsudan, Somalia und Nigeria. Es sind weit über 20 Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Laut UNICEF sind inzwischen 1,4 Millionen Kinder stark unterernährt, sie kämpfen bereits mit dem Tod. Um wirklich helfen zu können, braucht die Weltgemeinschaft circa 4,4 Milliarden Dollar. Die deutsche Bundesregierung hat allerdings noch keine klaren Aussagen über Mittelfreigaben gemacht, plant aber gleichzeitig, den Wehretat bis 2020 um 5 Milliarden Euro zu erhöhen.

Der Südsudan ist im Würgegriff des Hungers, gleichzeitig gibt es immer mehr Gewaltexzesse bestialischer Art. Die Gewaltspirale verstärkt sich laufend, trotz internationaler Schutztruppen, die zurzeit leider hilflos zusehen müssen, wie sich die Situation täglich verschlechtert. Trotzdem ist auch die weitere Unterstützung der Blauhelme von UNMISS unabdingbar. Frithjof Schmidt hat in seiner letzten Rede zum UNMISS-Mandat darauf hingewiesen.

Trotzdem ... müssen wir dringend über eine qualitative Aufstockung und Verbesserung dieser UN-Mission reden. Sie reicht so, wie sie ist, einfach nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich wende mich an dieser Stelle an die Linke. Bitte denken Sie schon einmal darüber nach: Alles abzulehnen, ist gut, aber wir würden von Ihnen gerne Alternativen hören.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Kommt gleich!)

Eine Schwächung oder gar ein Abzug von UNMISS wäre für all diese Menschen, die Schutz finden, eine absolute Katastrophe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)

Der UN-Sonderberater zur Verhinderung von Völkermord, Adama Dieng, warnte bereits im letzten Jahr vor Völkermord im Südsudan, und er vergleicht die Situation heute mit der Situation in Ruanda 1994. Ich muss niemandem erklären, was damals passierte. Seit neun Monaten eskaliert die Gewalt. Menschenrechte werden bestialisch mit Füßen getreten. Die Folge davon: Über 2 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht, 1,5 Millionen Menschen sind in die Nachbarländer geflohen. Zivilisten sind inzwischen Zielscheibe der Gewalt. Massenvergewaltigungen, Folter, Plünderungen, Tötungen und willkürliche Inhaftierungen sind an der Tagesordnung. Dörfer werden niedergebrannt, Kirchen und Krankenhäuser angegriffen und Menschen zwangsrekrutiert, auch Kinder.

Die VN-Menschenrechtskommission spricht von einem ungeheuerlichen Ausmaß der sexualisierten Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Die sexuelle Versklavung gehört leider dazu. Frauen und Mädchen wird unendliches Leid zugefügt, sie haben oftmals nach einer Vergewaltigung oder einer Schwangerschaft aufgrund einer Vergewaltigung keine Möglichkeit mehr, zu ihren Familien zurückzukehren. Sie werden verstoßen.

Im Oktober letzten Jahres traf ich mich mit dem Generalvikar der katholischen Diözese von Tambura. Der Vikar bot mir Bilder an. Er sagte: Hier können Sie einmal sehen, was passiert, wenn Regierungssoldaten ein Dorf überfallen. – Er erklärte allerdings, diese Bilder sind nicht zum Anschauen. Diese Bilder muss man aushalten. Und diese Bilder muss man ertragen. Er hatte leider recht. Ich erspare Ihnen jetzt die Beschreibung dieser Bilder. Ich glaube, jeder von Ihnen kann sich vorstellen, was ich zu sehen bekam. Aber die Bilder bestätigten die beängstigende bestialische Brutalität und die Menschenverachtung in diesem Land. Deswegen muss die Bundesregierung unverzüglich mit den europäischen Partnern einheitlich vorgehen. Auch die schmutzige verbrecherische Rolle von Salva Kiir muss auf das Tableau.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)

Deutschland und Europa müssen mit China, Russland, den USA, der AU und anderen Ländern nach Lösungsmöglichkeiten suchen, die zu einer Stabilisierung des Landes führen. Der Weg über den Sicherheitsrat muss gut vorbereitet und schnell gefunden werden. Es ist jedoch unabdingbar, in einem ersten Schritt ein UN‑Waffen­embargo durchzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Neben vielen Maßnahmen, die wir im Antrag aufzählen, muss die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft verstärkt werden. Aus den Gefängnissen der Regierung Salva Kiir müssen Menschenrechtsverteidiger und Journalisten sofort befreit werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Das Thema der Straflosigkeit und, damit zusammenhängend, die Frage der Beweissicherung müssen jetzt aufgegriffen werden. Jeder, der sich heute an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt, sollte wissen, dass er mit einer strafrechtlichen Verfolgung zu rechnen hat.

Deutschland und Europa müssen ihre Beiträge zur Bekämpfung der Hungersnot deutlich erhöhen und auch die kaum mehr vorhandene medizinische Versorgung verbessern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Michael Brand [CDU/CSU] und Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Das alles muss sehr schnell gehen; denn die Regenzeit kommt, und mit der Regenzeit werden weite Teile des Landes einfach nicht mehr passierbar sein. Mit Beginn der Regenzeit können also kaum mehr Unterstützung und Hilfe geleistet werden. Wenn es uns nicht gelingt, jetzt Hilfestellung zu leisten, kommt mit dem Regen auch der massenhafte Tod in den Südsudan, und das können und wollen wir nicht verantworten.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Uwe Kekeritz. – Nächster Redner: Michael Brand für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7093203
Wahlperiode 18
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Hungersnot und Völkermord in Südsudan
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