30.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 228 / Tagesordnungspunkt 13

Gabriela HeinrichSPD - Hungersnot und Völkermord in Südsudan

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste! Stellen Sie sich vor, alle Menschen in Niedersachsen wären auf Hilfe angewiesen, um zu überleben, ganz Berlin wäre auf der Flucht, alle unter 18-Jährigen in Hamburg wären akut vom Hungertod bedroht. Dieser Vergleich mit Deutschland zeigt die Dimension der aktuellen Hungerkatastrophe im Südsudan. Stephen O’Brien – Kollege Kekeritz hat es bereits erwähnt –, der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, spricht von 7,5 Millionen Menschen, die akut Hilfe brauchen. Das sind ungefähr so viele, wie Niedersachsen Einwohner hat. Stephen O’Brien hat an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geschrieben:

Wir stehen an einem kritischen Punkt der Geschichte. Schon am Anfang des Jahres stehen wir vor der größten humanitären Krise seit der Gründung der Vereinten Nationen.

Dieses Zitat bezieht sich, wie auch bereits erwähnt, nicht allein auf den Südsudan, sondern auf die aktuelle Hungerkatastrophe in Teilen der Länder Nigeria, Kenia, Somalia und Jemen. Insgesamt 20 Millionen Menschen könnten verhungern, wenn sich die internationale Gemeinschaft nicht bewegt.

Im Südsudan hungern die Menschen jedoch nicht in erster Linie wegen Dürre oder Überschwemmungen, wegen Klimaveränderungen oder fehlendem Saatgut. Hier im Bundestag werden wir seit Jahren auf die drohende Katastrophe im Südsudan hingewiesen. Jedes Mal geht es um brachliegende Felder und ausbleibende Ernten, weil die Menschen auf der Flucht sind vor Gewalt in ihrem eigenen eigentlich reichen und fruchtbaren Land.

58,5 Millionen Euro an humanitärer Hilfe hat das Auswärtige Amt 2016 allein für den Südsudan bereitgestellt. 2017 werden weitere Gelder folgen. Die bilaterale Entwicklungsarbeit musste in weiten Teilen ausgesetzt werden, weil die Sicherheitslage außerhalb der Hauptstadt jede Unterstützung unmöglich macht.

Alle Konfliktparteien greifen immer wieder ganz gezielt Zivilisten an. Menschen wurden in Frachtcontainer eingepfercht und zum Sterben in die Sonne gestellt. Milizen und die Regierungsarmee plündern und brennen Häuser nieder. Krankheiten, zum Beispiel die Cholera, breiten sich aus.

Und die Frauen? Auch vor dem Krieg wurden die Menschenrechte von Frauen im Südsudan massiv verletzt. Jetzt im Krieg, in diesem Bürgerkrieg, in dem die Frauen marodierenden Banden schutzlos ausgeliefert sind, ist alles noch viel schlimmer. Täter vergewaltigen Frauen ganz systematisch.

Diese sexuelle Gewalt scheint auch eine ethnische Dimension bekommen zu haben. Soldaten des Regierungslagers vergewaltigen gezielt Frauen, die nicht der Bevölkerungsgruppe der Dinka angehören. Die Täter gehen natürlich straflos aus, während die vergewaltigten Frauen nicht nur völlig traumatisiert, sondern oft auch aus ihrer Gemeinschaft ausgestoßen werden. Alle beteiligten Konfliktparteien verüben solche Verbrechen: Regierungstruppen, Mitglieder des nationalen Sicherheitsdienstes, Polizisten, Rebellen.

Die Kriegsgewinnler sind vor allem die beiden verfeindeten Anführer, Präsident Salva Kiir und sein ehemaliger Stellvertreter, Riek Machar. Ihre Familien leben beide in einem Nobelviertel von Nairobi. Kinder und Enkel gehen dort auf teure Privatschulen. Finanziert wird das alles über intransparente Kanäle, durch Baufirmen, durch Öl.

Im Antrag, der heute auf der Tagesordnung steht, ist zu lesen:

Die südsudanesische Regierung ist für den Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten verantwortlich und derzeit nicht ... in der Lage, ihre Zivilbevölkerung vor der endemischen Gewalt zu schützen.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Nicht in der Lage? Nicht willens!)

Sie haben auch recht, dass die südsudanesische Regierung ihre Zustimmung zu einer internationalen Schutztruppe widerrufen hat und keinerlei Anstrengungen unternimmt, die schweren Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land zu unterbinden und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Man wird an dieser Stelle auch nicht weiterkommen; denn die Hauptakteure selbst sind für diese Menschenrechtsverletzungen verantwortlich.

Das muss ein Ende haben. Im Antrag nennen Sie durchaus viele wichtige Maßnahmen. Gezielte Sanktionen gegen alle maßgeblichen Akteure des Konflikts halte ich für sinnvoll, wie das Einfrieren von Konten und die Einschränkung der Reisefreiheit.

Die humanitäre Katastrophe werden wir nicht allein durch humanitäre Hilfe abwenden können. Wir müssen uns weiter dafür einsetzen, eine politische Lösung zu finden. Dazu gehört auch dringend die Übereinkunft über ein Waffenembargo.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dazu gehört meiner Auffassung nach auch UNMISS; denn wir werden die Hilfe zu den Menschen kommen lassen müssen. Bei der Unterstützung ist völlig zu Recht die Zivilgesellschaft genannt. Wir müssen vor allen Dingen auch die Frauen schützen und dafür sorgen, dass Vergewaltigungen und Verbrechen an Frauen und Kindern angeklagt werden.

Bis es mit einer politischen Lösung so weit ist, müssen wir weiter die Not lindern. Der eingangs zitierte UN-Nothilfekoordinator Stephen O’Brien hat an den Sicherheitsrat geschrieben:

Es ist möglich, die Krise, die Hungersnot und die drohende menschliche Katastrophe abzuwenden.

Allerdings braucht er für den Südsudan, Jemen, Somalia, Nord-Nigeria 4,4 Milliarden Dollar bis Juli 2017.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Gabriele Heinrich. – Nächste Rednerin: Dagmar Wöhrl für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7093209
Wahlperiode 18
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Hungersnot und Völkermord in Südsudan
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