30.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 228 / Tagesordnungspunkt 13

Christoph SträsserSPD - Hungersnot und Völkermord in Südsudan

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vor ungefähr zweieinhalb Jahren habe ich auf Vermittlung einer großen internationalen Kinderrechtsorganisation – ich kann den Namen nennen und ein bisschen Werbung machen; es war Plan International – eine Patenschaft für einen Jungen aus dem Südsudan übernommen. Das ist ganz einfach; das kann jeder machen. Das kostet nicht viel Geld, aber mit dem wenigen Geld konnte vieles finanziert werden: der Zugang zur Schule, Kleidung und alles, was man so braucht. Vor ungefähr vier Monaten habe ich von Plan International die Nachricht erhalten, dass sie die Patenschaft leider nicht mehr aufrechterhalten können, weil sie nicht mehr gewährleisten können, dass erstens dieser Junge noch lebt und dass zweitens irgendetwas, was sie tun können, bei diesem Kind auch ankommt.

Dieser Junge – ich habe ihn selber nie live gesehen, aber einige Mitteilungen von ihm bekommen – kommt aus der Nähe von Rumbek, einer Stadt im Bundesstaat Lakes im Südsudan. Das liegt noch nicht im Zentrum der Auseinandersetzung, aber auch dort ist die Situation natürlich dramatisch schlecht. Das Schicksal dieses Jungen teilen Millionen von Menschen im Südsudan.

Ich spreche darüber aber auch noch aus einem anderen Grund: Der Menschenrechtsausschuss des Bundestages hatte im Jahre 2004, also ein Jahr, bevor der umfassende – ich sage das jetzt einmal in Anführungsstrichen – „Friedensvertrag“ zwischen dem Sudan und der damaligen Provinz Südsudan abgeschlossen wurde, Zugang zum Südsudan. Wir sind dort mit einem sogenannten Buschflieger, einer privaten Maschine, eingeflogen und auf einer Piste mitten im Busch gelandet. Anders war der Südsudan damals nicht erreichbar. Nachdem wir ausgestiegen waren, sahen wir neben dieser Piste zwei große Lagerstätten – Holzlager ohne Dach. Wir haben unsere Begleiter gefragt, was das ist und was darin ist, und sie sagten: Geht mal hin und guckt euch das an. – Wir haben in diese Lager mitten im Südsudan geschaut und gesehen, dass sie vollgepackt waren mit funktionsfähigen Kleinwaffen und allem, was man sich vorstellen kann – und das für jedermann zugänglich.

Das sage ich auch deshalb, weil wir hier über ein Waffenembargo reden. Natürlich muss es dieses Waffenembargo geben. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Aber selbst wenn es das geben würde, wären die Probleme im Südsudan dadurch nicht gelöst, weil das Land vor Kleinwaffen überläuft, und das sind die gefährlichen Waffen, die gerade gegen Kinder, Frauen und Zivilisten allgemein eingesetzt werden.

Nach der Vereinigung der beiden Staaten ist unter anderem falsch gelaufen, dass keine wirkliche Entwaffnung stattgefunden hat. An der einen oder anderen Stelle sind den Kämpfern zwar die Waffen weggenommen worden, aber sie sind im Land geblieben und in solchen Lagern gelandet, die für alle möglichen Menschen zugänglich sind. Das kann in einem Land, das 22 Jahre lang – und davor noch einmal 15 Jahre lang – im Bürgerkrieg gewesen ist, nicht funktionieren. Deshalb ist das Waffenembargo wichtig; ich glaube aber, man muss der Ehrlichkeit halber auch sagen, dass die EU vor einigen Jahren schon ein Waffenembargo gegen den Südsudan ausgesprochen und Lieferungen dorthin verboten hat.

Man muss sich zugleich die Frage stellen, woran ein entsprechendes Waffenembargo der UN eigentlich scheitert. Bei der letzten Abstimmung im Sicherheitsrat haben sich nur 7 von 15 Ländern für ein Waffenembargo ausgesprochen, 8 haben sich enthalten. Unter diesen acht Ländern – das muss man auch einmal sagen – waren zwei ständige Mitglieder des Weltsicherheitsrates, nämlich China und Russland. Auch das ist ein Teil der Wahrheit, der uns nicht davon abhalten sollte, die Umsetzung des Waffenembargos weiter zu verfolgen.

Neben diesem Aspekt möchte ich gerne noch zwei Dinge sagen, die für die politische Situation im Südsudan wichtig sind.

Uwe, ich finde euren Antrag gut; das sage ich ganz deutlich.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)

Er hat aber an einer Stelle eine Macke – das hat auch Frau Wöhrl schon angesprochen –: Es findet sich in eurem Antrag kein Satz dazu, dass die Verrohung des Völkerrechtes im Südsudan eine neue Dimension dadurch erfahren hat, dass es eben nicht mehr gelingt, wie Sie es gesagt haben, humanitäre Hilfe dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wird. Wenn Helferinnen und Helfer bei ihrer Arbeit in Lebensgefahr sind, dann wird man sich sicherlich die Frage stellen müssen: Was passiert dort eigentlich?

Ein weiterer Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist der sogenannte nationale Dialog, der dort stattfinden sollte, aber nicht funktioniert. Ich behaupte – das ist wissenschaftlich nicht bewiesen –: Ein nationaler Dialog zwischen zwei Männern, die nichts anderes gelernt haben, als Krieg zu führen, und zwar auf Kosten der Zivilbevölkerung, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Deshalb ist meine dringende Bitte an die Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass dieser nationale Dialog, wenn er denn erfolgreich sein soll, in einem inklusiven Prozess, also unter Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Organisationen, insbesondere von Frauenorganisationen, durchgeführt wird. Nur dann bietet dieser politische Prozess eine Lösungsperspektive.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Frau Präsidentin, als ich zum Pult gekommen bin, hatte ich eine Vision. Sie alle kennen ja den Ausspruch des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, der soll nicht ins Parlament, sondern zum Arzt gehen. – Ich habe trotzdem diese Vision. Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen zur Verhinderung von Genozid, Dieng, hat sehr deutlich gesagt: Das, was im Südsudan passiert, ist etwas Neues – wie es damals in Ruanda, wie es damals in Srebrenica etwas Neues war –, nämlich ein permanenter Prozess des Völkermordes. Meine Vision, bei allen Differenzen, die wir in vielen Fragen haben, war: Das, was den Menschen hilft – das wissen sie vielleicht nicht –, wäre eine starke und einhellige Abstimmung, eine Resolution dieses Hohen Hauses zur Verhinderung von Genozid – nicht nur im Südsudan, aber da ganz besonders.

Ich hoffe, wir bekommen das hin. Das wäre ganz toll. Ich glaube, die Menschen würden sich über ein solches Signal nicht nur freuen, sondern sie würden auch etwas davon haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Christoph Strässer. – Der letzte Redner in dieser sehr intensiven Debatte: Frank Heinrich für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7093215
Wahlperiode 18
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Hungersnot und Völkermord in Südsudan
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