Frank HeinrichCDU/CSU - Hungersnot und Völkermord in Südsudan
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist tatsächlich eine sehr intensive Debatte, genau. – Was kann man denn, nachdem man sich die Daten und Fakten, die wir gehört haben, vergegenwärtigt hat, noch hinzufügen?
Zunächst ein Dank an Sie als Grüne, dass wir als Parlament dieses Thema zu dieser Tageszeit diskutieren können und das Thema nicht nur für uns, sondern auch für die Öffentlichkeit präsent machen. Das Bewusstsein für die verheerende Lage ist mir persönlich tatsächlich noch viel zu gering ausgeprägt. Es ist wichtig, dass die Situation im Südsudan, die wir heute debattieren und von der Sie als Zuschauer ein bisschen schockiert sind, den Menschen draußen klargemacht wird.
Was sollte man noch hinzufügen? Ich werde natürlich ein paar Dinge noch einmal in Erinnerung rufen, die schon von den Kollegen gesagt wurden. Aber wir als Weltgemeinschaft müssen handeln, und wir dürfen uns nicht mit weniger als dem Besten, was wir haben, zufriedengeben.
Im Südsudan droht Völkermord; Herr Strässer hat es zum Schluss seiner Rede gesagt. Auch die UN haben das aufgenommen. Es ist ein schleichender, aber ein voranschreitender Prozess, der möglicherweise dahin führt, was wir in unseren Erinnerungen mit Ruanda verbinden.
Täglich sterben 20 Menschen den Hungertod, viele davon sind Kinder. 1 Million Kinder sind akut unterernährt. Es droht eine verlorene Generation. Und die Krise ist – das haben wir mehrfach gehört – keine neue Krise: seit drei Jahren Bürgerkrieg, 300 000 Tote, Vertreibung eines Drittels der Bevölkerung und Kollaps der Wirtschaft. Die Inflation schießt um 800 Prozent in die Höhe; nicht nur Visa sind also exorbitant teuer. Die Regierung hat kein Geld mehr übrig, zumindest nicht für Humanitäres.
Was machen Menschen, wenn sie kein Geld haben, der Handel nicht funktioniert und sie nicht selber etwas produzieren können? Viele Familien haben alle Wege ausgeschöpft, sich ohne Hilfe von außen am Leben zu erhalten. Wenn Beeren da sind, werden die gesammelt. Sonst aber – das habe ich gelernt – müssen sie auf Zweige, Baumrinden und Wasserlilien zurückgreifen. Humanitäre Hilfe, auch von uns, ist die einzige Hoffnung und Chance.
Natürlich spielt der Klimawandel mit der Dürre in Ostafrika eine Rolle. Wirklich verantwortlich für das Leid der Menschen in den vergangenen Jahren sind aber – das ist hier mehrfach angesprochen worden – die südsudanesischen Machtkämpfer. Auch da stehen wir, was den Geist dessen anbelangt, was ihr Grüne vorschlagt – das sollt ihr wissen –, natürlich voll hinter euch.
Obwohl die Wirtschaft am Boden liegt, scheint es immer noch Möglichkeiten der persönlichen Bereicherung der Eliten zu geben. Der Sentry-Report belegt, dass mit dem Beginn des Krieges 2013 für die Herrscherclique wirtschaftlich fette Jahre begonnen haben. Er listet auf, wo die Mächtigen ihre mondänen Häuser im Ausland haben und wie sie das Land ausplündern. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an die Werbung „Mein Haus, mein Boot, mein Auto“. Der Kampf der kleptokratischen Netzwerke um politische Macht und um den Zugang zu den Ölressourcen hat den Zusammenbruch des Landes herbeigeführt. Die Verantwortung liegt oben, den Preis zahlen die unten. Dem Leid der eigenen Bevölkerung steht – zumindest sieht es so aus – die Elite nicht nur gleichgültig gegenüber, sondern das, was zum Leid führt, wird von der Clique noch angetrieben.
Genau in der Region, wo die UN die Hungersnot ausgerufen haben, führt die südsudanesische Regierung eine Art Vernichtungskrieg gegen ihre eigene Bevölkerung. Sie wird gezielt ausgehungert. Massenvergewaltigungen – das wurde mehrfach genannt – betreffen zwei Drittel bis drei Viertel aller Frauen. Vermehrt ethnisch motivierte Gewalt und Hassrhetorik sind Vorboten genozidärer Gewalt. Davor hat der gerade genannte Adama Dieng schon im November gewarnt.
Natürlich bin ich – auch das ist hier schon zitiert worden – dankbar für das, was unser Land bzw. die Bundesregierung schon tut. Ich denke dabei an die regionale Schutztruppe zur Verstärkung von UNMISS, an die zivile Konfliktprävention und an den von uns unterstützten Ausbau der Friedens- und Sicherheitsarchitektur der Afrikanischen Union. Das alles ist toll. Und dann kommen wir nicht einmal diplomatisch damit durch, dass das Waffenembargo tatsächlich klappt und dass gezielte Sanktionen verhängt werden. Das ist so, weil sich auch Länder, mit denen wir sehr befreundet sind, nicht zu mehr als einer Enthaltung durchringen können.
Wir stoßen an die Grenzen unserer diplomatischen Mittel. Tun wir aber genug? Die Aufforderungen nehmen wir sehr wohl wahr. Wenn wir die humanitäre Hilfe mit dem zusammenrechnen, was das BMZ gibt, kommen wir auf knapp 100 Millionen Euro. Tun wir genug?
Für Frieden, Sicherheit und Stabilität ist der politische Wille der verantwortlichen Akteure vor Ort unerlässlich. Die Machthaber müssen endlich die Krise anerkennen und ihre Verantwortung gegenüber den 13 Millionen Südsudanesen übernehmen. Natürlich müssen sich auch die Afrikanische Union und die Nachbarländer mit ihren Einflussmöglichkeiten – allein wegen ihres Eigeninteresses an Stabilität und Frieden in der Region – stärker in die Pflicht nehmen lassen. Ich appelliere auch an die afrikanischen Nachbarländer, unsere Partner, mehr Druck auf diese Regierung auszuüben, sich zusammenzuschließen, um Frieden zu schaffen.
Gestern Abend gab es eine Konferenz – sie wurde vorhin genannt –, auf der Ministerin von der Leyen und Minister Müller betonten, dass Sicherheit, Frieden und Entwicklung einander bedingen. Deshalb ist es gut, wenn wir mit dem Marshallplan und dem „Compact with Africa“ den Schwerpunkt in der G 20 auf Afrika legen. Aber beide Seiten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden. Wir müssen das diplomatisch, finanziell und moralisch und mit vielem anderen, was in dem Antrag steht, machen. Aber wir müssen den Akteuren des Bürgerkrieges auch sagen: Übernehmt in eurem schönen Land, dem Südsudan, die Verantwortung für eure 13 Millionen Bürger.
Ich danke.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093216 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Hungersnot und Völkermord in Südsudan |