Jürgen CoßeSPD - Bundeswehreinsatz EUTM Somalia
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Krisenprävention ist besser, als einen Konflikt lösen zu müssen, wenn er schon ausgebrochen ist. Aktive Krisenprävention und Friedensförderung sind jede Mühe von uns allen in diesem Haus wert und braucht die breiteste Unterstützung, die wir bekommen können.
Aber was ist, wenn die Krise schon da ist? Wir alle kennen die schockierenden Bilder der Hungernden aus Somalia. Von der Wasserknappheit sind dort zurzeit 6,2 Millionen Menschen betroffen. Das ist über die Hälfte der Bevölkerung.
Mitte März hat das Auswärtige Amt die humanitäre Hilfe für das Horn von Afrika verdoppelt. Es stimmt: Humanitäre Hilfe ist unabdingbar, aber für eine langfristige Stabilisierung müssen wir viel mehr tun. Ja, wir müssen die somalische Regierung in die Lage versetzen, das Land effektiv zu regieren und auch die humanitäre Hilfe zu schützen. Anders gesagt: Ohne Frieden und Sicherheit kann es keine tragfähige Entwicklung in Somalia geben.
Deswegen bildet die EU seit 2010 Soldaten der somalischen Armee in der Mission EUTM Somalia aus. Sie stützt sich auf eine Einladung der somalischen Regierung und auf eine Resolution des Sicherheitsrates. Diese Ausbildungs- und Trainingsmission leistet mit 155 Soldaten einen zahlenmäßig kleinen, aber wichtigen Beitrag zur Stabilisierung Somalias. So konnten bereits mehr als 5 400 somalische Soldaten ausgebildet werden.
Vielen Dank an die elf deutschen Soldaten, die derzeit dort ihren Dienst tun! Sie leisten unter schwierigen Bedingungen sehr, sehr gute Arbeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ja, die Sicherheitslage in Somalia ist zwar immer noch angespannt, hat sich aber verbessert. Auch der politische Prozess macht Hoffnung. Gemessen an den Umständen waren die letzten Monate ein kleiner Erfolg. Nach einem komplizierten Auswahlprozess und der friedlichen Machtübernahme ist Mohamed Abdullahi als Präsident vereidigt worden. Er ist demokratisch legitimiert; er hat vielleicht sogar die höchste demokratische Legitimation, die ein Präsident in Somalia je hatte.
Der neue Präsident kommt aus dem Exil und hat sich bereits 2010 als Premierminister mit seinem Eintreten gegen Korruption einen Namen gemacht. Er sorgte damals dafür, dass die Soldaten regelmäßig ihren Sold erhielten. Lassen Sie uns ihm und seiner Regierung jetzt und auch weiterhin eine Chance geben.
Eine Chance hat die Regierung aber nur, wenn sie über ein gut ausgebildetes Militär verfügt. Dafür vermittelt EUTM Somalia Spezialwissen, hauptsächlich an Offiziere. Der Lehrplan umfasst unter anderem zivil-militärische Zusammenarbeit, humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte. Damit wird ein Grundstein für eine Armee gelegt, die Zivilisten schützen kann.
Zweifellos gibt es bei der Ausbildung einiges zu verbessern. Das tut die EU aber auch. 2016 beschloss die EU, die Ausbildung stärker stammübergreifend auszurichten. Bereits Anfang dieses Jahres hat die Mission die Ausbildung einer stammübergreifenden Infanteriekompanie abgeschlossen. Diese Fortschritte können sich sehen lassen, auch wenn sie klein sind.
Trotzdem macht sich heute keiner meiner Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus die Entscheidung leicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wer gegen den Antrag stimmt, muss eine Frage beantworten: Was ist denn die Alternative? Wenn wir uns nicht in Somalia engagieren, überlassen wir das Land auf jeden Fall den Terroristen von al-Schabab. Das kann niemand in diesem Hause ernsthaft wollen.
Sicherlich: Die Parole „Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“ ist ein gutes Ziel. Es zu erreichen, liegt auch im europäischen Interesse. Aber so weit sind wir noch nicht. Noch gibt es eine geteilte Verantwortung bei der Bewältigung von Krisen und Konflikten auf unserem Nachbarkontinent. Was nicht nationalstaatlich gelöst werden kann, wird auf Ebene der afrikanischen Regionalorganisationen oder der Afrikanischen Union gehoben, und es wird versucht, eine Lösung anzustreben. Erst danach kommen die Vereinten Nationen und die Europäische Union ins Spiel.
Im Bundestag, liebe Kolleginnen und Kollegen, reden wir häufig über Krisen und Konflikte in Afrika, die bislang noch nicht gelöst worden sind. Aber es gibt auch Erfolge. Über diese sollten wir vielleicht öfter reden. Erst Anfang des Jahres gelang es der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, in Gambia einen letztlich friedlichen Machtwechsel durchzusetzen. Auch die Afrikanische Union macht Fortschritte. Für den neuen Generalsekretär der Afrikanischen Union stehen Sicherheit und Frieden ganz oben auf der Agenda. Er hat sich in Somalia ein Bild von der Lage vor Ort gemacht. Auf jeden Fall müssen wir anerkennen, welche Entwicklung die afrikanische Sicherheitsarchitektur bereits genommen hat. Die Afrikanische Union gibt es erst seit 15 Jahren. Ihre Vorgängerin, die Organisation für Afrikanische Einheit, stand noch klar unter dem Prinzip der Nichteinmischung. Interventionen, wie sie die Afrikanische Union heute vornimmt, wären damals undenkbar gewesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir etwas umfassender zurückblicken, sehen wir: Die afrikanische Sicherheitsarchitektur ist auf dem Weg nach vorne, auch wenn es langsam vorangeht. Bis das Ziel „Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“ erreicht ist, wird allerdings noch viel Wasser Nil, Kongo und Niger hinunterfließen. Bis es so weit ist, sollten wir uns nicht verweigern, wenn wir helfen können. Genau deswegen stimmt die SPD diesem Antrag zu.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Coße. – Nächste Rednerin: Sevim Dağdelen für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093219 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EUTM Somalia |