Marcus WeinbergCDU/CSU - Neuregelung des Mutterschutzrechts
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Krellmann, ich habe Sie in den letzten Jahren bei den intensiven Debatten über den Mutterschutz im Familienbereich nicht erlebt. Ich muss sagen: Schade! Es hätte wahrscheinlich viel Spaß gemacht, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Diese Mischung aus Kapitalismuskritik im Allgemeinen und Unwissenheit über einen vorliegenden Gesetzentwurf:
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das – darf ich sagen – hat Ihrer Fraktion nicht gutgetan.
Wie bei allen guten Dingen im Leben gilt: Das Beste dauert – zumindest meistens – neun Monate. Eigentlich heißt es: „Der Weg ist das Ziel“, aber dieses Mal ist es das Ergebnis. Auch dieses Gesetz haben wir intensiv beraten und neun Monate lang diskutiert. – In der Psychoanalyse wird man vielleicht irgendwann feststellen, warum Gesetzesberatungen mit der SPD immer neun Monate dauern.
(Petra Crone [SPD]: Mit Ihnen brauchen wir länger!)
Ob man daraus irgendwelche Rückschlüsse ziehen kann, weiß ich nicht.
Wichtig ist uns, die Bedeutung dieses Themas klarzumachen – Frau Krellmann, ich komme gleich auf Ihre Kritik im Einzelnen zu sprechen –; denn genau diese drei Punkte hatten bei uns in der Diskussion Priorität.
Erstens. Es gibt natürlich kein Wenn und Aber bei den Themen „Gesundheitsschutz für die Schwangere“ und „Gesundheitsschutz für das ungeborene Leben“. Das hat immer oberste Priorität.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])
Der zweite Punkt ist die Selbstbestimmtheit der Frauen. Es gibt Veränderungen in der Arbeitswelt. Auch wir – das gilt also auch für mich – reden gelegentlich mit Frauen. Dabei haben wir mitgenommen, dass viele Frauen gesagt haben: Wir wollen doch die Freiheit haben, zu entscheiden, ob wir möglicherweise bis 22 Uhr arbeiten. In dem Zusammenhang stimmt Ihre Darstellung des bisherigen Gesetzes nämlich nicht. Danach gab es Branchen, die komplett freigestellt waren. Dort mussten die Frauen bis 22 Uhr arbeiten. Jetzt sagen wir: Die Frau muss entscheiden, der Arzt muss es bestätigen. Das ist auch gut so. Danach wird es gemeldet. Wenn dann die dafür zuständige Behörde sieht, dass es möglicherweise Probleme mit dem Arbeitgeber gibt, kann auch ein Verbot ausgesprochen werden. Das ist klug so, weil es die Selbstbestimmtheit der Frau stärkt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es ist auch nicht verwerflich, wenn man in diesem Land sagt: Wir wollen doch gerade, dass Frauen eingestellt werden. Wir wollen, dass Arbeitgeber sagen: Es macht für mich im Vergleich zu anderen Personen keinen Unterschied, eine Frau einzustellen, die möglicherweise schwanger wird und wo es möglicherweise gewisse Einschränkungen durch den Mutterschutz gibt. Deswegen war es uns wichtig, zu sagen: Viele Maßnahmen müssen tatsächlich auch im Hinblick auf die Folgewirkungen für die Wirtschaft abgestimmt werden.
Unternehmer müssen sagen können: Ich finde es toll, wenn bei mir eine Frau arbeitet, die Mutter wird. Das ist für einen kleinen mittelständischen Betrieb gut. Deswegen war es auch eine unserer Aufgaben, uns zu fragen: Wo können wir Bürokratie abbauen? Und wo können wir die Entlastung bzw. Flexibilität so gestalten, dass Unternehmen sagen: Jawohl, das machen wir gerne mit. Der dritte Punkt war also, auch die Interessen der Wirtschaft mit im Auge zu haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das alte Gesetz stammt aus dem Jahr 1952. Auch damals hat man schon zwei Jahre darüber diskutiert. Wir haben hier das letzte Mal, glaube ich, intensiv über den Begriff der Lustbarkeiten diskutiert. Ich will noch einmal daran erinnern und verdeutlichen, in welchem Maße wir uns weiterentwickelt haben und wie dieses Gesetz zwischenzeitlich weiterentwickelt wurde: Damals, in den 50er-Jahren, wurde beispielsweise beim mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutz während der Schwangerschaft eine Ausnahmeregelung eingeführt. Sie bestand darin, dass Tagesmädchen und Haushaltsgehilfinnen nach dem fünften Schwangerschaftsmonat gekündigt werden durfte. Man stelle sich das einmal vor: In der Bundesrepublik Deutschland gab es einmal eine solche Regelung. Damals – so konnte man nachlesen – haben die Ausschussmitglieder darüber beraten, ob denn dem Arbeitgeber eine schwangere Haushaltsgehilfin zuzumuten ist. Ich stelle einmal die These auf: Vielleicht hatte der eine oder andere Arbeitgeber auch Angst, dass das Kind der Haushaltsgehilfin eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm haben könnte. Deswegen konnte man ihr nach dem fünften Schwangerschaftsmonat kündigen. Sie sehen also: Wir sind weitergekommen.
(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was war uns wichtig? Unser Leitgedanke ist, dass wir so viel Mutterschutz wie notwendig haben wollen. Das haben wir – nach den Debatten mit der SPD, unserem Koalitionspartner – am Ende, glaube ich, auch in ein sehr gutes Gesetz gegossen.
Natürlich hat der Staat eine Schutzfunktion für Schwächere. Er hat eine Schutzfunktion für diejenigen, die einen besonderen Schutz brauchen. Und Schwangere sind eine Gruppe, die einen besonderen Schutz benötigt. Es kann aber auch nicht richtig sein, eine Schutzglocke zu schaffen, die die Freiheiten der Frau einschränkt.
Die Ministerin hat das Thema Beschäftigungsverbot angesprochen. Es wäre nicht gut, wenn Frauen, die arbeiten wollen, durch staatliche Regelungen in ein Beschäftigungsverbot gedrängt werden. Das wäre, glaube ich, sowohl für die Schwangeren als auch für die Unternehmen völlig kontraproduktiv.
Kollege Weinberg, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Wunderlich?
Aber natürlich.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Herr Kollege Weinberg, ich würde mich freuen, wenn Sie in dem Kontext auch noch etwas zur Gefährlichkeit oder Gefährdung bei der Arbeit sagen würden. Früher war es ja so: Wenn eine Gefährdung vorlag, war die Arbeit im Rahmen des Schwangerschafts- oder Mutterschutzes untersagt. Inzwischen wird in dem Gesetzentwurf zwischen zumutbarer und unzumutbarer Gefährdung differenziert.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Verantwortbarer“ und „unverantwortbarer“!)
– Oder „verantwortbarer“ und „unverantwortbarer“. – Ab wann ist denn eine Gefährdung für die Schwangere und ihr Kind verantwortbar oder nicht mehr verantwortbar? Gilt das ab 50 Prozent oder ab 70 Prozent Gesundheitsgefährdung? Ab wann ist es nicht mehr verantwortbar?
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Ich bin verzweifelt, dass ich Ihnen das in zwei Minuten erklären muss.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmt etwas mit der Regelung nicht!)
Eigentlich aber steht es im Gesetzentwurf. Vielleicht stellen wir ganz einfach die Frage, was für uns wichtig ist. Wichtig für uns ist, dass es drei Möglichkeiten gibt. Zunächst einmal muss man den Unternehmen auch sagen, dass zur Klarstellung des Gefährdungsbegriffs und der Gefährdungsbeurteilung die Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz jetzt in das Gesetz aufgenommen wird. Anhand der Verordnung hätte man auch schon vor vielen Jahren die abstrakte Gefährdungsbeurteilung überprüfen können.
Danach gibt es doch drei Möglichkeiten. Erstens sollte am Arbeitsplatz sichergestellt werden, dass es keine Einschränkungen für die schwangere Frau gibt. Dann steht die Ampel auf „Grün“. Dann gibt es zweitens die Möglichkeit, zu schauen, ob es unter Umständen Gefährdungen geben kann. Das muss im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung konkretisiert werden. Das heißt, es muss genau gefragt werden, ob eine bestimmte Tätigkeit in einem bestimmten Zusammenhang gefährlich ist oder nicht. Danach wird entschieden, ob es ein Beschäftigungsverbot gibt. Drittens gibt es den Bereich oder die Berufe, wo ganz klar feststeht, dass eine Schwangere dort nicht mehr arbeiten kann. In einem Bereich, wo es um chemische Giftstoffe oder Ähnliches geht, sollte sie sowieso nicht arbeiten. Es geht also um Bereiche, wo mit Stoffen gearbeitet wird, welche die Schwangere gefährden. Das heißt, es wird festgestellt, ob die Ampel auf „Grün“, „Gelb“ oder „Rot“ gestellt ist.
Wenn es darüber hinaus sozusagen individuelle Problemlagen der Frau gibt, dann gibt es selbstverständlich immer noch die Möglichkeit, den Arzt zu konsultieren. Ich glaube, das stärkt noch weiter die Flexibilität der Arbeitnehmerinnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich weise Ihre Unterstellung ganz klar zurück. Wir haben den Gesundheitsschutz als allererste Priorität sichergestellt. Darüber hinaus haben wir die Regelungen aus Achtung vor der Selbstbestimmtheit der Arbeitnehmerin dahin gehend flexibilisiert, darüber zu entscheiden, wann und wie sie arbeitet.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das sieht leider anders aus!)
– Vielen Dank, Herr Wunderlich.
Ich will aber noch auf wichtige Punkte kommen, die die Ministerin schon angesprochen hat. Denn es gibt Regelungen, die bereits vor dem 1. Januar 2018 umgesetzt werden müssen. Wir haben den 1. Januar 2018 deshalb festgelegt, weil Unternehmen wie auch Verwaltungseinheiten darauf angewiesen sind, dass noch Konkretisierungen für die Umsetzung erfolgen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Die wissen nicht, was eine unverantwortbare Gefährdung ist!)
In diesem Zusammenhang ist es unsere Forderung als Parlament an das Ministerium, dass das geleistet wird. Die Unternehmen müssen wissen, was sie zu tun haben. Deswegen ist es richtig, dass wir grundsätzlich das Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2018 festgelegt haben.
Aber für gewisse Gruppen gilt das nicht. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Kind eine Behinderung hat. Die verlängerte Schutzfrist nach der Geburt eines Kindes mit einer Behinderung tritt ebenso wie der Kündigungsschutz nach einer Fehlgeburt sofort in Kraft. Das war uns wichtig; wir wollten, dass das sofort gilt. Das ist, glaube ich, auch für die Betroffenen das richtige Signal.
In dem Zusammenhang gab es in der Diskussion einen Gedanken der Opposition, den ich gerne aufgreifen möchte. Sie fordern die Mutterschutzfristen auch für Frauen, die eine Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche erlitten haben. Auch wir haben uns darüber Gedanken gemacht. Wir haben uns aber dagegen entschieden. Ich spreche das an, weil das ein wichtiger Punkt ist, und ich finde, man sollte auch darstellen, warum man sich dagegen ausspricht.
Wir sind der Auffassung, dass die Frau selbst entscheiden sollte, ob sie ihren Arbeitgeber über eine Fehlgeburt informiert. Mit der von Ihnen vorgeschlagenen Regelung müsste sie das aber tun, weil es sich bei der nachgeburtlichen Mutterschutzfrist um ein absolutes Beschäftigungsverbot handelt. In diesem Fall einer Fehlgeburt ist – ich glaube, das kann man sagen – die Krankschreibung möglicherweise der bessere Weg; so wird wahrscheinlich verfahren. Deswegen werden wir Ihren Vorschlag ablehnen.
Ich kann zusammenfassend feststellen: In neun Monaten entsteht, wie gesagt, viel Gutes. Wir haben jetzt einen guten Gesetzentwurf, finde ich, der Schutzfunktionen auf der einen Seite und Freiheit auf der anderen Seite, aber auch den Schutz der Wirtschaft zusammenbringt. Deswegen war es richtig, dass wir jetzt nach über 60 Jahren endlich das Mutterschutzgesetz reformiert und auf einen vernünftigen Weg gebracht haben. Deswegen bitte ich herzlich um Unterstützung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Beate Müller-Gemmeke für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093249 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Neuregelung des Mutterschutzrechts |