30.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 228 / Tagesordnungspunkt 19

Emmi ZeulnerCDU/CSU - Betäubungsmittelrecht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fangen wir doch einmal mit etwas Positivem an. Die Forderung der Linken nach einer einheitlichen Regelung für die Bundesländer zur Eigenbedarfsmenge bei Cannabis ist nicht verkehrt und sollte diskutiert werden.

(Beifall des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE])

Abstrus finde ich allerdings, wie hoch der legale Eigenbedarf Ihrer Meinung nach sein soll. Man könnte meinen, Sie nehmen den bundesweit niedrigsten Wert als Maßstab. Aber nein, Sie wollen mit 15 Gramm Cannabis den bundesweit höchsten Wert nehmen. Faktisch wollen Sie somit wieder einmal eine völkerrechtswidrige Legalisierung nicht nur beim Eigengebrauch; denn diese Menge reicht für 30 Joints und sichert einem Kleindealer somit wunderbar sein Geschäft. Was Sie wollen, ist die bundesweite Möglichkeit zum Dealen mit staatlichem Segen. Eine solche Zusage bekommen Sie von mir natürlich nicht.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Modellprojekte!)

Herr Tempel, Sie wollen einen Görlitzer Park in ganz Deutschland,

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Gerade nicht! Das ist eine Lüge, eine ganz klare Lüge!)

ein Park, bei dem die rot-rot-grüne Regierung Berlins bereits kapituliert hat. Im „Görli“ sollen dem Konsum und dem Handel freien Lauf gelassen und zusätzlich soll die Polizeipräsenz verringert werden. Meiner Ansicht nach ist das eine weitere Fehlentscheidung der rot-rot-grünen Regierung in Richtung rechtsfreien Raum.

Frau Kollegin Zeulner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tempel?

Ja.

Bitte schön.

Normalerweise wollte ich um diese Uhrzeit keine Zwischenfrage mehr stellen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das wäre auch vernünftig gewesen!)

Aber Sie haben mehrfach ganz klar die Unwahrheit gesagt. Ist Ihnen bekannt – darüber wird seit mehreren Jahren eine Diskussion geführt –, dass wir nicht eine komplette Freigabe wollen, also dass wir nicht wollen, dass der Dealer nun das, was er zuvor illegal verkauft hat, legal verkaufen kann, sondern dass wir eine streng kontrollierte, legale und regulierte Abgabe von Cannabis fordern – genauso wie bei anderen Substanzen –, dass wir nicht wollen, dass die Dealer offiziell und mit staatlichem Segen handeln dürfen, sondern dass wir eine staatliche Kontrolle der Einhaltung der Regelungen zum Jugendschutz und zum Verbraucherschutz fordern und bestimmte Projekte fördern wollen?

Nicht umsonst habe ich übrigens von mehreren Parteien befürwortete Modellprojekte angesprochen. Den Verantwortlichen mehrerer Städte – Bremen, Münster, Frankfurt am Main, Berlin usw. – müssten sie genau das Gleiche wie mir jetzt hier unterstellen: dass sie das Tun der Dealer legalisieren wollen. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es bereits eine ganze Reihe von anderen Vorschlägen gibt, wie man sehr vorsichtig kontrolliert, dass man genau diesem Schwarzmarkt etwas entgegensetzen und ihn eben nicht legalisieren will?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Da scheint die Kollegin Ihren wunden Punkt getroffen zu haben, Herr Kollege!)

Zur Kenntnis nehme ich das selbstverständlich. Ich würde Ihnen aber empfehlen, Ihr Parteiprogramm zu lesen; denn da fordern Sie etwas ganz anderes.

(Zuruf der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Ja, über die Anträge. Aber Fakt ist doch, was dahintersteht.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Den Abschnitt habe ich geschrieben! Den kenne ich schon!)

Bitte, lesen Sie das Parteiprogramm der Linken.

Herr Tempel, keine Zwiegespräche.

Am Ende des Tages stellt sich die Frage: Wie wollen Sie kontrollieren, wenn Sie 15 Gramm Cannabis zur Verfügung stellen, ob da etwas weitergegeben wird oder nicht? Das können Sie gar nicht kontrollieren. Deswegen bleibt meine Aussage so bestehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber die Kapitulation auf das, was im Görlitzer Park passiert, kann natürlich nicht die richtige Antwort, kann kein Ausdruck einer verantwortungsvollen Drogenpolitik sein.

Wir als Politiker – ich bin Gesundheitspolitikerin; Sie sind Polizist von Beruf, ich bin gelernte Krankenschwester – haben einen Schutzauftrag, den man nicht einfach wegwischen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mir ist es wichtig, zu sagen, dass wir in Deutschland ein in höchstem Maß differenziertes Strafverfolgungssystem bei Cannabisdelikten haben. Wir verfolgen eben nicht pauschal, wie Sie es immer wieder hervorbringen; denn es wird in jedem Abschnitt des Verfahrens – in jedem Abschnitt! – eine Einzelfallentscheidung getroffen, und die Möglichkeit zur Einstellung ist gegeben. Bereits die Staatsanwaltschaft kann das Ermittlungsverfahren nach dem Betäubungsmittelgesetz einstellen. Hier spielen die Schwere der Tat, die individuelle Schuld und gerade auch der Eigenbedarf eine Rolle.

Auch im Hauptverfahren ist eine Einstellung nach der Strafprozessordnung und dem Jugendgerichtsgesetz noch möglich. Selbst bei der Vollstreckung  – das wissen Sie ganz genau – ist eine Zurückstellung der Strafe nach dem Betäubungsmittelgesetz möglich, wenn sich der Betroffene beispielsweise einer Therapie unterzieht. Gerade bei Umsetzung Ihrer Forderung, dass die Strafverfolgung eingestellt werden muss – Sie haben ein „muss“ in Ihrem Antrag –, verhindern Sie die so wichtige Einzelfallbetrachtung, die unser Strafsystem so wertvoll macht.

Deswegen sind wir auch in dieser Legislatur deutlich differenzierte Wege gegangen. Auf der einen Seite wollen wir Cannabis als Medizin. Wir haben die rechtliche Grundlage dafür geschaffen. Das war uns zum Beispiel im Hinblick auf Schmerzpatienten ein ganz wichtiges Anliegen. Aber auf der anderen Seite wollen wir uns ganz klar gegenüber dem Freizeitgebrauch abgrenzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch mir ist es ein Anliegen, zu sagen: Bitte hören Sie endlich auf, Cannabis zu verharmlosen.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das macht niemand!)

– Doch. – Cannabis ist eben keine harmlose Freizeitdroge.

(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt! Da hätten Sie zuhören müssen! Nicht einfach vorlesen! Zuhören!)

– Selbstverständlich habe ich zugehört.

In vielen Fällen dient es als Einstiegsdroge, und das bestreiten Sie immer wieder.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist wissenschaftlich widerlegt!)

– Hören Sie einmal zu! – Ich denke an all die Fälle von Jugendlichen, die in einer Abhängigkeit sind. Ich persönlich habe in Suchtkliniken Gespräche geführt, und in jedem einzelnen Gespräch mit den jungen Leuten war immer ganz klar die Aussage: Der erste Kontakt mit Suchtmitteln kam über Cannabis zustande. Dann haben die Jugendlichen gesagt, sie hätten Interesse an mehr gehabt. Sie wollten schauen, wie sie Erfahrungen in einem breiteren Spektrum sammeln konnten. Deswegen ist Cannabis für mich ganz klar eine Einstiegsdroge. Cannabis kann auch schwere Psychosen, Schizophrenien auslösen, vor allem bei den Jugendlichen; das wissen Sie ganz genau. Es führt zu Konzentrationsstörungen usw. Aufklärung darüber ist deswegen ein wichtiger Teil der Prävention. Bei mir steht im Mittelpunkt, darauf hinzuweisen, welche Gefahren vom Cannabiskonsum ausgehen.

Ich habe zum Beispiel in einer Fachambulanz für junge Suchtkranke in München nachgefragt. Da ist es so, dass fast 60 Prozent der Patienten die Hauptdiagnose Cannabisstörung haben. Es muss uns doch einfach zu denken geben, dass da wirklich etwas im Argen liegt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Trotz Verbot! Das Verbot hat überhaupt nichts geholfen! Gar nichts!)

Sie wissen, dass der THC-Gehalt bei Cannabis in den letzten Jahren um das Dreifache gestiegen ist.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Weil es auf dem Schwarzmarkt keine Kontrolle gibt! Ja!)

Herr Kollege Tempel, jetzt hat wirklich Frau Zeulner das Wort.

Eine Legalisierung ist deswegen für mich ganz klar nicht der richtige Weg.

Zum Beispiel Colorado – Herr Tempel, Sie haben Portugal zitiert –: Hier ist mit der Legalisierung von Cannabis für Erwachsene der Konsum bei den Jugendlichen um 71 Prozent höher als in Staaten, in denen es keine Legalisierung gibt. Das zeigt deutlich, dass die Begrenzung der Legalisierung auf Erwachsene gerade keinen ausreichenden Jugendschutz bietet. Das ist aber das, worauf wir uns konzentrieren wollen.

Was Sie mit dem Antrag machen, ist reine Klientelpolitik, aber keine Politik, die dem Schutz der Gesundheit dient. Ich möchte das nicht. Ich möchte, dass unsere Parks, auch der Görlitzer Park, den Familien gehören und dass die Familien nicht aus den Parks verdrängt werden. Unsere Prioritäten müssen ganz woanders liegen. Wir müssen Lösungen schaffen, wie wir junge Leute davon abhalten, überhaupt zum Joint zu greifen, wie wir diejenigen stärken, die Nein zu Drogen sagen, wie wir die Eltern, Erzieher und Lehrer in ihrer Schutzaufgabe stärken und ihnen Hilfestellungen geben, wie wir denjenigen, die bereits in einer Abhängigkeit sind, helfen, aus dieser Abhängigkeit wieder herauszufinden. Das sind die Prioritäten, die ich persönlich als Gesundheitspolitikerin setze, und da haben wir genug Arbeit vor uns.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Dr. Harald Terpe.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7093286
Wahlperiode 18
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Betäubungsmittelrecht
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