30.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 228 / Tagesordnungspunkt 19

Harald TerpeDIE GRÜNEN - Betäubungsmittelrecht

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste im Bundestag! Wir haben jetzt eine ganze Menge darüber gehört, wie die Motivation für die Haltung ist, die meine Kollegin Emmi Zeulner eben vorgetragen hat. Glaube mir bitte, liebe Emmi: Mich treibt das Gleiche um. Alles, was du an Problemen geschildert hast, ist aber genau unter den Bedingungen der Prohibition entstanden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Alle Negativfolgen – das ist völlig richtig – sind in der jetzigen Welt entstanden.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist aber eine kühne Behauptung!)

Ich will als Arzt etwas dagegen unternehmen, nämlich die Prävention stärken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das geht nur, wenn man die Prävention auch zulässt, in die Legalität holt

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Prävention durch Rausch! Das ist ein interessanter Ansatz!)

und die Konsumenten nicht kriminalisiert; sonst kommen sie nicht in die Legalität.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Also: Wer weiterhin behauptet, dass das Drogenverbot eine generalpräventive Wirkung hat, ignoriert diese Realität,

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

in der das Betäubungsmittelgesetz selbst Teil des Problems ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

An der Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit des geltenden Betäubungsmittelrechts bestehen erhebliche Zweifel, auch weil die Studien beispielsweise nicht sagen, dass Cannabis eine gesicherte Einstiegsdroge ist, weil Studien sagen, dass Entkriminalisierung die Bedingungen für die Prävention verbessert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Drogenverbot basiert auf keinerlei wissenschaftlichen Risikobewertung der einzelnen Substanzen, erschwert vielmehr Prävention mit Blick auf Drogen, die bei uns illegal sind. Es ist unverhältnismäßig und schadet mehr, als es nützt; das haben wir eigentlich schon gehört.

Deswegen ist es so wichtig, das Betäubungsmittelgesetz zu evaluieren. Gegen Evaluation und wissenschaftliche Bewertung kann nun wirklich keiner in diesem Hause etwas haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wissen doch alle, dass die Hälfte aller Strafrechtsprofessoren dahintersteht, dass es unterstützt wird von der Neuen Richtervereinigung, von der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin, von Experten aus der Suchthilfe, von Sozialarbeitern, Konsumentenverbänden, aus der Erziehungswissenschaft und der Präventionsforschung.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Konsumentenverbände!)

Es gibt also viele Unterstützer für den Gedanken, das Gesetz zu evaluieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich kann es nicht nachvollziehen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Union – das gilt möglicherweise auch für einen Teil der Kollegen der SPD –, wenn Sie sich vor dem Hintergrund dieser wissenschaftlichen Expertise gegen eine Evaluation stellen und unseren Antrag heute ablehnen.

(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Darum geht es in dem Antrag nicht! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Im Antrag steht kein Wort von Evaluation! Da steht nur was von Legalisierung! – Gegenruf des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]: Es sind zwei Anträge!)

– Wir reden heute über zwei Anträge. Ich habe jetzt über den Antrag gesprochen, den wir gemeinsam mit den Linken eingebracht haben und in dem es darum geht, eine Evaluation durchzuführen. Diesem Anliegen verweigern Sie sich.

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss schon wissen, worüber man abstimmt! – Gegenruf der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Selbstverständlich!)

Eine unabhängige Evaluation des Betäubungsmittelgesetzes ist längst überfällig und dringend notwendig. Wir brauchen in Deutschland eine ideologiefreie, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Drogenpolitik, eine Drogenpolitik der Fakten und nicht des Bauchgefühls – das muss ich einmal sagen –,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

eine akzeptierende Drogenpolitik, die Drogen nicht verteufelt, sondern sachlich über Risiken aufklärt, eine Drogenpolitik, die einen zuverlässigen Jugendschutz etabliert, eine Drogenpolitik, die die Drogenkonsumenten nicht unter Generalverdacht stellt, sondern Maßnahmen bereitstellt, um die Schäden durch riskanten Drogenkonsum zu reduzieren,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

eine Drogenpolitik, die nicht länger auf die Diskriminierung und Ausgrenzung setzt, sondern Drogenabhängige mit ihren Problemen ernst nimmt. Der Mensch muss da im Mittelpunkt stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Deswegen frage ich Sie noch einmal: Was also spricht gegen eine unabhängige Evaluation des Betäubungsmittelrechts?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Der nächste Redner ist Burkhard Blienert, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7093287
Wahlperiode 18
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Betäubungsmittelrecht
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