Burkhard BlienertSPD - Betäubungsmittelrecht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen Terpe und Tempel, Sie wissen ganz genau: Wir werden den Anträgen auch heute nicht zustimmen. Das ist so, wenn man in einer Koalition sitzt und vertragstreu ist.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen sich nicht entschuldigen!)
Deshalb wird es von uns auch in keinem Fall eine andere Entscheidung geben.
Ich möchte aber deutlich machen, auf welchem Weg ich mich in den letzten drei Jahren befunden habe, mit welchen Fragen ich mich auseinandergesetzt habe und zu welchem Ergebnis ich persönlich an dieser Stelle komme und wofür ich auch werbe. Man muss sich die Frage stellen, warum Handlungsoptionen im Bereich der Cannabispolitik notwendig sind.
Sie sind notwendig, weil wir wissen, dass trotz des Verbotes Millionen von Menschen in Deutschland Cannabis konsumieren, weil darunter leider auch viele Jugendliche sind, weil Cannabis dann entweder verbotenerweise angebaut wird oder die Menschen es sich in Deutschland auf dem Schwarzmarkt besorgen. Diese Menschen sind keine Kriminellen. In der Regel stehen sie fest im Leben. Sie erfüllen ihre Aufgabe, sie belästigen niemanden, sie bedrängen niemanden und sind auch sonst nicht gewalttätig. Kiffer sind halt nicht die langhaarigen Ökos, die mit verfilzter Mähne ungewaschen auf der Couch liegen und sich nicht mehr bewegen können, so der Schauspieler Moritz Bleibtreu, der vor wenigen Tagen in der Sonntagsausgabe der Zeitung mit den vier großen Buchstaben dazu Stellung bezogen hat.
(Zuruf von der SPD: Gut gelaunt! – Zuruf von der CDU/CSU: Die Welt? )
Warum müssen wir etwas tun? Wir müssen etwas tun, weil wir es aus meiner Sicht als Gesellschaft leider zulassen, dass all diese Menschen gedrängt werden, etwas Illegales zu tun, weil sie sich halb im kriminellen Milieu bewegen,
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
weil wir es leider zulassen, dass Milliarden an Schwarzgeld in diesem Bereich generiert werden,
(Ulli Nissen [SPD]: Genau, steuerfrei!)
weil allzu deutlich wird, dass wir gesellschaftlich heute viel weiter sind im Umgang mit Drogen und mit Suchterkrankungen, und weil ich weiß, dass diese Gesellschaft stark und selbstbewusst genug ist und leider Gottes die Menschen allein lässt, die aber entscheiden könnten, ob sie kiffen wollen oder nicht.
Moritz Bleibtreu sagt wie viele Menschen in Deutschland auch – ich zitiere noch einmal –:
Ich halte eine Liberalisierung der Cannabispolitik definitiv für den gesünderen Weg, mit der Droge umzugehen.
Ich begrüße daher persönlich alle Diskussionen, die in den einzelnen Bundesländern, in den Städten und Kommunen über Cannabismodellprojekte geführt werden. Dort nämlich tauchen die Probleme auf, die es durch den Konsum von Rausch- und Suchtmitteln gibt. Natürlich haben diese Probleme auch mit Verstoß gegen Recht und Ordnung zu tun, weil es nicht in Ordnung ist, was heute auf deutschen Schulhöfen und in den dunklen Ecken der Städte passiert. Daher ist es mir wichtig, auch die Grenzen zu benennen, in denen wir über einen sachgerechten Umgang mit Drogen reden. Deshalb möchte ich über den Umgang reden und nicht über die Freigabe.
Sie wollen in Ihrem Antrag auch den Eigenanbau ermöglichen. Hiervon kann ich nur abraten, weil Sie mit einem solchen Schritt genau das Teilziel der Prävention konterkarieren. Denn wer sagt dem Konsumenten, wie hoch der THC-Gehalt seiner Pflanze ist? Wer sagt dem Konsumenten, wie hoch der Schadstoffgehalt seiner Pflanze ist? Die Gesundheitsgefahren, die wir mit einer regulierten Abgabe zu minimieren versuchen, würden hierdurch wieder erhöht werden.
Drogen am Steuer: Auch hier teile ich, dass Verbesserungen nötig sind, ganz klar. Es darf nicht sein, dass das bloße Mitführen von geringen Mengen einer berauschenden Substanz wie zum Beispiel Cannabis zum Verlust der Fahrerlaubnis führt, Alkohol am Steuer aber mit einem Grenzwert versehen ist. Trotzdem sehe ich die Ausweitung auf alle Suchtstoffe in Ihrem Antrag als eher problematisch an. Das wirft noch weitere nicht zu lösende juristische und ordnungspolitische Fragen auf.
Wie gehen wir mit beiden Anträgen um? Wir werden sie heute ablehnen. Wir wissen aber ganz genau: Anträge brauchen gesellschaftliche Mehrheiten. Diese notwendigen Mehrheiten führt man aber nicht herbei, indem man permanent die gleichen Anträge vorlegt und wir uns permanent über das Gleiche unterhalten. Ich plädiere eher dafür, diese Aufbruchsstimmung, die wir in den Städten und in den Kommunen haben, zu nutzen und auf Bundesebene in der nächsten Legislaturperiode die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit diese Modellprojekte auf den Weg gebracht werden können. Wir sollten gleichzeitig den Austausch mit den Bundesländern suchen, um neue Wege in der Drogenpolitik zu gehen. Ich denke, dass wir einen Punkt hier ganz klar benennen müssen: Es ist nicht nur der Bund, der hier liefern kann. Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass die Bundesländer ihrerseits ihren Einfluss über die Länderkammer geltend machen können.
Sie haben in den letzten Jahren feststellen können, dass die Große Koalition einige wichtige drogenpolitische Entscheidungen getroffen hat; meine Kollegin Emmi Zeulner hat diese eben benannt. Wir haben in diesem Bereich viel getan. Was wir vereinbart haben: Cannabis als Medizin, Regelungen zu neuen psychoaktiven Substanzen, oder die Verordnung zur Substitutionstherapie haben wir auf den Weg gebracht. Drogenpolitik eignet sich aus meiner Sicht nicht einseitig für Wahlkampfzwecke.
(Zuruf von der LINKEN: Wir machen das nicht nur im Wahlkampf!)
Vielmehr müssen wir ernsthaft und vernünftig über die Folgen des missbräuchlichen Umgangs mit Drogen reden. Ich denke, ich bin an dieser Stelle recht unverdächtig, dass ich mich neuen Ansätzen wie beispielsweise Modellprojekten versperre; denn in vielen Gesprächen, die wir teilweise gemeinsam im In- und Ausland geführt haben, hat sich bei mir die Einschätzung verfestigt, dass ein Umdenken in dieser Frage sinnvoll und notwendig wäre.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE])
Ich bin zuversichtlich, dass wir das in der nächsten Legislaturperiode schaffen werden. Ich möchte zum Schluss noch Gustav Radbruch zitieren, der in der Weimarer Republik Rechtspolitiker der Sozialdemokratie war. Er sagte:
In der deutschen Politik geschieht das Vernünftige, nicht weil es vernünftig ist, sondern erst, wenn gar nichts anderes mehr übrig bleibt, als das Vernünftige zu tun.
In diesem Sinne: Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE])
Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Tino Sorge, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Er hat nicht gesehen, dass es zwei Anträge sind!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093290 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Betäubungsmittelrecht |