Tino SorgeCDU/CSU - Betäubungsmittelrecht
Doch, das hat er sehr wohl gesehen, Herr Kollege Tempel. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren ja heute zu später Stunde ein altbekanntes Thema, nämlich die Frage: Wollen wir den Konsum illegaler Substanzen entkriminalisieren? Ich kann ja durchaus nachvollziehen, dass die Linke und einige andere, auch die Grünen, meinen, dass man mit einer Entkriminalisierung, dass man mit einer Legalisierung die Zahl der Drogensüchtigen senken kann, weniger Drogenkriminalität generiert und es für alle besser wird. Die Frage ist eben nur, ob wir uns Experimente erlauben wollen oder ob wir sagen: Wir machen das mit Vorsicht und Augenmaß. – Oftmals trügt eben der schöne Schein. Lassen Sie mich deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch auf ein paar Fakten hinweisen.
Die Zahl ist hier nur am Rande angesprochen worden: 200 Millionen Menschen weltweit nehmen illegale Drogen. Dazu gehören Cannabis, Kokain, Heroin. In Deutschland gibt es 600 000 Menschen, deren Konsum von Cannabis und anderen illegalen Drogen als problematisch gilt. Gerade die Anzahl, die Art und die Verfügbarkeit sogenannter neuer psychoaktiver Stoffe auf dem europäischen Markt nimmt ja stetig zu. Aktuell werden fast 600 neue psychoaktive Substanzen beobachtet. Allein 2015 wurden davon 98 Substanzen erstmals gemeldet.
Vor allem synthetische Cannabinoide und synthetische Cathinone als Substitute für Cannabis sind auf dem Markt, obwohl wir alle wissen, dass diese hochgradig giftig und gefährlich sind. Sie tun hier so, als sei das alles kein Problem und als müssten wir diesen Bereich weiter legalisieren und entkriminalisieren, um dem Problem Herr zu werden.
Schauen Sie sich die Zahlen an. Im Februar 2016 gab es eine EU-weite Warnung bezüglich des Cannabinoids MDMB-CHMICA, das in Europa seit 2014 13 Todesfälle verursacht hat. 23 nichttödliche Vergiftungen sind damit in Verbindung gebracht worden. Ich könnte Ihnen noch eine Menge anderer Beispiele nennen, die belegen, dass es nicht einfach entspannend läuft und keine Gefahren zu verzeichnen sind.
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das bräuchte keiner, wenn Cannabis legal wäre!)
Deshalb sagen wir: Hier geht es nicht um Entwarnung, hier geht es um Entkriminalisierung, hier geht es einfach darum, dass wir mit Augenmaß darauf achten, dass keine Bereiche legalisiert werden, bei denen wir zum Schluss nicht mehr wissen, was passiert.
(Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre wissenschaftliche Evaluation! – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist Nichtstun auch Augenmaß?)
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir als Regierungskoalition haben deshalb darauf reagiert. Wir haben im November 2016 das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz verabschiedet. Hintergrund war, dass wir damit effektiver gegen Händler vorgehen wollen. Harmlos wirkende Produkte enthalten meist Betäubungsmittel in unterschiedlicher Konzentration. Für jugendliche Konsumenten ist nicht erkennbar, was dort letztendlich drin ist.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)
Die verführen die Konsumenten zum Rauchen, zum Schniefen, zum Schnupfen zu Rauschzwecken. Sie sagen: Das alles ist kein Problem. Wir müssen das legalisieren. – Wir haben einen anderen Ansatz. Wir wollen nicht legalisieren, wir wollen auch nicht bagatellisieren, sondern wir wollen sensibilisieren, wir wollen aufklären, und wir wollen Leid vermeiden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Kollegin Emmi Zeulner hat schon darauf hingewiesen, dass das keine harmlosen Einstiegsdrogen sind.
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das habe ich auch nicht gesagt!)
Es beginnt mit dem ersten Versuch, der passenden Clique, dem passenden Verhalten – das erscheint dann normal, es wird verharmlost, es wird gesagt: Es spielt keine Rolle, ob wir Cannabis, Heroin oder Amphetamin nehmen. Das sind synthetische Suchtstoffe. Deswegen verbietet sich in diesem Bereich jedes Verharmlosen.
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das macht niemand!)
– Genau das machen Sie, Herr Kollege Tempel.
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Nein, eben nicht!)
Sie stellen sich hierher und sagen: Ich war einmal Polizist. Ich weiß, wie schlimm es auf der Straße ist, wenn die Konsumenten kriminalisiert werden, weil sie keine Drogen bekommen. – Das ist genau der falsche Weg. Wir müssen den Menschen helfen, wir müssen Therapien anbieten, wir müssen über Drogengefahren aufklären. Wir können doch nicht sagen: Weil wir das auf dem Schwarzmarkt nicht in den Griff bekommen, legalisieren wir den Bereich einfach. Das ist der völlig falsche Weg, Herr Kollege.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege Sorge, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tempel?
Ja, natürlich.
Bitte schön.
Der Kollege Blienert hat vorgeführt, wie man trotz unterschiedlicher Position ohne Lügen auskommt. Ich weise Sie noch einmal darauf hin, dass ich bei keiner einzigen Veranstaltung die Gefährlichkeit von Cannabis infrage gestellt habe. Ihre permanente Behauptung lautet, hier würde irgendetwas verharmlost. Mehrfach habe ich darauf hingewiesen, dass große Risiken da sind. All das, was Ihre Kollegin Zeulner aus der Suchtklinik erzählt hat, all das, was auch Sie an synthetischen Substanzen von Produkten, die Cannabis ersetzen sollen, erzählt haben, sind Rahmenbedingungen, die durch Ihre Prohibition entstanden sind. Wer bräuchte denn synthetische Cannaboide, wenn Cannabis legal wäre und man auf eine natürliche, rohstoffbasierte Substanz zurückgreifen könnte?
(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Cannabis für Minderjährige wird nie legal!)
Sie unterstellen hier permanent, dass wir das gut finden, was erst durch Ihre Prohibition entstanden ist.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben mehrfach Angebote gemacht, auch auf den Wirkstoffgehalt von THC bezogen, dass gerade legale Modelle die Möglichkeit wären, diesen Wirkstoffgehalt unter Kontrolle zu bringen.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] und Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich diskutiere gerne mit dem Kollegen Blienert, ob der Eigenanbau die richtige Variante ist oder nicht. Aber wir machen genau dazu Vorschläge, übrigens mit der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, mit dem Bund Deutscher Kriminalbeamter, mit vielen anderen Bereichen. Der Kollege von den Grünen hat das aufgezählt. Sie sind in der Gesellschaft fast isoliert, sich bei dieser Thematik in der Drogenpolitik einem anderen Weg zuzuwenden.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist nicht wahr! – Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Die Mehrheit ist gegen eine Legalisierung! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie wollen mehr Sucht!)
Sie arbeiten permanent mit Unterstellungen, dass wir Drogen verharmlosen würden. Nein, wir wollen Schadensminimierung. Wir wollen weniger Suchterkrankungen, wir wollen weniger Begleiterkrankungen, und wir wollen vor allen Dingen weniger Todesfälle. Wenn Sie hier permanent etwas anderes ohne jeglichen Beleg unterstellen, dann bitte ich Sie, sich für solche Lügen zu entschuldigen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als Erstes, Herr Kollege Tempel, ist es absolut unterirdisch, wenn Sie jemandem mit einer anderen Meinung immer Lügen unterstellen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Max Straubinger [CDU/CSU]: Genau! – Frank Tempel [DIE LINKE]: Sie haben mir Lügen unterstellt!)
Das ist eine Art der Argumentation, die Sie gerne mit Ihren Kollegen machen können, aber dieses Niveau ist einfach nur unterirdisch.
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Aber Sie sind doch ein Lügner!)
Sie sagen immer, Sie würden auf Gefahren hinweisen und würden nicht für eine Bagatellisierung sein. Genau das Gegenteil ist der Fall:
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Eben nicht! Das können Sie mir nicht unterstellen!)
Sie sagen immer, es gebe gar keine Probleme.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer sagt das denn?)
Es gab letztens eine Studie der Techniker Krankenkasse und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters. Gerade im rot-grün regierten Niedersachsen fangen die jüngsten Kiffer mit 14 Jahren an;
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Trotz Ihrer Politik!)
frühester Einstieg in die Drogenkarriere. Sie sagen, sie werden alle in die Illegalität gedrängt,
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Niedersachsen zu tun?)
weil sie keinen guten Stoff bekommen, und dadurch, dass sie Stoff kaufen, werden sie kriminalisiert, und deshalb muss man es legalisieren.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten ordentlich zuhören!)
Da sage ich Ihnen auch ganz offen: Sie sollten die Studien lesen und zur Kenntnis nehmen,
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Thomasius!)
was beispielsweise der Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters, Herr Thomasius, gesagt hat. Sehen Sie, Sie kennen ihn.
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Ihr einziger Experte!)
Er sagte nicht nur, dass aufgrund des intensiven Cannabisgebrauchs Hirnschäden und Schizophrenie auftreten können – das ist bereits ausgeführt worden –, sondern auch, dass im Grunde besorgniserregende Zustände herrschen. Da können Sie doch nicht das Ursache-Wirkungs-Prinzip umkehren und sagen: Wir müssen alles legalisieren, dann wird alles besser. – Das ist der völlig falsche Weg, Herr Kollege.
(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist alles gut, oder wie?)
Ich will auf einen anderen Aspekt in der Diskussion und auch in einem Ihrer Anträge hinweisen. Sie haben gesagt, wir müssten auch darauf achten, dass wir im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit im Straßenverkehr nicht zu einer Kriminalisierung derjenigen kommen, die Drogen konsumieren. Ich will nur auf die Zahlen hinweisen: Laut Weltverkehrsforum werden 14 bis 17 Prozent aller Autounfälle mit Toten und Verletzten unter dem Einfluss von Drogen,
(Zuruf von der LINKEN: Wie viele mit Alkohol? – Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Was ist dann Bier? Oktoberfest!)
von Cannabis und Benzodiazepinen, verursacht. Meine Frage ist dann: Wollen Sie tatsächlich beispielsweise den Eltern dieser Verkehrsopfer erklären, es sei richtig gewesen, es sei gut gewesen, dass ein Mensch, der unter Drogen stand, fahren durfte?
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Sie lügen schon wieder! Ich habe gesagt: wer kein Fahrzeug führt! Lügner! – Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht im Gesetz nicht drin! – Gegenruf der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU]: Steht doch drin!)
– Schauen Sie in Ihren Antrag! In Ihrem Antrag steht, dass er erst bei einem Drogengebrauch in riskanten Situationen
(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Oktoberfest!)
oder nach einer wiederholten Drogenfahrt kriminalisiert werden soll, und das ist der völlig falsche Weg.
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist gelogen!)
– Hören Sie auf, Herr Tempel, die Leute hier immer der Lüge zu bezichtigen. Sie sitzen da, Sie behaupten Dinge, die durch nichts unterlegt sind,
(Heike Baehrens [SPD]: Machen Sie doch gerade auch!)
Sie stellen sich als Polizist hierhin.
(Ulli Nissen [SPD]: „Sie stellen sich als Polizist hierhin“ – was soll das denn?)
Ich sage Ihnen einfach mal:
(Frank Schwabe [SPD]: Seien Sie ein bisschen netter!)
Die Leute, die ich kenne und Polizisten sind und das hören, was Sie reden, sind einfach nur peinlich berührt.
(Ulli Nissen [SPD]: Ich kenne genügend Polizisten! Die sind auf meiner Seite!)
Sie sagen: Wenn Leute wie Sie auf Streife wären, dann wäre das einfach unterirdisch.
(Zurufe von der SPD und der LINKEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott, ist das von Unkenntnis getragen, was Sie da von sich geben!)
Jetzt lassen Sie bitte den Kollegen Sorge reden.
Wenn Sie von Drogenkonsum und Einstiegswegen reden, dann klingt das immer sehr abstrakt. Ich will es mal an einem Beispiel festmachen. Ich komme aus dem Bundesland Sachsen-Anhalt. Da ist es tatsächlich so, dass mittlerweile – wie in vielen anderen Bundesländern auch – Cannabis und seine Variationen die unangefochtene Nummer eins sind und bei über 70 Prozent aller Drogendelikte eine Rolle spielen, insbesondere auf Schulhöfen und an Schulen. Man sieht daran, dass eine gewisse Affinität gerade der jungen Menschen dazu besteht, dass es da einen enormen Anstieg gibt. Dafür ist natürlich die schleichende gesellschaftliche Verharmlosung von Cannabis ein zentraler Grund; sie führt letztendlich zu solchen Zahlen.
Meine Damen und Herren, ich will mich damit nicht zufriedengeben. Wir, die Unionsfraktion, kämpfen dafür, dass der Drogeneinstieg erschwert wird,
(Ulli Nissen [SPD]: Bei Alkohol genauso?)
dass Drogensucht klar als Krankheit benannt wird. Wir wollen Prävention mit allen Mitteln, wir wollen die Heilung unterstützen, aber wir wollen auch die Auswirkungen der Drogensucht nicht arglos hinnehmen. Sie wollen Bagatellisierung, Sie wollen Legalisierung,
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093294 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Betäubungsmittelrecht |