30.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 228 / Tagesordnungspunkt 29

Rita Schwarzelühr-Sutter - Änderung des Atomgesetzes

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherheit von Atomkraftwerken im In- und Ausland – was sind die notwendigen Maßnahmen? Auf diese Frage haben wir nach Fukushima national eine eindeutige Antwort gegeben, die das Bundesverfassungsgericht in allen wesentlichen Teilen bestätigt hat. Deshalb werden wir den Ausstieg aus der Atomenergie fortsetzen und vollenden. Daneben treffen wir mit dem Gesetz, über dessen Entwurf wir heute abschließend beraten, die notwendigen Maßnahmen zur lückenlosen Umsetzung des geltenden Europarechts im Hinblick auf die zurzeit noch betriebenen Anlagen in Deutschland.

Mit dem Gesetz gehen wir aber auch einen Schritt weiter, indem wir den Topical-Peer-Review-Mechanismus der EU-Richtlinie über nukleare Sicherheit im deutschen Recht verankern. Über diesen Mechanismus wird auf EU-Ebene in den nächsten sechs Jahren eine Untersuchung zu Fragen des Alterungsmanagements von Atomkraftwerken durchgeführt. Wir wirken für die Restlaufzeit der Atomkraftwerke in Deutschland entschlossen darauf hin, diese mit höchstmöglicher Sicherheit zu betreiben. Aber – und das ist besonders wichtig – das Fachwissen muss auch für die Phase der Stilllegung erhalten bleiben.

Darüber hinaus müssen wir aus gutem Grund die Entwicklungen in unseren Nachbarstaaten und auf internationaler Ebene kritisch begleiten. Zwar liegt die Entscheidung für oder gegen die Nutzung der Atomkraft bei jedem einzelnen Staat; es muss aber in unserem gemeinsamen Interesse liegen, dass diese Nutzung unter Beachtung des internationalen Wissenstandes in der Kerntechnik erfolgt. Dies gilt insbesondere für die grenznahen Atomkraftwerke in unseren Nachbarstaaten. Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten völlig zu Recht, dass wir, gestützt auf unsere Expertise und unsere Sachverständigenorganisationen, Fragen zu den technischen Bewertungen stellen.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Hier haben wir im Vergleich zu anderen Staaten, die der Atomenergienutzung kritisch gegenüberstehen, den Vorteil, dass wir über großes Know-how verfügen und dass wir das auch erhalten wollen.

Dieses Fachwissen nutzen wir heute und werden es auch in Zukunft nutzen, um andere Staaten davon zu überzeugen, dass mit der Kernenergienutzung inakzeptable Risiken verbunden sind.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da merkt man aber nichts von! Wo denn? Wie denn?)

Wir müssen das Fachwissen auch nutzen, um in den technischen Diskussionen, Herr Krischer, zu überzeugen und einen Betrieb auf höchstem technischem Niveau zu erreichen, wenn wir ihn schon nicht verhindern können.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie irgendetwas machen würden!)

Wie die Fälle in jüngster Vergangenheit zeigen, ist diese Diskussion durch einen Austausch zum konkreten Fall zu führen. Abstrakte Regeln auf EU-Ebene, die wie ein Sicherheitszertifikat wirken und verbindlich festlegen sollen, wie sicher „sicher genug“ ist, sind da nicht förderlich.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hä? Sie wollen keine Regeln?)

Bundesministerin Hendricks hat sich deshalb intensiv für eine Vereinbarung mit Belgien über eine bilaterale Kommission eingesetzt, zu deren Abschluss wir jüngst gekommen sind. Auch mit den Nachbarländern, in denen Atomkraftwerke betrieben werden, wurden solche bilateralen Kommissionen eingesetzt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür liefern Sie jetzt ein paar Brennstäbe hinterher!)

– Ach, wissen Sie, Herr Krischer, ich frage mich eigentlich, warum nicht schon 2002 und in den Folgejahren eine solche Kommission mit den Belgiern eingerichtet wurde. Das müssen Sie vielleicht auch einmal erklären.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wenn in unseren Nachbarländern Laufzeitverlängerungen vorgesehen werden, dann setzen wir uns für eine verpflichtende grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung ein. Soweit es noch nicht rechtsverbindlich vorgeschrieben ist, werden wir uns außerdem für freiwillige Beteiligungen der betroffenen Öffentlichkeit auch über die Staatsgrenzen hinweg einsetzen. Das tun wir zum Beispiel bei der Suche des Endlagers an der deutsch-schweizerischen Grenze. Da unterstützt die Bundesregierung die Kommunen und die Landkreise vor Ort mit der Expertengruppe Schweizer Tiefenlager.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum unterstützen Sie denn nicht die Städte in der Region Aachen?)

– Ich will Ihnen einmal etwas sagen, Herr Krischer: Ich wohne – man hört es am Dialekt – in Südbaden. Dort sind Atomkraftwerke nicht 60, sondern 5 Kilometer entfernt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es nicht besser!)

Wir nehmen die Ängste der Menschen sehr ernst.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Wir setzen uns dafür ein, dass unsere Bedenken und kritischen Fragen auch von den jeweiligen Aufsichtsbehörden aufgegriffen werden. Wir schlagen durchaus auch kritische Töne an, wenn zum Beispiel ein Reaktor wie Leibstadt nach einem Dryout-Effekt wieder angefahren wird.

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass aus meiner Sicht das beste Argument gegen die Kernenergie der erfolgreiche Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ist.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb lehnen wir eine EU-Förderung für AKWs entschieden ab. Aus unserer Sicht darf es eine EU-Förderung nur für die Technologien geben, die sicher, nachhaltig und kohlenstoffarm sind.

(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Dann können wir doch mal Euratom abschaffen!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für die Linke hat jetzt der Kollege Hubertus Zdebel das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7093329
Wahlperiode 18
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Änderung des Atomgesetzes
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta