Florian Pronold - Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2016
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wenn wir unterstellen, dass es im Jahr 2050 9 Milliarden Menschen auf der Welt geben wird, und wenn die Entwicklung anhält, dass ein Zuzug in die Städte stattfindet, wie derzeit weltweit zu beobachten ist, dann wird in Zukunft weltweit eine ganze Menge zusätzlicher Wohnraum gebaut. Wenn die bisherige Entwicklung bis 2050 fortschreitet, sind 40 Prozent unseres CO 2 -Kontos schon allein durch den Städtebau aufgebraucht. Es hat noch keine Kuh ihren Verdauungsvorgang abgeschlossen, und es ist noch kein Auto gefahren, und schon sind allein durch die Stadtentwicklung 40 Prozent der CO 2 -Belastungen bis zum Jahr 2050 vorherbestimmt.
Vor diesem Hintergrund müssen wir unsere Nachhaltigkeitsziele auch durch eine andere Art und Weise des Bauens verfolgen. Betrachtet man die bestehenden Zielkonflikte, so zeigt sich, wie wir Nachhaltigkeit definieren. Wir müssen beim Bauen viel mehr als bisher nachwachsende Rohstoffe verwenden, nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist das hier ein Fortbildungsseminar?)
Für das Umwelt- und Bauministerium bezieht sich Nachhaltigkeit aber nicht nur auf Klimaschutz, sondern auch auf Umweltgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit. Frau Kollegin Kipping, es hätte geholfen, die Nachhaltigkeitsstrategie besser zu lesen, statt nur der eigenen Propaganda zu glauben.
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Ich habe das hier!)
Eines der zentralen Entwicklungsziele, um Armut zu bekämpfen, ist in Ziel 11 der Nachhaltigkeitsstrategie festgelegt: eine nachhaltige Stadtentwicklung. Da geht es auch um die Frage von Armutsbekämpfung. Der Anteil der Menschen in Deutschland und weltweit, die mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnen ausgeben müssen, nimmt zu, und zwar dramatisch. Dieser Entwicklung muss man entgegenwirken, und das tun wir auch. Wir haben zum Beispiel die Mittel für die soziale Wohnraumförderung verdreifacht, wir haben die Mietpreisbremse eingeführt, wir haben die Erhebung der Maklergebühren geregelt, wir haben die Städtebauförderung mehr als verdoppelt, um hier ganz aktiv etwas zu tun. Der Kampf gegen Armut und für Nachhaltigkeit wird nur erfolgreich sein, wenn es national wie international gelingt, den Schutz der planetaren Grenzen als Ziel mit der sozialen Gerechtigkeit und der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung zusammenzubringen. Das ist die Grundvoraussetzung für Nachhaltigkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Da gibt es Zielkonflikte; das berücksichtigen wir alltäglich in den Debatten, die wir führen, und bei der Neuausrichtung von Zielen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen in die andere Richtung schauen!)
– Herr Krischer, Sie rufen immer gerne dazwischen; dafür sind Sie ja bekannt. Das ist aber nicht nachhaltig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zwischenrufe sind nicht nachhaltig. Wenn Sie eine Frage haben, melden Sie sich; ich beantworte sie gerne.
Ich glaube, man muss auf die Zielkonflikte aufmerksam machen und sie in diesem Hause auch diskutieren. Wenn wir den Klimaschutz im Gebäudebereich voranbringen wollen, dann muss es uns gleichzeitig gelingen, dass Wohnraum für die Menschen bezahlbar bleibt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir dürfen eben nicht zulassen, dass nur diejenigen mit einem großen Geldbeutel in energetisch sanierten Wohnungen leben können. So werden wir die Klimaziele nicht erreichen. Darum ist es so wichtig, darüber nachzudenken, wie man einen Quartieransatz hinbekommt, also nicht mehr nur das einzelne Gebäude betrachtet, sondern Lösungen für ganze Quartiere findet. Hier muss man neue Wege finden, um CO 2 -Ziele und die Frage der sozialen Gerechtigkeit zusammenzubringen.
Die Nachhaltigkeitsstrategie wird nur Erfolg haben, wenn alle mitmachen, auch die Zivilgesellschaft. Deutschland kann, wie in vielen Fällen, mit gutem Beispiel vorangehen; aber es muss deutlich werden, dass Nachhaltigkeit für die gesamte Gesellschaft, für unseren Planeten als Ganzes gelten muss. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wurde in der Forstwirtschaft geprägt; daher kommt dieser Begriff. Heute wissen wir, dass die planetaren Grenzen sehr schnell erreicht sind. Wir werden die planetaren Grenzen gerade in ökologischer Hinsicht nicht schützen können, wenn es uns nicht auch gelingt, Ungerechtigkeit und Armut auf der Welt zu bekämpfen. Das müssen wir zusammenbringen; nur das ist nachhaltig. Die Bundesregierung hat viele gute Beispiele in diesem Bereich gebracht und die Zielkonflikte benannt.
Ich möchte mich dem Dank an den Nachhaltigkeitsbeirat anschließen. Ich glaube, es ist wichtig, dass nicht nur Parlament und Regierung handeln. Letztlich kommt es auf das Handeln der gesamten Gesellschaft an. Nur dann wird es uns gelingen, neben der Nachhaltigkeitsdebatte auch die „Macht-Frage“ zu stellen: Wer macht was, wer setzt was um?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093367 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2016 |