Christoph SträsserSPD - Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2016
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, zumindest eines ist in der Debatte, die wir heute führen, deutlich geworden: Das, was wir mit der Nachhaltigkeitsstrategie betreiben, ist ein Prozess. Ich habe ein Stück weit die Debatten im Rahmen der Vereinten Nationen zur Verabschiedung der SDGs erlebt. Das war ein unglaublich mühsames Verfahren. Ich finde, das, was dabei herausgekommen ist, war ein Paradigmenwechsel in der internationalen Zusammenarbeit. Daran haben viele mitgearbeitet, und niemanden von ihnen sollten wir enttäuschen, aber bei niemandem sollten wir die Erwartung wecken, dass all das, was dort niedergeschrieben ist, bis übermorgen verwirklicht ist. Ich glaube, das ist ein Ansatz, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.
(Beifall bei der SPD)
Insofern bin ich der Bundesregierung dankbar, dass sie diesen Prozess auf den Weg gebracht hat. Ich möchte noch etwas zu diesem Prozess sagen. Wir reden jetzt hier ganz viel über Regierungshandeln. Wir reden über parlamentarische Beteiligung, und ich sage einmal unabgesprochen: Ich bin als neues Mitglied im Parlamentarischen Beirat der Auffassung, dass dieser Beirat auch eine deutlich hörbarere Stimme im Verfahren gewinnen muss, wie auch immer das in der nächsten Legislaturperiode, vielleicht durch eine Änderung der Geschäftsordnung, möglich ist. Man sollte jedenfalls dafür werben; denn Nachhaltigkeit ist nichts, was man nur begleitet. Vielmehr müssen diejenigen, die sich generell mit Nachhaltigkeit beschäftigen, auch etwas zu entscheiden und mehr zu sagen haben als bisher, und daran sollte man gemeinsam arbeiten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist eines noch ganz wichtig, und daher finde ich es gut, dass wir dies in diesem Rahmen diskutieren können: Es ist gut, dass sich durch die SDGs auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ein Paradigmenwechsel vollzogen hat, nämlich weg davon, dass wir die Geber sind und dass die Staaten des globalen Südens – der Dritten Welt dürfen wir ja nicht mehr sagen – sozusagen die Bettler sind, denen wir etwas gewähren. Dazu würde ich gerne ein paar Sätze sagen.
Es ist heute schon mehrfach angesprochen worden: Die Menschen, die in diesen Ländern leben, haben sich bei der Geburt nicht ausgesucht, in welchem Land sie geboren werden. Sie haben genauso das Recht, so zu leben, dass sie ihre Menschenwürde behalten. Das ist eine Erfüllung der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ich glaube, das ist der Kern der Auseinandersetzung, um den wir uns jetzt streiten müssen. In dem Prozess, den wir begonnen haben, steckt eine ganze Menge. Dieser inklusive Prozess, der unter sehr breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft, unter anderem von VENRO und anderen Entwicklungsorganisationen, stattgefunden hat, war beispielhaft. Natürlich – das kann ja gar nicht ausbleiben, das kenne ich auch aus anderen Diskussionsprozessen; der Nationale Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ ist schon angesprochen worden – findet sich Zivilgesellschaft nicht eins zu eins in einem Papier der Bundesregierung und auch der Parlamente wieder. Ich glaube aber schon, dass man daraus lernen kann, wie man gesellschaftliche Prozesse organisiert. Man sollte diejenigen, die Fachwissen haben, die vor Ort arbeiten, nicht außen vor lassen und sagen: Wir sind hier diejenigen, die das machen, und ihr könnt hinterher zustimmen oder nicht. – Ich glaube, dieser Prozess war bemerkenswert, auch wenn vieles von dem, was die Organisationen gefordert haben, jetzt nicht mehr in den Papieren drinsteht.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch zwei kritische Punkte ansprechen. Wenn von einem Prozess die Rede ist, dann heißt das ja auch, dass es weitergeht. Diese kritischen Punkte beziehen sich auf einige der SDGs, die wir hier angesprochen haben. Der erste Punkt ist die Armutsbekämpfung. Ich sehe das nicht so kritisch wie Sie von der Linkspartei. Der Nationale Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ bringt massive Fortschritte. Er ist nicht das Ende der Fahnenstange. Aber wenn wir Armut bekämpfen wollen, dann brauchen wir faire, transparente Handelsbeziehungen, die auch die Menschen und die Staaten, mit denen wir den Handel treiben, unterstützen und die nicht ausschließlich auf die eigene ökonomische Situation und auf die Verbesserung unserer Standards ausgerichtet sind. Ich glaube, da muss nachgebessert werden in diesem Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU])
Der zweite Punkt, der mir seit ungefähr 40 Jahren auf der Seele brennt – das muss ich jetzt einmal sagen; da war ich noch Mitglied der FDP –, ist die Erfüllung der sogenannten ODA-Quote. Sie steht ja auch in Ihrem Strategiepapier. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor 40 Jahren haben wir in Deutschland im Konsens gesagt: Wir brauchen 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, um unsere Verpflichtung in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu erfüllen. – Diese Quote ist jetzt etwas angestiegen. Wir wissen aber auch, dass das im nächsten Jahr wieder anders sein wird, weil dann die einmaligen Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen nicht mehr eingerechnet werden. In dieser Strategie ist als Zeitpunkt für die Erreichung dieses Ziels nicht mehr das Jahr 2020, sondern das Jahr 2030 angegeben. Meine Damen und Herren, das ist eine Bankrotterklärung, was die ODA-Quote angeht. Da muss deutlich nachgebessert werden. Da müssen wir etwas anderes erreichen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum Abschluss hat in dieser Aussprache für die CDU/CSU der Kollege Peter Stein das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093386 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2016 |