Erich IrlstorferCDU/CSU - Finanzierung von Gesundheitsversorgung und Pflege
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt mal zur Finanzierung!)
Die Kollegin Rawert schafft es immer wieder, mich beim Thema „generalistische Ausbildung“ zu reizen. Gratulation!
(Heiterkeit bei der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: So persönlich war das nicht gemeint! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Und das schaffen wenige, und sie ist stolz darauf!)
Ich erwähne das Ganze nur mit wenigen Sätzen – denn heute geht es ja um ein anderes Thema –: Verehrte Kollegin, Sie kennen den Kompromissvorschlag.
(Mechthild Rawert [SPD]: Noch liegt gar nichts vor! Derzeit ist alles Schneegewitter!)
Ich weiß, dass er Ihnen nicht in Gänze gefällt – uns auch nicht, aber so ist das bei Kompromissen nun einmal. Glauben Sie mir: Ich bin wirklich davon überzeugt, dass es wichtig wäre, Ministerin Schwesig dazu zu bringen, ihre Eitelkeiten zu vergessen
(Zurufe von der SPD: Oh! – Na!)
und zuzustimmen; bitte erlauben Sie mir, das zu sagen.
(Mechthild Rawert [SPD]: Das ist eine so nette und solide Frau! Keine Frauendiskriminierung! – Zuruf von der CDU/CSU: Das wird aber eine sehr schwierige Aufgabe für die Kollegin Rawert!)
– Das ist eine nette Person. Das habe ich auch nicht anders gesagt.
Werte Kolleginnen und Kollegen, Frau Zimmermann hat gerade den Antrag der Linken begründet. Darunter waren ja Äußerungen, die wirklich unterirdisch waren.
(Mechthild Rawert [SPD]: Welche?)
Deshalb schenke ich es mir, darauf näher einzugehen.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Weil Sie nicht wollen!)
Ich möchte nur darauf hinweisen: Nach 20 Jahren Bestehen der gesetzlichen Pflegeversicherung hat die unionsgeführte Bundesregierung in der laufenden Legislatur eine umfassende Reform der Pflege in Angriff genommen.
(Mechthild Rawert [SPD]: SPD-getrieben!)
Das ist unbestreitbar. Dabei war uns klar, dass Strukturverbesserungen zwar wichtig, aber nicht ausreichend sein würden.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Pflegenotstand!)
Deshalb haben wir deutliche und spürbare Leistungsausweitungen beschlossen, die nicht nur die Versorgung von Pflegebedürftigen verbessert, sondern vor allem auch den Kreis der Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher deutlich vergrößert haben.
Die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten – Frau Klein-Schmeink hat darauf hingewiesen – können wir nur deshalb rechtfertigen, weil wir für eine stabile wirtschaftliche Lage in Deutschland mit einer Rekordbeschäftigung gesorgt haben, von der nun auch der Sozialstaat und die Sozialsysteme profitieren.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür haben Sie nicht gesorgt!)
– Das ist die Wahrheit. – Die finanziellen Mittel werden zielgerichtet eingesetzt und kommen bei den Betroffenen an, die Verbesserungen sind für die Menschen erlebbar und werden angenommen.
Im Sechsten Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Pflegeversicherung werden die Bemühungen, Bedürfnisse und Wünsche der Pflegebedürftigen hinsichtlich der Reform der Pflegeversicherung beleuchtet. Diesen wollen wir gerecht werden. Neben Verbesserungen für die Pflegebedürftigen wollten wir gleichermaßen aber auch sicherstellen – das ist uns auch gelungen –, dass die Angehörigen, die in Deutschland bei der Pflege noch immer eine enorme Leistung schultern, entlastet werden und die Verbesserungen auch spüren. An dieser Stelle sei die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Lohnersatzleistungen oder der Reduzierung der Arbeitszeit von bis zu zwei Jahren erwähnt. Dazu kommt, dass wir für die Angehörigen auch den Schutz in der Arbeitslosenversicherung verbessert haben. Das dürfen wir nicht vergessen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In den letzten beiden Jahren ist der Anteil der durch Angehörige versorgten Bedürftigen wieder leicht angestiegen, auf 67 Prozent, beeinflusst durch diese und weitere Verbesserungen in diesem Bereich.
Der Dreiklang der Pflege – ich sage es zum wiederholten Male – bliebe aber aus meiner Perspektive ohne Verbesserungen für die Pflegekräfte unvollständig. Deshalb ist es notwendig, dass wir auch in diesem Bereich den nächsten Reformschritt machen. Uns war wichtig, einer übermäßigen Arbeitsbelastung durch den Einsatz zusätzlicher Kräfte sowie den Abbau von überflüssiger Bürokratie entgegenzuwirken. Das sind erste Schritte, die hier gegangen wurden. Gleichermaßen spielt für die Attraktivität des Berufes natürlich die Vergütung eine sehr wichtige Rolle. Die Bezahlung von Tariflöhnen – hier sind wir uns einig – muss eine Selbstverständlichkeit sein. Auch hier sind wir schon Schritte in die richtige Richtung gegangen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: Da müssen wir jetzt gucken, dass alle auch tarifgebunden sind!)
Werte Kolleginnen und Kollegen, es ist der Größe der Aufgabe geschuldet, dass wir das Pflegereformvorhaben in eine Reihe von einzelnen Gesetzen gepackt haben, in die Pflegestärkungsgesetze I bis III. Die Leistungen der Pflegeversicherung und die pflegerische Versorgung konnten durch das Erste Pflegestärkungsgesetz bereits im ersten Jahr seiner Wirksamkeit deutlich ausgebaut werden. Es gibt zusätzliche Leistungen für die Betreuung im Rahmen der häuslichen Pflege sowie für Rehabilitation und Prävention. Mit dem Pflegestärkungsgesetz I wurde erstmals die Vergütung sämtlicher Leistungen der Pflegeversicherung an die Preisentwicklung der vergangenen drei Jahre angepasst und in einem Umfang von 4 Prozent angehoben. Auch das dürfen wir nicht verschweigen.
Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz haben seit Januar 2015 Zugang zu allen Leistungen der häuslichen Pflegeversicherung, einschließlich der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege.
Umgekehrt können auch Pflegebedürftige, die vorrangig körperlich beeinträchtigt sind, besondere Angebote der allgemeinen Anleitung und Betreuung, der hauswirtschaftlichen Versorgung oder von den Ländern anerkannte niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote in Höhe von bis zu 208 Euro im Monat von ihrer Pflegekasse erstattet bekommen. Auch das sind Verbesserungen.
Es handelt sich hierbei um nicht gerade wenige Menschen; wir sprechen für das Jahr 2015 – das sollten wir uns vor Augen halten – von 1,5 Millionen Pflegebedürftigen. Dementsprechend haben sich auch die Ausgaben für zusätzliche ambulante Betreuungsleistungen von 437 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 684 Millionen Euro im Jahr 2015 erhöht. Bringen Sie die Information über diese niedrigschwelligen Betreuungsangeboten bitte unter die Leute, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, und verunsichern Sie mit solchen Anträgen nicht die Menschen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz eingeführten Leistungsausweitungen im Bereich des Wohnumfeldes kommen bei den Betroffenen an. Die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache: Gab die Pflegeversicherung im Jahr 2011 rund 103 Millionen Euro dafür aus, stieg dieser Betrag bis 2015 auf knapp 305 Millionen Euro.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist doch was!)
Auch das sind Verbesserungen. Das kann man nicht einfach unter den Teppich kehren und so tun, als wäre nichts passiert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn wir über Solidarität in der Pflege sprechen, gehört zur Betrachtung der aktuellen Situation nicht nur der finanzielle Aspekt, also die finanziellen Mittel, die in die Pflege investiert werden, sondern auch die Ausweitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, die wir durch das Pflegestärkungsgesetz II ermöglicht haben. Es sind nun nicht mehr nur Menschen mit körperlichen Einschränkungen erfasst, sondern auch geistig und seelisch beeinträchtigte Menschen.
Mit dem Pflegestärkungsgesetz III haben wir schließlich die kommunale Ebene gestärkt, damit dort eine bessere Koordination, Kooperation und Steuerung erfolgen können.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dadurch, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir eine unabhängige und zentral gesteuerte Beratung ermöglichen, die den Pflegebedürftigen die bestmöglichen Angebote aus einer Hand offeriert. Dabei soll es zu einer Verzahnung der kommunalen Angebote und der Beratungsangebote der Pflegekassen kommen.
Am Ende wollen wir es den pflegebedürftigen Menschen vor allem ermöglichen, so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld zu bleiben. Ambulant vor stationär – das ist der Wunsch der Menschen und somit unser Auftrag.
Ein Wort an die Linke. Es gibt Gott sei Dank jüngere Kolleginnen und Kollegen – ich habe darüber Gespräche gehabt –, die wahrnehmen, dass man hier den ersten richtigen Schritt getan hat. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, so, wie wir es gemacht haben, ist es in meinen Augen politische Solidarität. Mit dem, was Sie in Ihrem Antrag darstellen, gaukeln Sie den Versicherten ein Schlaraffenland vor. Das Ganze soll bei Ihnen auch noch zum Nulltarif funktionieren. Ich kann nicht nachvollziehen, wie Sie in Ihrem Antrag bei einem gleichbleibenden Beitragssatz auf Mehreinnahmen in Höhe von 12 Milliarden Euro kommen.
(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Das verstehen wir auch nicht!)
Dieser Betrag wird in der Regel als jährliche Verlustspanne angegeben.
Würde es die Privatversicherungen nicht geben, würde es sicherlich anders ausschauen. Das ist der Konstruktionsfehler Ihres Allheilmittels, der Bürgerversicherung. Wir müssen dieses gute und wirklich einzigartige sowie hervorragend funktionierende System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung immer wieder an die Realität anpassen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Wollen wir ja, mit der Bürgerversicherung!)
Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung. Allein durch Privatversicherte fließen jedes Jahr fast 29 Milliarden Euro in unser Gesundheitssystem.
(Mechthild Rawert [SPD]: Überversorgt!)
Dieses Geld benötigen wir.
Mit allem anderen, was zum Thema Bürgerversicherung hier gesagt wurde und im Wahlkampf noch angesprochen werden wird, werden wir uns sehr kritisch auseinandersetzen. Nur die Begrifflichkeit in den Raum zu werfen, ohne Fleisch am Knochen, wird nicht funktionieren.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Kollege Harald Weinberg spricht als Nächster für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093408 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Finanzierung von Gesundheitsversorgung und Pflege |