Edgar FrankeSPD - Finanzierung von Gesundheitsversorgung und Pflege
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf eines kann man sich freitagmorgens fast immer verlassen: Wir diskutieren einen Antrag der Linken zur Bürgerversicherung.
(Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Tino Sorge [CDU/CSU]: Und täglich grüßt das Murmeltier!)
Viele Argumente kennen wir schon. Aber zunächst ist die Frage: Worum geht es beim Thema Gesundheit, und worum geht es beim Thema Pflege wirklich? Es geht um Perspektiven für eine gute medizinische Versorgung. Es geht um Perspektiven für eine älter werdende Gesellschaft. Wir müssen uns fragen: Sind wir auf eine älter werdende Gesellschaft vorbereitet? Wir müssen uns das inhaltlich fragen.
Wir wissen alle, dass die medizinische Versorgung immer besser wird, aber Krankheiten wie Demenz stellen uns vor große Herausforderungen. Die Politik muss sich fragen, ob wir diesen demografischen und gesellschaftlichen Herausforderungen gewachsen sind.
Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir damit umgehen. Für die SPD ist die politisch entscheidende Frage, wie wir die steigenden Kosten einer älter werdenden Gesellschaft solidarisch verteilen können. Das ist die Frage der SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Tino Sorge [CDU/CSU]: Ihr denkt immer nur ans Verteilen, nicht ans Arbeiten!)
Das betrifft gerade die Pflege. Wir brauchen eine Pflege, die den demografischen Herausforderungen gerecht wird, eine Pflege, mit der jeder den bestmöglichen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung bekommt.
Sie wissen vielleicht noch, dass wir 1995, vor 22 Jahren, die Pflegeversicherung eingeführt haben, die eine Besonderheit aufweist: Die Leistungen der Pflegeversicherung, sowohl der privaten als auch der gesetzlichen, sind gleich, aber die Beiträge sind unterschiedlich. Deshalb eignet sich gerade die Pflegeversicherung besser für eine Bürgerversicherung als eine private Versicherung.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das ist keine sozialistische Einheitsversicherung, Erwin Rüddel. Es gibt nämlich gute Argumente dafür.
(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Ha, ha, ha!)
Erster Punkt: Mit der Pflegeversicherung verbreitern wir die Einnahmebasis.
Zweiter Punkt: Es zählt das individuelle Einkommen. Maßgebend ist also die persönliche Leistungsfähigkeit, und auch die Gutverdienenden und die Gesündesten können sich der Solidarität nicht entziehen. Auch das ist ein wichtiger Punkt.
Dritter Punkt: Wie Sie wissen, sind die Arbeitgeberbeiträge bei 7,3 Prozent eingefroren.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das beschlossen?)
Wer finanziert denn den ganzen medizinischen Fortschritt? Das sind doch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Deswegen muss auch die Versicherung paritätisch finanziert werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir brauchen auch eine einheitliche Honorarordnung. Egal ob jemand privat oder gesetzlich versichert ist: Es gibt keinen Anreiz mehr, Versicherte vorzuziehen. Auch das ist ein Grund für eine Bürgerversicherung gerade im Bereich Pflege.
Aber – auch das sage ich ausdrücklich – wir haben in der Pflege gemeinsam viel erreicht. Das haben auch Herr Irlstorfer und Herr Rüddel angesprochen. Vor allen Dingen haben wir mit 1,4 Milliarden Euro die häusliche Pflege gestärkt. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, dass die Menschen zu Hause auch dann in ihren eigenen vier Wänden alt werden können, wenn sie pflegebedürftig sind; denn Pflegebedürftigkeit darf kein Grund für einen Umzug sein. Ich war lange Bürgermeister, und ich war Chef einer kommunalen Pflegestation. Ich weiß, wie wichtig es ist, dass man im häuslichen Quartier bleiben kann. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt, den wir gemeinsam erreicht haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Erich Irlstorfer [CDU/CSU] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mit einem sehr guten Minister!)
Wir geben außerdem ab 2017 5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich für die Pflege aus. Das ist ein immenser Betrag für eine Strukturreform hin zu dem erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriff mit fünf Pflegegraden, der dazu führen wird, dass Menschen besser gepflegt werden und auch ganzheitlich betreut werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Wir haben eine wirklich außergewöhnliche Strukturreform hinbekommen, die positiv zu bewerten ist.
Wir müssen uns aber auch die Frage stellen, wie wir mit denjenigen umgehen, die pflegen. Wir brauchen bis 2030 200 000 neue Pflegekräfte, und zwar gut ausgebildete Pflegekräfte. Deswegen ist die Aufwertung der Pflegeberufe eine Herzensangelegenheit der SPD. Das haben die Menschen verdient; deshalb ist das eine Herzensangelegenheit der SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt einen roten Faden in der Gesundheitspolitik.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Herzensangelegenheit ist aber erst für die nächste Legislaturperiode vorgesehen!)
Der rote Faden ist eine bestmögliche Versorgung, unabhängig vom Einkommen, unabhängig vom Alter, unabhängig vom Wohnort. Es ist sozusagen ein roter Faden der sozialdemokratischen Gesundheitspolitik im doppelten Sinn. Herr Stritzl, Gesundheitspolitik muss immer aus Sicht der Patientinnen und Patienten bzw. der Menschen betrieben werden, die davon betroffen sind.
(Beifall bei der SPD)
Wir brauchen Zukunftsentwürfe in der Gesundheitspolitik und gerade in der Pflegepolitik. Ein solcher Zukunftsentwurf ist eine Bürgerversicherung in der Pflege. Ich sage es noch einmal: Das ist keine sozialistische Einheitsversicherung.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD)
Als nächste Rednerin hat Elisabeth Scharfenberg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093415 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Finanzierung von Gesundheitsversorgung und Pflege |