Sabine DittmarSPD - Finanzierung von Gesundheitsversorgung und Pflege
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Zum wiederholten Mal beschäftigen wir uns in dieser Legislatur mit ähnlich lautenden Anträgen der Linken.
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Lautenden oder lauen!)
Lassen Sie mich deshalb in aller Kürze noch einmal zusammenfassen: Einige Inhalte Ihres Antrags finden durchaus meine Sympathie. Es ist richtig, dass wir uns mit dem Leistungskatalog beschäftigen müssen und uns unter anderem die Belastungen bei der Sehhilfe oder beim Zahnersatz noch einmal genau ansehen müssen. Die Forderung nach Parität in der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist allerdings längst Beschlusslage der SPD; denn, meine Damen und Herren, es ist zutiefst ungerecht, wenn die Kosten des medizinischen Fortschritts allein durch die Zusatzbeiträge von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern getragen werden. Das ist unsolidarisch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb steht für uns fest: Die Rückkehr zur Parität – die Wortwahl ist jetzt ganz bewusst – ist alternativlos.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielleicht schaffen es ja Herr Laumann oder der Arbeitnehmerflügel der Union, bis zur Sommerpause den Rest ihrer Parteifreunde davon noch zu überzeugen.
Aber eines ist für uns Sozialdemokraten klar: Wir sind vertragstreu. Nachdem Ihr Antrag, meine Damen und Herren von den Linken, in vielen Punkten wenig substanziell ist und rechtliche Fragen offenlässt, fällt es uns auch gar nicht so schwer, diesen abzulehnen.
(Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])
Sehr geehrte Damen und Herren, unsere Debatte beschäftigt sich auch mit dem sechsten Pflegebericht der Bundesregierung. Dieser ist nicht nur lesenswert; er ist vor allem sehr bemerkenswert. Wir haben mit den Pflegestärkungsgesetzen, aber auch mit dem Hospiz- und Palliativgesetz sowie dem Präventionsgesetz erhebliche Leistungsverbesserungen und ‑ausweitungen auf den Weg gebracht.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben Ihnen da auf die Sprünge geholfen!)
Diese dienen nicht nur dazu, die pflegerische Versorgung weiterzuentwickeln, sondern sie unterstützen auch pflegende Angehörige und professionelle Pflegekräfte. Lassen Sie mich auf ein paar wenige Aspekte eingehen, die mir besonders wichtig sind.
Auch wenn sich dieser Bericht nicht mit der erfolgreichen Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs beschäftigt, der endlich körperliche, geistige und seelische Beeinträchtigungen gleichrangig behandelt und damit für über 500 000 Menschen einen zusätzlichen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung begründet, zeigt uns dieser Bericht doch, dass die Maßnahmen, die im Vorfeld getroffen worden sind, sehr effizient sind.
(Beifall bei der SPD)
Die zusätzlichen Leistungen im Bereich der Tages- und Nachtpflege können den Alltag der pflegenden Angehörigen ungemein erleichtern: Sie ermöglichen es, einmal Zeit zu haben für einen eigenen Termin, ohne unter dem Druck zu stehen, dass zu Hause alles Kopf steht. Wie ich es aus meiner eigenen Praxis weiß, wirbelt oftmals der gestörte Tag-Nacht-Rhythmus bei demenziell erkrankten Patienten auch den Rhythmus des Pflegenden erheblich durcheinander. Hier den Pflegebedürftigen bei Bedarf in professioneller Nachtpflege zu wissen, tut gut und dient auch der eigenen Regeneration.
Ich möchte an dieser Stelle ebenfalls auf den für pflegende Angehörige gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf Rehabilitationsmaßnahmen hinweisen, der leider noch viel zu wenig in Anspruch genommen wird.
Meine Damen und Herren, der Kollege Henke hat es schon angesprochen, aber es ist auch mir sehr wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen: Die Quote bei der Durchführung der Rehabilitation bei Pflegebedürftigen ist nach wie vor viel zu gering. Wir alle wissen hier, dass Rehabilitation Pflege hinauszögert oder eine Verschlechterung verhindert. Deshalb muss der Grundsatz „Reha vor Pflege“ mit wirklich sehr viel mehr Leben erfüllt werden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Gesetzgeberisch haben wir in einem der letzten Pflegestärkungsgesetze den Begutachtungsstandard noch einmal optimiert. Es gab auch eine Steigerung der Empfehlungsquote, aber, wie gesagt, es ist noch Luft nach oben.
Lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt eingehen, der mir wichtig ist, weil ich hier während meiner hausärztlichen Tätigkeit massive Defizite erlebt habe. Wir hatten eine echte Versorgungslücke bei der sogenannten Übergangspflege, also bei kurzfristigem zeitlich begrenztem pflegerischem Bedarf, zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt oder einer schweren Erkrankung zu Hause. Jetzt sind die erforderliche Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung oder auch notwendige stationäre Kurzzeitpflege sichergestellt.
Wichtig ist auch, dass wir den Betreuungsschlüssel in den stationären Einrichtungen deutlich verbessert haben; denn genauso wichtig wie eine gute pflegerische Versorgung ist die Hinwendung: Zeit zum Vorlesen, zum Spazierengehen, zum Basteln oder auch nur, um einfach am Bett zu sitzen und die Hand zu halten. Wir haben die Anzahl der Betreuungskräfte verdoppelt.
Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit noch auf ein weiteres wichtiges Thema lenken. Das ist die hausärztliche und fachärztliche Versorgung in Heimen. Mit der Verpflichtung, Kooperationsverträge zu vereinbaren, konnte hier in Teilen eine wirkliche Verbesserung erreicht werden. Auch für die zahnärztliche Versorgung haben wir Regelungen getroffen. Doch meine ich, dass die Situation hier insgesamt noch nicht befriedigend ist. Ich war erst gestern Abend auf einer Veranstaltung, die sich mit der augenärztlichen Versorgung von Heimbewohnern befasste. Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht zu akzeptieren, dass jeder fünfte Heimbewohner unzureichend mit Sehhilfen versorgt ist oder akute und chronische Augenerkrankungen nur ungenügend einer Therapie zugeführt werden. Ich glaube, da haben wir noch erheblichen Handlungsbedarf.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Kolleginnen und Kollegen, das Thema Pflege ist ein facettenreiches Querschnittsthema, das mit Blick auf den demografischen Wandel und immer neue Herausforderungen kontinuierlich weiterentwickelt und an die Bedürfnisse angepasst werden muss. Wir haben in dieser Legislaturperiode sehr viel auf den Weg gebracht, aber uns geht die Arbeit in der nächsten ganz gewiss nicht aus.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093425 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Finanzierung von Gesundheitsversorgung und Pflege |