Julia ObermeierCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EU NAVFOR Atalanta vor Somalia
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Menschen in Somalia stehen vor einer humanitären Katastrophe. 6,2 Millionen Menschen hungern, davon allein 300 000 Kinder. Wenn nicht schnell Hilfe ankommt, werden Tausende Menschen sterben.
Mit diesen Worten hat Ihre Kollegin von der Linken gestern die Situation in Somalia beschrieben. Ja, die Menschen am Horn von Afrika leiden, und sie brauchen unsere Hilfe. Aber damit diese Hilfe ankommen kann, brauchen wir die Operation Atalanta: um die Schiffe des Welternährungsprogramms zu schützen.
Mit diesem maritimen Einsatz wurden die Piraten am Horn von Afrika zurückgedrängt. In der Hochphase, 2011, gab es rund 250 Piratenangriffe. 30 Schiffe und 900 Menschen waren in der Gewalt von Piraten. Die Schiffe des Welternährungsprogramms wurden zu dieser Zeit mehrmals wöchentlich angegriffen.
Frau Obermeier, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Neu zu?
Ja, bitte.
Geschätzte Kollegin Obermeier, wir reden gerade wieder über Symptombekämpfung: World Food Programme etc. Aber es geht doch darum, dass das Land, dass die Gesellschaft in Somalia zumindest mittel- und langfristig wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Ich habe es gerade angesprochen – der Kollege Trittin auch –: Warum wird Atalanta nicht in die Lage versetzt, die Raubfischerei im Hoheitsgebiet des somalischen Küstenmeeres zu unterbinden? Warum duldet man das? Warum schaut man zu? Haben Sie dafür eine Begründung?
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie mehr Atalanta? Stimmen Sie da zu? – Gegenruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU]: Lassen Sie sie doch mal antworten! Das hilft beim Erkenntnisgewinn! Wirklich!)
Herr Kollege Neu, es geht bei den Problemen in Somalia nicht allein um die Raubfischerei. Die Ursachen liegen tiefer. Die Bundesregierung verfolgt einen vernetzten Ansatz mit Maßnahmen im Bereich Polizei, mit Maßnahmen zum Aufbau staatlicher Strukturen und zur Stärkung der eigenen Sicherheitsstrukturen in Somalia. Darauf gehe ich später in meiner Rede noch ein.
(Beifall bei der CDU/CSU – Tino Sorge [CDU/CSU], an den Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE] gewandt: Dann haben Sie ja was, worauf Sie sich freuen können, Herr Kollege! – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das war nicht die Antwort! – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du kannst ja das Willy-Brandt-Korps einsetzen!)
Seit fast fünf Jahren gab es keine Piratenangriffe mehr in der Region. Nur so erreichen die Lieferungen des Welternährungsprogramms ihr Ziel, nämlich die notleidende Bevölkerung von Somalia. Freie und sichere Seewege sind wichtig für die humanitäre Hilfe und auch für den internationalen Handel. Allerdings wurde vor gut zwei Wochen erstmals wieder ein Schiff von somalischen Piraten gekapert. Das zeigt: Sobald die internationale Gemeinschaft hier nachlässt, schlagen die Piraten wieder zu. Deshalb brauchen wir die Mission auch in Zukunft, und deshalb braucht es auch weiterhin die Unterstützung der Bundeswehr.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Seit 2008 beteiligt sich die Bundeswehr mit Schiffen, Booten und Flugzeugen, aktuell mit einem Seeaufklärungsflugzeug. Ebenso wichtig ist uns aber auch, Herr Neu, der Aufbau Somalias. Derzeit setzt Deutschland hierfür in der Entwicklungszusammenarbeit Mittel in Höhe von über 100 Millionen Euro ein. Deutschland ist damit der viertgrößte internationale Geldgeber. Diese Hilfe ist aufgrund der Dürre und der drohenden Hungersnot dringend notwendig. Denn die Dürre bedroht auch die möglichen politischen Fortschritte nach der Wahl, die im Februar stattgefunden hat. Der neue Präsident Farmajo gilt als relativ unabhängiger Kandidat. Er hat der Korruption den Kampf angesagt. Das ist ein Hoffnungsschimmer. Aber neben der dringend notwendigen Versorgung der Bevölkerung liegen weitere Mammutaufgaben vor ihm, insbesondere beim Aufbau staatlicher Strukturen und starker Sicherheitskräfte.
Auch hier unterstützten die internationale Gemeinschaft und Deutschland Somalia. Deutschland stellt derzeit bis zu fünf Polizisten, darunter den Leiter der Polizeikomponenten, in der politischen Unterstützungsmission UNSOM. Auch beteiligen wir uns an EUTM Somalia, die mehr als eine reine Ausbildungsmission ist. Sie unterstützt auch die somalischen Behörden bei der Errichtung starker staatlicher Strukturen. Im Rahmen von EUCAP Somalia bilden wir Küstenschutzkräfte für den Aufbau einer somalischen Küstenwache aus. Das ist natürlich besonders wichtig, damit die Somalier selbst gegen Piraten und gegen illegale Fischerei in ihren Hoheitsgebieten vorgehen können. Es ist ein Fortschritt, meine Damen und Herren, dass die somalische maritime Polizeieinheit seit kurzem in der Bucht von Mogadischu patrouilliert.
Deutschland verfolgt in Somalia einen umfassenden Ansatz, der sowohl sicherheitspolitische als auch entwicklungspolitische Instrumente miteinander vernetzt. Auch wenn auf EU-Ebene eine Strategie erarbeitet wird, wie die Antipirateriemission eines Tages beendet werden kann, ist klar, dass wir hier einen langen Atem brauchen werden, um eines der ärmsten Länder der Welt, Somalia, nachhaltig zu stabilisieren. Deshalb unterstützen wir diese erfolgreiche maritime Mission Atalanta auch weiterhin.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7093439 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EU NAVFOR Atalanta vor Somalia |