Michael StübgenCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben der Tatsache, dass wir heute – wir haben das schon mehrfach gemacht; das ist jetzt nicht das erste Mal – über die Frage des britischen Austrittsprozesses debattieren und die Bundeskanzlerin mit einer Regierungserklärung öffentlich macht, wie wir als Parlament uns daran beteiligen können und welche strategischen Ziele verfolgt werden, gehen mit dieser Debatte zusätzlich noch zwei Dinge einher, auf die ich kurz eingehen will.
Punkt eins. Zu dieser Debatte haben alle Fraktionen des Bundestages Entschließungsanträge zu den vorbereiteten Leitlinien des Europäischen Rates zum Austrittsprozess Großbritanniens aus der Europäischen Union eingereicht; die Grünen sogar zwei – Masse ist nicht in jedem Fall Klasse. Ich gehe davon aus, dass der Koalitionsantrag hier eine deutliche Mehrheit findet. Damit signalisiert der Deutsche Bundestag ganz eindeutig, dass er sich mit den Facetten des britischen Austrittsprozesses und dem, was danach folgen soll und kann, sehr detailliert, sehr intensiv beschäftigen und seine Verantwortung wahrnehmen wird, und zwar unabhängig von der Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage der Bundestag dies kann, ob freiwillig oder ob er sogar Beschlüsse fassen muss, weil sich die gesetzliche Grundlage während der Austrittsverhandlungen ändert. Wir werden unsere Verantwortung auf jeden Fall wahrnehmen. Das ist ein deutliches Signal an die deutsche Bevölkerung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Axel Schäfer [Bochum] [SPD])
Punkt zwei. Mit unserem Entschließungsantrag zeigen wir auch: Der Deutsche Bundestag stimmt, und zwar bis in einzelne Details, mit der Strategie der EU 27 und insbesondere mit der Strategie der deutschen Bundesregierung für den Austrittsprozess überein. Es gibt in keinem einzigen Punkt unterschiedliche Auffassungen. Wir als Bundestag unterstützen die EU 27 bei der Verfolgung ihrer Leitlinien. Wir werden sie unterstützen, wenn das Mandat ausgehandelt wird. Und wir senden ein Zeichen der Unterstützung insbesondere an die Bundeskanzlerin im Hinblick auf die wichtigen Beratungen und den Beschluss übermorgen beim Europäischen Rat der 27.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Norbert Spinrath [SPD])
Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Sonnabend, wenn also die Leitlinien der EU 27 zum Austrittsprozess beschlossen sind, beginnt die zweite Phase des britischen Austrittsprozesses. Die erste Phase währt jetzt schon etwas über zehn Monate. In der breiten Öffentlichkeit ist nicht bekannt geworden, wie kompliziert dieser Prozess im Kern eigentlich war. Dabei weiß jeder Insider, dass der britische diplomatische Dienst unmittelbar nach dem Referendum in Großbritannien den Versuch unternommen hat, mit einigen Ländern der EU 27 einzelne besonders problematische Themen des Austrittsprozesses, die die jeweiligen Länder betrafen, separat zu diskutieren und zu klären. Es ist ja eine Tatsache, dass die Probleme mit dem Austritt Großbritanniens in Polen andere sind als in Deutschland, als in Spanien, als in Zypern. Hier könnte man alle 27 EU-Mitgliedsländer aufzählen. Die Strategie der britischen Regierung ist dabei ziemlich einfach durchschaubar: Sie hat das Ziel verfolgt, eine möglichst uneinheitliche EU 27 zu haben, möglichst auch zerstritten in dieser Frage, um ein leichtes Spiel mit uns zu haben und ihre nationalen Ziele nach dem Austritt selbst besser durchsetzen zu können. Wenn übermorgen die einheitlichen und detaillierten Leitlinien der 27 Staats- und Regierungschefs beschlossen werden, ist dieser Versuch der britischen Regierung allerdings endgültig gescheitert.
Zu einem Punkt von alldem, was gerade heute von den Linken erzählt wurde, will ich noch etwas sagen: Natürlich ist die Europäische Union insgesamt in vielen Bereichen in einer schwierigen Phase, teilweise auch zerstritten, teilweise ein bisschen zerrüttet; aber die EU 27 zeigt übermorgen deutlich, dass sie da, wo es darauf ankommt, in der Lage ist, einheitlich und klar zu agieren. Das ist einen Beifall für die EU wert. Deswegen glaube ich: Wir werden diesen Austrittsprozess meistern.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Lassen Sie mich noch zwei Dinge ansprechen, die als wesentliche Bestandteile für den Austrittsprozess in den Leitlinien definiert werden.
Als Erstes komme ich zu der fundamentalen Frage der Rechte der Bürger. Wenn Sie, Frau Kollegin Göring-Eckardt, da vielleicht zuhören könnten. – Danke. Es nützt nämlich nicht, wie Sie hinsichtlich der Rechte der Bürger Scheinlösungen zu fordern. Ich will das kurz erklären: Ungefähr 3 Millionen Unionsbürger leben und arbeiten in Großbritannien, ungefähr 1 Million britische Bürger in der Europäischen Union, davon allein 300 000 in Deutschland. Den 3 Millionen Unionsbürgern, die in Großbritannien leben, hilft der von Ihnen geforderte Doppelpass gar nicht, den 1 Million britischen Bürgern, die in der Europäischen Union leben, im Allgemeinen auch nicht. Er hilft maximal vielleicht den 300 000 in Deutschland lebenden Briten.
Die Forderung nach einem Doppelpass ist aber auch falsch. Der richtige Ansatz hingegen – das ist auch der der Bundesregierung – besteht nämlich in einer einheitlichen Regelung für alle: sowohl für alle britischen Staatsbürger, egal ob sie in Deutschland, in Polen, in Spanien oder woanders in der EU wohnen, als auch für alle EU-Bürger, seien es deutsche, polnische oder etc., die in Großbritannien wohnen. Der richtige Ansatz ist: Wir müssen versuchen, einheitliche Regelungen – kaum einer kennt die komplizierten Regelungswerke der Europäischen Union – zu erreichen, zum Beispiel in der Frage der Sicherheit von Rentenansprüchen im Heimatland und im Wohnsitzland, zum Beispiel in der Frage der Sicherung der Gesundheitsversorgung, zum Beispiel in Krankenversicherungsfragen, zum Beispiel hinsichtlich der Ansprüche auf soziale Leistungen. Wir müssen verhindern, dass all dies ersatzlos wegfällt, und müssen – bei allem, was notwendig ist – dafür sorgen, dass der bisherige Status bzw. Standard so weit wie möglich erhalten werden kann. Es hat allerdings keinen Zweck, den Menschen vorzumachen, wir könnten denselben Status wie bisher gewährleisten. Aber wir müssen den Schaden, der aufgrund des Austritts Großbritanniens entsteht, so gering wie absolut nötig halten. Das ist der wesentliche Ansatz.
Weitere Punkte sind natürlich die Verpflichtungen Großbritanniens sowie Wirtschaft und Handel.
Herr Kollege.
Ich weiß, es blinkt hier schon.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Detlef Seif.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7102686 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat |