27.04.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 231 / Tagesordnungspunkt 4

Lisa PausDIE GRÜNEN - Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, es werden tatsächlich jetzt Gesetze vorgelegt, die vorgeben, etwas grundlegend zu verändern. Herr Binding hat vonseiten einer der die Regierung stellenden Fraktion sehr schön dargestellt, dass doch nicht so viel zu erwarten ist. Das ist ziemlich verheerend angesichts dessen, was doch eigentlich ansteht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben alle miteinander die Panama Papers im April 2016 wahrgenommen und gesehen, in welch gigantischem Ausmaß Briefkastenfirmen dazu benutzt werden, Vermögen in Steueroasen zu verstecken, Vermögen, das aus kriminellen Geschäften stammt und so gewaschen wird, Vermögen, das schlichtweg vor der Steuer versteckt wird. Allein die Kanzlei Mossack Fonseca hat 2 000 Milliarden Dollar durch 300 000 Briefkastenfirmen in Panama und auf anderen kleinen Inseln für Klienten in Steuerparadiese geschleust. 14 000 Banken und auch Rechtsanwaltskanzleien waren an den Transaktionen beteiligt – eigentlich unfassbar, meine Damen und Herren.

Internationale Steuerhinterziehung kann man nicht ausschließlich national bekämpfen. Das ist wahr. Aber falsch ist es, zu behaupten, dass man es nur international tun könne. Bis zur Veröffentlichung der Panama Papers war aber genau das die Haltung von Ihnen, Herr Schäuble, und von der gesamten Bundesregierung.

Mit diesem Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung gibt es – welche Überraschung – jetzt doch Maßnahmen auch auf nationaler Ebene, Maßnahmen, die seit langem im grünen Forderungskatalog standen. Aber leider wurde dann eben doch vieles nicht übernommen, und es fehlen wichtige Maßnahmen. Herr Binding hat mir netterweise schon einiges vorweggenommen. Aber ohne diese Maßnahmen geht es eben nicht, wenn man es wirklich ernst mit der Steuergerechtigkeit meint.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung ist deswegen bestenfalls halbherzig, vergleicht man es mit dem, was man hätte tun können, tun müssen. So findet sich auch auf Seite 2 des Gesetzentwurfes der schlichte Hinweis, dass mit Steuermehreinnahmen aufgrund dieses Gesetzes jedenfalls nicht gerechnet werden kann.

Ich möchte nur zwei Beispiele für Ihre Halbherzigkeit nennen. Ja, die Abschaffung des Bankgeheimnisses ist gut, auch die neuen Anzeigepflichten sind richtig und wichtig. Aber warum gelten diese Meldepflichten nur für Briefkastenfirmen außerhalb der Europäischen Union? Briefkastenfirmen gibt es, wie wir wissen, auch innerhalb der Europäischen Union. Probleme mit Ländern wie Malta, Zypern, aber auch immer noch der Schweiz, sind hinlänglich bekannt. Warum gelten sie nur für Banken, aber eben nicht für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und andere Dienstleister im Finanzbereich, da doch auch sie Briefkastenfirmen vermitteln?

Solange es weiterhin so einfache Auswege gibt, droht dieses Gesetz nur den Sitz und den Vertriebsweg der Briefkastenfirmen deutscher Steuerpflichtiger zu verlagern, statt tatsächlich die Steuersümpfe endlich trockenzulegen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen zählen im Kampf gegen die Steuerhinterziehung nicht nur die Tonnen Papier, die man mit Gesetzen produziert. Der Ernst der Absichten spiegelt sich vor allem darin wider, mit welchen Ressourcen man die Behörden zur Umsetzung des Gesetzes ausstattet. Solange in Deutschland völlig unterbesetzte, föderal zersplitterte, für diese Fälle nicht spezialisierte Steuerverwaltungen weiterhin Heerscharen von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und ganzen Steueroptimierungsabteilungen in Banken allein gegenüberstehen, so lange wird der Kampf gegen Steuerhinterziehung ein aussichtsloser Kampf bleiben.

Genau aus diesem Grunde fordern wir Grünen eine neue Steuerspezialeinheit auf Bundesebene, besetzt mit Experten der bestehenden Steuerverwaltungen, mit Fachleuten, die bisher in Steuerberatungsgesellschaften und Konzernsteuerabteilungen tätig sind, sowie mit Wissenschaftlern. Eine so geschaffene neue Behörde wäre für die Veranlagung und Prüfung von Konzernen und Einkommensmillionären zuständig. Sie wäre endlich eine Institution auf Augenhöhe, die dafür sorgt, dass Steuergesetze tatsächlich wieder für alle Steuerpflichtigen in Deutschland gelten, unabhängig vom Geldbeutel, unabhängig vom Steuerberater und unabhängig vom Bundesland. Wir haben einen entsprechenden Antrag eingebracht. Sie haben ihn nicht einmal ernsthaft diskutiert.

So bleibt am Ende schlichtweg nur festzuhalten: Herr Schäuble und die Große Koalition sind beim Kampf gegen Steuerhinterziehung ganz groß in der öffentlichen Kampfrhetorik, aber ganz klein in der tatsächlichen Wirkung.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Spürbar mehr Steuergerechtigkeit wird es mit diesen Gesetzen nicht geben, und die einzig passende Reaktion von unserer Seite darauf ist die Enthaltung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Dr. Hans Michelbach das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7102708
Wahlperiode 18
Sitzung 231
Tagesordnungspunkt Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken
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