27.04.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 231 / Tagesordnungspunkt 5 + 38

Karl SchiewerlingCDU/CSU - Rentenpolitik

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Birkwald, Ihre Darstellung des österreichischen Rentensystems glich einem beeindruckenden Feuerwerk.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Danke schön!)

Leider haben Sie vergessen, zu sagen, welche Nachteile es hat.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Keine!)

Es hat zum Beispiel gegenüber dem deutschen Rentensystem den Nachteil, dass man erst einmal 15 Jahre arbeiten muss und nicht 5 Jahre, bis man einen Rentenanspruch hat. Sie haben nicht dargestellt, dass die Österreicher im Augenblick riesige Probleme mit der Finanzierung ihres Rentensystems haben.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Falsch!)

Sie haben nicht dargestellt, dass man im Augenblick dabei ist, die hochgelobte Frauenrente abzusenken, weil sie so nicht mehr zu finanzieren ist. Sie haben völlig vergessen, darzustellen, dass die Österreicher wegen ihrer hohen Haushaltsverschuldung Probleme am Arbeitsmarkt haben und es zu einem Aufwuchs an Arbeitslosigkeit kommt. Sie haben völlig vergessen, darzustellen, dass es einen Zusammenhang zwischen Rente, Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Staatsverschuldung gibt. Die Dinge müssen zusammen gesehen werden. Wer den Scheinwerfer solitär, ausschließlich auf glückliche Rentner richtet, darf sich nicht wundern, wenn er hinterher ins kurze Gras kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, pünktlich zu den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen und zum Aufgalopp zur Bundestagswahl wird ein Antrag der Linken vorgelegt. Er wurde bereits im Januar beschlossen, wird aber erst jetzt, Ende April, auf den Tisch gelegt, damit vor den Landtagswahlen Drive in die Sache kommt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Richtig!)

Herr Kollege Schiewerling, der Kollege Birkwald möchte eine Zwischenfrage stellen.

Nein, ich lasse keine Frage zu.

Sie lassen keine Frage zu. Danke schön.

Nein. Er kann nachher eine Bündelfrage stellen. Dann ist das gut.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: „Bündelfrage“?)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen deutlich sagen: Wir als Unionsfraktion könnten uns zurücklehnen; denn die Darstellungen der Linken kennen wir mittlerweile. Eigentlich geht es darum, sein Mütchen an der SPD zu kühlen, sich an der SPD abzuarbeiten. Wir von der Union könnten uns zurücklehnen und sagen: „Sollen sie mal“;

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Warum reden Sie dann über die Erwerbsminderungsrenten Mitte Mai? Langohr sagt der eine Esel zum anderen!)

das tun wir aber nicht, weil es in der Tat einige Dinge gibt, die man in aller Deutlichkeit sagen muss.

Der erste und wichtigste Punkt ist: Die großen Probleme, die Sie im Rentenbereich beschreiben, existieren in dieser Form nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens. Wir müssen natürlich die Gesamtentwicklung, die unseren Planungen bis 2030 zugrunde lagen, berücksichtigen. Die Zahlen sind samt und sonders besser als ursprünglich angenommen. Die Renten steigen, das Rentenniveau steigt, und die Rücklage kann trotz zusätzlicher Ausgaben im Bereich der Rentenversicherung stabilisiert und sogar gesteigert werden. Wir haben stabile Renten mit stabilen Grundlagen.

Es geht um die Frage, was in den Jahren ab 2030, passieren wird. Wir stehen miteinander vor großen Herausforderungen und müssen dabei zwei Dinge berücksichtigen, die das Rentensystem in Deutschland betreffen – das gilt übrigens für jedes Rentensystem, für das umlagefinanzierte Rentensystem, das kapitalgedeckte Rentensystem und sogar für das österreichische System –: Es geht um Fragen der demografischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Entwicklung. Beide Entwicklungen – demografische und wirtschaftliche Entwicklung – bestimmen die Alterssicherung. Da es um die Zukunft der Rente geht, müssen wir alles tun, um unter diesem Eindruck die Stellschrauben richtig zu stellen. Das heißt, wir müssen schauen, dass die umlagefinanzierte Rente als Grundlage einer allgemeinen Alterssicherung erhalten bleibt. Natürlich können wir, wie Sie, Herr Birkwald, den Wunsch äußern, in das Rentensystem alle möglichen Gruppen mit eigenen Versorgungswerken zu integrieren, wie die Österreicher das machen. Das würde die Gruppe derjenigen verbreitern, die Rentenversicherungsbeiträge einzahlen, aber auch die Gruppe derjenigen, die Renten bekommen. Das würde nicht nur mehr Einnahmen, sondern auch mehr Ausgaben bedeuten.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)

Und das heißt keineswegs, dass die Risiken, die damit verbunden sind, auf einmal über Nacht verschwunden wären.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben eine Situation in Deutschland, in der wir – anders als Sie das darstellen, Herr Birkwald – einen Aufwuchs an Beschäftigung der über 60-Jährigen haben; es gibt eine deutliche Zunahme an Menschen, die über ihr 60. Lebensjahr hinaus in Beschäftigung sind. Das alles kann noch besser werden. Dafür haben wir in dieser Koalition gemeinsam die Flexirente eingeführt. Wir haben dadurch Wege eröffnet, dass man den Ausstieg aus dem Berufsleben gleitend gestalten kann.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

Ich bin sicher, dass die Flexirente ihre Wirkung entfalten wird.

Aber was nicht geht, ist, dass das System der umlagefinanzierten Rente aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Hierbei gibt es im Wesentlichen vier Stellschrauben: der Beitrag, der eingezahlt wird, das Rentenniveau, die Rücklage bzw. der Zuschuss des Staates und natürlich die Rentenlaufzeit. Es geht nicht, dass wir nach Belieben an den Schräubchen drehen;

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht nach Belieben! Nach Sinn und Unsinn! Nach Notwendigkeit!)

denn letztendlich ist es ein mathematisches System, das in sich stimmig ist und im Gleichgewicht gehalten werden muss. Darüber, wie das zu geschehen hat, gibt es im Augenblick Auseinandersetzungen.

Ich freue mich sehr, dass es hier im Hohen Haus eine breite Mehrheit gibt, die nicht infrage stellt, dass die umlagefinanzierte Rente das stabilste System ist, das wir haben.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir auch nicht! Wir wollen sie stärken!)

Es ist gut, dieses System weiterhin zu stabilisieren. Wir müssen alles tun, dass es weiterhin seine Wirkung entfalten kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will darauf hinweisen, dass wir dabei sind, die betriebliche Altersvorsorge, also die zweite Säule, und die private Altersvorsorge, also die dritte Säule – beide leiden unter den Kapitalmärkten –, zu stabilisieren, damit auch sie für die Bevölkerung besser ihre Wirkung entfalten können, auch für diejenigen, die Geringverdiener sind, die weniger Geld haben. Ihnen wollen wir helfen, über diesen Weg die Basis für ihre Alterseinkünfte zu verbessern.

Aber Grundlage dafür, dass die Rente altersfest ist, eine Zukunft hat und auch eine Sicherung für das Alter darstellt, sind im umlagefinanzierten Rentensystem die Beiträge, die man eingebracht hat. Was wir nicht wollen, ist, dass die Rente ein Gemischtwarenladen von Beiträgen, die man selbst erwirtschaftet hat, und von sozialen Fürsorgeleistungen wird. Wenn diese Dinge miteinander vermischt werden, ist nicht mehr klar, was jeder selbst eingebracht hat. Wir werden damit den Menschen, die ihre Rente durch eigene Beiträge erwirtschaftet haben, unter dem Strich nicht gerecht. Deswegen werden wir, was die zukünftige Altersabsicherung angeht, schauen müssen, wie wir die Dinge miteinander kombinieren.

Ein wichtiger zentraler Punkt ist natürlich, was wir tun, damit möglichst viele Menschen in Erwerb kommen, in Erwerb bleiben und entsprechend mit guten Einkünften für ihre Alterssicherung sorgen können. Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik besteht eine Aufgabe im Bereich der Bildung. Es geht – das ist gar keine Frage; das bereitet uns große Sorgen – um die Langzeitarbeitslosen im SGB-II-Bereich und vor allem um diejenigen, die noch jung sind, nämlich um die 6 Prozent, die den Schulabschluss nicht schaffen. Das sind jedes Jahr in Deutschland 80 000 Jugendliche, die dadurch eine schlechte berufliche Perspektive haben. Ihre Altersvorsorge treibt uns um. Wir müssen für die Zukunft klären, was wir mit diesen Kindern und Jugendlichen machen. Welche Perspektiven können wir entwickeln? Daran werden wir arbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich betrachte diese Frage als die eigentliche soziale Frage der Zukunft. Wir sollten jedem in diesem Land Chancen und Wege eröffnen. Wir sollten jedem – das gebietet die soziale Gerechtigkeit – Chancen zur Teilhabe geben. Wir sollten jedem die Möglichkeit eröffnen, seine eigenen Potenziale zu entfalten, sodass er sich seine Alterssicherung selbst erwirtschaften kann und nicht auf Fürsorge des Staates angewiesen ist; sie sollte nur dann notwendig sein, wenn anderes nicht reicht. Diese Wege müssen wir konsequent gehen. Ich glaube, dass wir damit letztendlich den Menschen dienen.

Das ist etwas anderes als das Malen eines bunten, hochalpinen Bildes des Herrn Kollegen Birkwald, der glaubt, er könnte einen bestimmten Aspekt aus Österreich hierhin übertragen, alles andere ausblenden und damit völlig außer Acht lassen, vor welchen Herausforderungen auch Österreich steht.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Aber mehr Rente kriegen die da!)

Es ist eine Frage der Ehrlichkeit, auch dies zu sagen. Ich habe in meiner Rede das deutlich gemacht. Leider ist mein Beitrag im Fernsehen ausgeblendet worden,

(Zurufe von der LINKEN: Oh! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Unfassbar!)

weil es der Berichterstattung nicht passte.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

Vielen Dank. – Bevor der Kollege Markus Kurth das Wort erhält, hat der Kollege Birkwald um eine Kurzintervention gebeten.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7102721
Wahlperiode 18
Sitzung 231
Tagesordnungspunkt Rentenpolitik
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