27.04.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 231 / Zusatzpunkt 2

Kirsten LühmannSPD - Aktuelle Stunde zu verschärften Abgastests in Europa

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Sehr verehrte Anwesende! Warum reden wir heute über dieses Thema? Das hat zwei Gründe: Der erste Grund ist der Klimawandel, der zu einem großen Teil von CO 2 verursacht ist. Der zweite Grund ist die Tatsache, dass die Luftqualität in vielen großen deutschen Städten immer schlechter wird. Zu beiden Sachverhalten trägt der Straßenverkehr nicht unerheblich bei.

Ja, wir müssen dort mehr tun. Allerdings, liebe Kollegen und Kolleginnen, wenn ich die einfachen Lösungen höre, die hier in einigen Reden präsentiert werden, sage ich: Das greift wesentlich zu kurz und ist vielleicht auch dem beginnenden Wahlkampf geschuldet. Wenn wir zu den Bürgern und Bürgerinnen in unserem Land wirklich ehrlich sind, dann müssen wir ihnen sagen: Einfache Lösungen gibt es nicht, sondern wir brauchen ein abgestimmtes Programm. Ich möchte auf einige Punkte eingehen.

Der erste Punkt, auf den ich eingehe, beinhaltet das, was wir für die Zukunft machen müssen. Es wurde schon gesagt: Die Tatsache, dass das UBA festgestellt hat, dass auch die neuesten Fahrzeuge im realen Betrieb sechsmal mehr Abgas ausstoßen, als wir in einer Richtlinie festgelegt haben, kann ich als Betrug bezeichnen.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Herbert Behrens [DIE LINKE]: So ist es!)

Ich verstehe, wenn die Menschen sagen: Wir sind betrogen worden. – Ja. Aber es ist ein Unterschied, ob wir sagen: „Das ist Betrug“, oder ob es in juristischem Sinne Betrug ist.

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das hilft der Gesundheit wenig, Frau Lühmann!)

Leider, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist es im juristischen Sinne kein Betrug; denn sonst könnte die Bundesregierung handeln; sonst könnten wir es unterbinden. Es geht nicht, und das ist das, was uns hier so aufregt.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt: Wir müssen das verhindern. Und das tun wir auch.

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Dann stünde ich aber jeden Tag auf der Matte der Autokonzerne! Die Autobosse nicht zum Frühstück, sondern zum Rapport einladen!)

Wir haben zukünftig ein neues Prüfverfahren. Eine Überschreitung des Grenzwerts um das Sechsfache ist in Zukunft nicht mehr möglich.

Damit wir das noch besser überprüfen können, muss zur Unterstützung noch etwas geschehen. Zukünftig muss, wie gesagt, bei neuen Typgenehmigungen die Motorsteuerungsstrategie offengelegt werden. Das haben wir leider noch nicht überall; in Deutschland ist das von der Bundesregierung angeregt worden. Nur wenn auch die gesamte Motorsteuerung hinterlegt wird, können wir überprüfen, ob das, was angegeben wird, real ist oder ob es hintenherum nicht doch noch irgendeine Betrügerei gibt.

Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wenn wir solche Regeln aufstellen, müssen wir auch deren Einhaltung überprüfen können. Was nützt mir da, sehr geehrter Herr Krischer, eine europäische Behörde, die eine nationale Typgenehmigungsbehörde überprüft, wenn diese Typgenehmigungsbehörde ein zahnloser Tiger bleibt?

(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das verstehe ich nicht!)

Das bringt uns gar nichts. Wir müssen vielmehr endlich regeln, dass die Feldüberwachungen anders durchgeführt werden, als sie bis jetzt durchgeführt werden,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum tut das denn der Verkehrsminister in der von Ihnen mitgetragenen Bundesregierung nicht?)

dass bei uns das Kraftfahrt-Bundesamt vernünftige Instrumente in die Hand bekommt. Wir zum Beispiel sind der Meinung, dass bei den Feldüberwachungen auch der CO 2 -Ausstoß mit überprüft werden kann. Natürlich macht das UBA das jetzt schon. Aber die können doch mit den Ergebnissen nichts machen, weil sie keine rechtliche Handhabe haben.

Wir wollen also, dass die Feldüberwachungen vernünftig durchgeführt werden. Und wenn wir dann feststellen, dass es zwischen den Nationen unterschiedliche Auffassungen gibt, dann nützt uns auch die von Ihnen vorgeschlagene europäische Behörde nichts; wir brauchen vielmehr eine klare Entscheidung von der EU, welche Rechtsauffassung denn nun die richtige ist. Ob Sie das „Clearingstelle“ oder „Überwachung“ nennen, ist mir völlig egal. Ich will nur, dass so ein Fall nicht wieder eintritt, wie wir ihn jetzt mit Fiat haben: Wir stellen etwas fest, kommen aber an die Typgenehmigungsbehörde in Italien nicht heran, und Europa sagt nur: Wollen Sie nicht einmal ein Gespräch führen? – Das reicht mir nicht. Ich erwarte von Europa, dass zukünftig eingeschritten wird.

(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen die, aber Herr Dobrindt hindert sie daran!)

Wir brauchen auch mehr und deutlichere Sanktionen. Wir haben Sanktionsmöglichkeiten in Deutschland. Wir können die Typgenehmigung entziehen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das trifft doch die Falschen. Wen trifft das nämlich? Das trifft die Leute, die sich in gutem Glauben ein Auto gekauft haben und das dann plötzlich nicht mehr fahren dürfen. Insofern finde ich das sehr richtig, was wir gemacht haben: nämlich Nachrüstung gefordert, sodass die Leute weiter fahren können. Ich möchte also abschreckende Sanktionen, ohne dass jahrelang überprüft wird: Welcher Ingenieur hat wo eine falsche Zahl eingetragen? – Nein, wer betrügt, muss zahlen, und zwar jetzt und sofort.

(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum ist die Bundesregierung dann dagegen? – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Wo ist der Antrag dazu? Den würden wir gerne einmal sehen!)

Beim letzten Punkt geht es um das, was wir jetzt machen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Luft in unseren Städten besser wird. Herzlichen Dank an unsere Umweltministerin Barbara Hendricks, dass sie deutlich aufgezeigt hat, wo die Handlungsnotwendigkeiten sind, und gesagt hat: Zur Not brauchen wir ein Fahrverbot.

(Zustimmung der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Ich empfinde das als Warnung für uns. Das wollen wir nicht, weil auch das die Falschen trifft. Aber wenn wir jetzt nichts tun, wird das die letzte Möglichkeit sein. Also müssen wir etwas tun. All denen, die meinen, wir könnten uns als Bund heraushalten, das sei nicht unsere Aufgabe, sage ich ganz deutlich: Wir müssen etwas tun. Wir müssen Elektromobilität mehr fördern. Wir müssen Elektrobusse mehr fördern. Wir müssen Flotten mehr fördern. Und wir müssen uns auch um die Nachrüstung vorhandener Fahrzeuge kümmern.

Sie sehen also: Wir haben schon viel getan, aber es ist noch viel zu tun. Ich freue mich auf die nächste Legislatur. Die Arbeit wird uns wahrlich nicht ausgehen. Ich bin sicher: Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, werden wir das hinbekommen – zum Wohl unserer Bevölkerung in den Städten und auf dem Land.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Ulrich Lange von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sehr guter Mann!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7102768
Wahlperiode 18
Sitzung 231
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu verschärften Abgastests in Europa
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