Thomas de Maizière - Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel des Gesetzes, das wir heute in zweiter und dritter Lesung verabschieden wollen, kommt unprätentiös daher. Aber es geht um weit mehr als um die Neustrukturierung eines Gesetzes. Es geht um nichts weniger als die Zukunft deutscher Polizeiarbeit.
Seit einem Jahr ist mein Haus damit beschäftigt, die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das vor fast genau einem Jahr, am 20. April 2016, verkündet wurde, zu ziehen und die Anforderungen aus der europäischen Datenschutzrichtlinie für die Zusammenarbeit im Polizei- und Justizbereich umzusetzen. Ich habe mich früh dazu bekannt, diese anspruchsvolle Aufgabe nicht sozusagen minimalinvasiv vorzunehmen, sondern als richtige Chance zu nutzen. Der Gesetzentwurf setzt natürlich alle Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils um, aber steckt die Aufgaben weiter.
Das neue BKA-Gesetz macht den Weg frei für eine moderne polizeiliche IT-Infrastruktur, eine Infrastruktur, die das Fundament für gute, rechtsstaatliche Polizeiarbeit auf einem neuen Niveau darstellt. Jede Polizistin, jeder Polizist soll sämtliche Informationen phänomenübergreifend zusammenführen und nutzen können, die sie oder er braucht und wenn sie oder er dazu berechtigt ist. Eine Unterteilung des Informationsaufkommens in verschiedene Datentöpfe wird überflüssig.
All denen – vor allen Dingen den Grünen –, die in der Abkehr von der Datenhaltung in getrennten Dateien den Untergang des datenschutzrechtlichen Abendlandes befürchten, sage ich: Ihre Kritik geht an der Sache vorbei.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
In der Geburtsstunde der polizeilichen Datenlandschaft und der Informationsverbindungen zwischen Bund und Ländern war technisch und organisatorisch schlicht nichts anderes möglich und vorstellbar, als in Dateien zu denken und die analoge, papiergebundene Arbeit in das damals technisch Machbare umzusetzen.
Das ist aber heute nicht mehr State of the Art, nirgendwo: weder technisch, auch nicht datenschutzrechtlich, noch kriminaltaktisch, auch nicht sicherheitspolitisch. Mit dem neuen BKA-Gesetz ändern wir das, und zwar in verfassungsrechtlich zulässiger Art und Weise und unter Nutzung modernster Technik, die wir mit modernem Datenschutz verbinden. Der Gesetzentwurf sieht, anders als es in Ihrem Entschließungsantrag steht, keine neuen Speicherbefugnisse für das BKA vor. Die Abkehr von der Speicherung in Dateisystemen führt zu keiner weiter reichenden Speicherung als bisher. Insofern geht Ihre Kritik ins Leere.
Aber das neue System ermöglicht es, personen- und ereignisbezogene Daten zusammenzuführen und Zusammenhänge besser zu erkennen. Das ist für die Sicherheit besser. Das ist für die Polizei effektiver. Und das heißt trotzdem eben nicht weniger Datenschutz. Daten werden gekennzeichnet, um jedem Bearbeiter deutlich zu machen, in welchem Umfang das jeweilige Datum weiterverarbeitet werden kann. Und schließlich – das geht in dem System getrennter Datentöpfe, das wir jetzt haben, schon technisch nicht – gibt es eine Vollprotokollierung aller Datenverarbeitungsvorgänge, auf die die Bundesbeauftragte für den Datenschutz vollen Zugriff hat.
Mit diesem Gesetz schaffen wir also die Voraussetzungen dafür, dass die deutschen Polizeien die heute verfügbare Technik auch nutzen können – zum Sicherheitsgewinn aller. Die Planungen im Bundeskriminalamt und in den Bund-Länder-Gremien zur Umsetzung dieses Gesetzes laufen auf Hochtouren. Hinter dem Arbeitstitel „Polizei 2020“ verbirgt sich ein Großprojekt, das die Polizeien in Bund und Ländern lange beschäftigen wird. Das neue BKA-Gesetz legt hierfür heute den Grundstein.
Daneben – ich habe es schon erwähnt – setzen wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um und führen die Möglichkeit ein, dass auch das Bundeskriminalamt im Bereich terroristischer Gefahrenlagen die Fußfessel einsetzen kann, um Gefährder besser beobachten zu können, obwohl wir wissen, dass die Fußfessel nicht die allein selig machende Lösung in der Terrorabwehr ist. Das hat auch niemand behauptet.
Meine Damen und Herren, heute werden wir Großes für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger beschließen, und das im Stundenrhythmus. Gleich beschließen wir das BKA-Gesetz. Im Anschluss beschließen wir die Änderungen der §§ 113 und 114 des Strafgesetzbuches. Damit werden wir die Strafen bei Angriffen auf Polizeibeamte und Rettungskräfte bei jeder Diensthandlung erhöhen – ein wichtiger Schritt und ein Zeichen für alle, die Tag und Nacht ihren Kopf für unsere Sicherheit hinhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Dann stimmen wir über das neue Bundesdatenschutzgesetz ab. Auch das ist ein grundlegendes Werk; ich werde dazu später noch etwas sagen. Ohne das neue Datenschutzrecht, ohne die neuen auf das BKA anwendbaren Regelungen, wäre das neue BKA-Gesetz gar nicht vollständig. Danach weiten wir – auch noch heute – das Maßregelrecht bei extremistischen Straftätern aus. Wir ermöglichen damit eine bessere Überwachung von Gefährdern, um unsere Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen. Am Abend machen wir den Weg für den Austausch der Fluggastdaten frei. Dem BKA wird damit als deutsche Fluggastdatenzentralstelle ein wirkungsvolles Instrument im Kampf gegen Terrorismus und schwere Kriminalität in die Hand gegeben. Ferner liegt dann das veränderte Europol-Gesetz zur Beschlussfassung vor, das diesen Kampf grenzüberschreitend erleichtern wird. Mit dem neuen Sicherheitsüberprüfungsgesetz schützen wir den öffentlichen Dienst noch besser vor Extremisten und Spionen.
Dieser Tag ist also ein besonderer Tag. Wir ernten heute gemeinsam die Früchte harter Arbeit der vergangenen Monate auch in der Koalition. Es ist ein Reigen an Sicherheitsgesetzen, der sich in ein sicherheitspolitisches Gesamtgefüge einpasst und den Herausforderungen unserer Zeit gerecht wird. Heute ist ein guter Tag für die Sicherheit und ein guter Tag für Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Herzlichen Dank, Herr Minister. – Als nächste Rednerin spricht die Kollegin Martina Renner von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7102778 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes |