Uli GrötschSPD - Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es gestern im Ausschuss gesagt und ich sage es gerne auch heute noch einmal, weil mir das wirklich ein Anliegen ist. Was den Einsatz des sogenannten Staatstrojaners und die Thematik der Onlinedurchsuchung angeht: Eine entsprechende Einschätzung hierzu hat, glaube ich, viel damit zu tun, welchen grundsätzlichen Blick man auf die Sicherheitsbehörden in unserem Land hat. Ich möchte betonen: Unser Blick ist ein klarer, und wir haben keinen Zweifel daran, dass die Polizeibehörden, das Bundeskriminalamt in diesem Fall, die Instrumente, die wir als Gesetzgeber ihnen an die Hand geben, so nutzen, wie es im Gesetz vorgesehen ist und dass sie verantwortungsvoll für die Ermittlungsarbeit und für sonst gar nichts eingesetzt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mit dem vorliegenden Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes bringen wir einen Gesetzentwurf zum Abschluss, der dem Bundeskriminalamt – eigentlich allen Polizeibehörden in Deutschland – die Tür ins 21. Jahrhundert öffnet. Ein Kompliment ist es im Grunde nie, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz an uns zurückgibt. In diesem Fall aber sagt das Urteil auch, dass die verdeckten Überwachungsmaßnahmen grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die geforderten Nachjustierungen bezüglich der Bestimmtheit, der Verhältnismäßigkeit oder der richterlichen Kontrolle der Maßnahmen setzen wir mit diesem Gesetz um.
Wir begrüßen es, dass das Urteil auch Anlass war, eine komplette Neustrukturierung der polizeilichen Datenbanksysteme von Bund und Ländern unter dem Dach des Bundeskriminalamtes in Angriff zu nehmen; natürlich gab es darüber hier im Parlament Diskussionen. Wir wollen mit einer zentralen Datenbank und einem polizeilichen Informationsverbund, also mit einer komplett neuen IT-Architektur, dem Bundeskriminalamt den Weg ins 21. Jahrhundert ebnen. Wer sich dem versperrt, setzt weiterhin auf einen Datenflickenteppich aus 19 unterschiedlichen Dateien, auf eine Infrastruktur, die aus den 1970er-Jahren stammt. Das kann nicht der Anspruch einer modernen Sicherheitspolitik sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Wir wollen nicht, dass unsere Polizistinnen und Polizisten sehnsüchtig in unsere Nachbarländer blicken müssen, etwa nach Holland, weil die Kollegen dort mit modernster Technik und entsprechenden Befugnissen ausgestattet sind und dadurch leistungsfähiger fahnden können. Wir wollen technisch auf der Höhe der Zeit sein. Bildlich gesprochen: Wir wollen nicht, dass unsere Beamten Terroristen am Commodore 64 bekämpfen, obwohl Terroristen – das ist hinlänglich bekannt – verschlüsselt mit High-End-Geräten arbeiten.
Ich sage Ihnen, dass die Zeit des Nebeneinanderarbeitens, dass die Zeit der Länderbefindlichkeiten in Deutschland vorbei sein muss.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben eine Regelung gefunden, wie der Aufwand für die Länder bei der Übernahme der Altdaten in das neue Regime so gering wie möglich bleibt. Unser Vorschlag ist damit praxistauglich. Das haben wir im parlamentarischen Verfahren hinlänglich abgeprüft.
Der Terror macht nicht an Ländergrenzen halt. Das ist nun wirklich keine neue Erkenntnis. Das BKA muss und wird deshalb auch in Zukunft als Zentralstelle eine maßgebliche Rolle spielen. Ein Fall wie Anis Amri darf sich natürlich nie wiederholen. Die Maxime dabei lautet: Ein Ermittler in Bayern muss wissen können, dass ein Kollege in Nordrhein-Westfalen oder anderswo am selben Fall bzw. an derselben Person dran ist,
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch nicht das Problem, Herr Grötsch!)
und zwar nicht erst nach ein paar Tagen, sondern immer sofort.
Mit diesem Gesetz ziehen wir Konsequenzen aus dem Zuständigkeitswirrwarr nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz. Das ist immer ein Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit; das haben wir auch bei diesem Gesetzentwurf gesehen. Gerade wir Sozialdemokraten schielen immer in Richtung Freiheit und achten sehr genau auf die Verhältnismäßigkeit.
(Beifall bei der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie gehen halt nie hin! Schielen reicht nicht!)
Frau Renner, weil Sie eben den Albtraum Big Data – ewig speichern – angesprochen haben, möchte ich Ihnen eine gute Nachricht überbringen: Sie können aus diesem Albtraum aufwachen. Die Regelung, von der Sie eben gesprochen haben, ist im Gesetzentwurf so nicht mehr enthalten.
(Zuruf der Abg. Martina Renner [DIE LINKE])
Ich habe diese Regelung auch sehr kritisch gesehen – ich habe das in den Gesprächen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens immer gesagt –, weil sie im schlimmsten Fall bedeutet hätte, dass meine personenbezogenen Daten, auch wenn es sich dabei nur um Bagatelldelikte gehandelt hätte, unbegrenzt gespeichert worden wären. Es wäre gewissermaßen eine lebenslange Polizeiakte entstanden, und jeder neue Eintrag hätte zur Verlängerung der Aussonderungsprüffrist geführt. Ich bin sehr froh, dass das vom Tisch ist und wir den bisherigen Rechtszustand beibehalten, weil jeder die Möglichkeit haben muss, wieder eine weiße Weste zu bekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Gut, dass auch hier das Struck’sche Gesetz gegolten hat: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es reinkommt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sicherheitslücken, die es gibt, schließen wir. Manchmal schießt unser Koalitionspartner vielleicht ein bisschen übers Ziel hinaus.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: In die richtige Richtung!)
Dann müssen die Sozialdemokraten sie wieder einfangen.
(Lachen der Abg. Martina Renner [DIE LINKE])
Das gelingt insbesondere in Zusammenarbeit mit dem Bundesjustizministerium ganz hervorragend. Dafür darf ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Große Koalition forever! Love forever!)
Ein bisschen verwundert war ich daher schon, Herr de Maizière, über die ungewohnte Zurückhaltung des Bundesinnenministeriums bei der anstehenden Änderung des Waffenrechts. Anstatt eine eindeutige Regelung vorzulegen, damit die Waffenbehörden vor jeder Erlaubniserteilung eine Abfrage bei den Verfassungsschutzämtern über verfassungsfeindliche Einträge durchführen können, drucksen Sie herum und unterbreiten einen halbherzigen und sehr ungenauen Vorschlag. Wir sagen: Keine legalen Waffen an Extremisten.
(Zuruf von der CDU/CSU: Und keine illegalen! Überhaupt keine Waffen!)
Sie aber trauen sich nicht und zögern. Die bei allen anderen Fragen der Terrorabwehr an den Tag gelegte Entschlossenheit erwarte ich auch in dieser Sache. Wir werden hier nicht lockerlassen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Clemens Binninger [CDU/CSU])
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächste spricht die Kollegin Irene Mihalic von Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7102783 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes |