27.04.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 231 / Tagesordnungspunkt 11

Gerold ReichenbachSPD - Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuschauer auf der Tribüne! Wir haben fast alle ein Smartphone in der Tasche. Viele Haushalte haben inzwischen Geräte, die mit dem Internet verbunden sind und die Kamerafunktionen und Mikrofonfunktionen haben. Überall dort fallen massenweise Daten an: über uns als Person, über unser Verhalten. Wir gehen im Internet einkaufen. Wir nutzen elektronische Medien, um unseren Alltag zu organisieren. Überall fallen Daten an, die unser ganz persönliches Verhalten widerspiegeln.

In Zukunft werden wir intelligente fahrende Autos haben. Hinzu kommt das sogenannte Smart Home: Häuser, die technisch, elektronisch gesteuert werden, die sozusagen schon im Voraus wissen, wann wir unsere Heizung anschalten wollen oder wann das Garagentor geöffnet werden soll. Für all das braucht man Daten, in denen unser ganz persönliches Verhalten abgebildet ist. Deswegen ist es richtig und wichtig – das hat der Innenminister in seiner Rede deutlich gemacht –, dass wir diese Daten, die Aussagen über uns beinhalten, schützen, dass nur derjenige Kontrolle über diese Daten hat und sie freigeben darf, über den sie teilweise intimste Details enthalten. Darum geht es beim Datenschutz.

Wir haben in Deutschland durchaus ein gutes Datenschutzrecht. Aber in der digitalen Welt werden solche Dienste länderübergreifend angeboten. Herr Minister hat es angesprochen: Unser Datenschutz war oft nicht durchsetzbar, weil die Unternehmen, die uns ihre Dienste hier in Deutschland anboten, häufig in einem Land ansässig waren, in dem die Kontrolle oder die rechtlichen Anforderungen geringer waren.

Das ist ein Zustand, der für uns als Bürger – übrigens auch im Hinblick auf das Vertrauen in die weitere Digitalisierung, das Vertrauen in moderne Technik, die Daten kreiert – unhaltbar ist. Denn die Akzeptanz für moderne Technik hängt auch von Vertrauen ab. Und das Vertrauen wiederum hängt davon ab, ob ich sicher sein kann, dass am Ende mit dem, was andere über mich wissen, kein Missbrauch gegen mich betrieben wird. Darum geht es, wenn wir über Datenschutz reden. Wir reden hier nicht über die Daten, die auch Teil der modernen digitalen Welt und von Big Data sind und uns viele Informationen für die Verkehrslenkung, die Forschung und anderes bieten.

Mit der Datenschutz-Grundverordnung – Herr Minister hat es angesprochen – haben wir endlich die Möglichkeit, dies europäisch zu regeln. Das ist ein Riesenvorteil, weil jetzt der Verbraucher, der Bürger seine Rechte durchsetzen kann. Es gilt das Marktortprinzip: Da, wo Daten von europäischen Bürgern erhoben werden, gelten einheitliche Gesetze.

Das ist auch ein Vorteil für Unternehmen, denn jetzt gibt es Konkurrenzgleichheit: Überall in Europa werden sie auf die gleichen rechtlichen Voraussetzungen stoßen. Das ist auch eine Chance; denn damit haben wir erstmals einen einheitlichen Markt. Natürlich ist es nicht sehr interessant, bestimmte Dienstleistungen oder Geräte, die, was den Persönlichkeitsschutz betrifft, datenschutzfreundlich sind, nur für Deutschland zu entwickeln. Zudem gibt es die Konkurrenz der großen Märkte in Asien und den USA. Aber jetzt werden wir einen Markt haben, in dem all diese Regeln gelten, und damit gibt es für Unternehmen eine neue Chance.

Wir diskutieren heute die Anpassung des Bundesdatenschutzgesetzes an die europäische Verordnung. Mit Verlaub: Ein Teil der Kritik, die Frau Kollegin Pau vorgebracht hat, scheint von einem etwas älteren Sprechzettel zu stammen. Ja, es gab in der öffentlichen Debatte durchaus die eine oder andere Kritik an der Vorlage, die das Kabinett geliefert hat.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Lassen Sie mich vorab sagen: Es gab im Vorfeld eine breite Auseinandersetzung und Diskussion, weil zum Beispiel Unternehmen gesagt haben, dass sie dieses oder jenes Geschäftsmodell gerne weiter betreiben würden.

Ich danke ausdrücklich Heiko Maas und seinem Ministerium, die sich im Vorfeld, bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes, sehr stark für die Interessen der Verbraucher und für die Wahrung der Bürgerrechte eingesetzt haben.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir schmelzen schon dahin!)

Trotzdem gab es eine Reihe von Punkten, bei denen wir als SPD-Fraktion entweder der Auffassung waren, dass sie nicht ganz mit der europäischen Verordnung in Übereinstimmung zu bringen sind, oder bei denen wir meinten, es müsse im Sinne der Verbraucher und der Nutzer nachgebessert werden.

Es gab innerhalb der Koalition – dafür bin ich dankbar – eine sehr intensive Diskussion über die vorgebrachte Kritik, auch über das, was in den Ausschüssen und Anhörungen an Kritik vorgebracht wurde. Wir haben intensiv über das, was öffentlich zu dem Entwurf geäußert wurde, diskutiert. Der Ausfluss dessen war eine ganze Reihe von Änderungsanträgen, mit denen wir in der Koalition – wie ich glaube, im richtigen Maß – die kritischen Punkte ausgeräumt haben, aber gleichzeitig nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet haben.

Unser Ziel ist: Wir wollen die Persönlichkeitsrechte und die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher im digitalen Zeitalter erhalten und stärken und die Menschen nicht einer scheinbar unabwendbar grenzenlosen Ausforschung preisgeben. Wir haben den Entwurf durch Änderungsanträge an entscheidenden Stellen verbessert; darüber wurde auch in der Öffentlichkeit breit diskutiert.

Im Zentrum der Kritik – es ist angesprochen worden – stand die Wahrung der Rechte der Betroffenen. Grundsätzlich gilt, dass ein Betroffener darüber informiert werden muss, wenn seine Daten für andere Zwecke genutzt werden als jene, denen er zugestimmt hat. Der Regierungsentwurf sah zunächst vor, dass dies nicht mehr gelten soll, wenn dies für das Unternehmen mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden ist und dabei das Interesse des Betroffenen als geringer anzusehen ist.

Das würde aber bedeuten: Wenn ein Unternehmen besonders viele Daten sammelt, dann könnte es einen unverhältnismäßig hohen Aufwand bei der Information der Betroffenen geltend machen. Es könnte sozusagen mithilfe der Konstruktion seiner eigenen Datenverarbeitung dem Verbraucher seine Rechte vorenthalten, indem es sich auf diese Ausnahmeregelung beruft. Dies war nicht so gewollt; denn nur ein Kunde, der über die Weiterwendung seiner Daten informiert ist, kann dem widersprechen.

Und darum haben wir die Regelung auf den Kern begrenzt – das wurde in der Debatte zu Recht vorgetragen –, indem wir eine Ausnahme nur dort vorsehen, wo sie sinnvoll ist, nämlich dann, wenn es sich bei der Weiterverarbeitung um analoge Daten handelt. Denn es ist nicht sinnvoll, die Regelungen bei der automatisierten Datenverarbeitung, wo dies einfach zu bewerkstelligen ist, zu übernehmen. Wir wollen den Bäckermeister nicht dazu zwingen – wenn er seine Lieferantendatei dazu nutzen will, um zum Betriebsjubiläum einzuladen –, vorher eine Postkarte zu verschicken, auf der er ankündigt, dass er demnächst die Daten für die Einladung zum Betriebsjubiläum nutzen will. Deswegen haben wir die Ausnahme auf diesen engen Bereich der analogen Datenverarbeitung beschränkt, sodass am Ende die großen Datenverarbeiter dieses Argument des unverhältnismäßig hohen Aufwands eben nicht als Ausflucht heranziehen können. Gleichzeitig werden die kleinen Unternehmer nicht übermäßig belastet.

Das Gleiche gilt für das Recht auf Löschung. Auch hier war ursprünglich der unverhältnismäßig große Aufwand als Möglichkeit für eine Ausnahme vorgesehen. Aber auch hier gilt: Man könnte seine Datenbank ja so gestalten, dass die Löschung der Daten einen hohen Aufwand erfordert. Man könnte also von vornherein die Ausnahme sozusagen hineinprogrammieren. Deswegen haben wir die entsprechende Regelung auf den analogen Teil beschränkt.

Der dritte Punkt beinhaltete die Ausnahme für den Fall, dass die allgemein anerkannten Geschäftszwecke gefährdet würden. Auch hier waren weiter gehende Interpretationen möglich. Am Ende hätte man sogar die Aushebelung der Betroffenenrechte per se zum Geschäftszweck machen können. Das war so nicht gewollt. Daher haben wir uns darauf beschränkt, dass die Möglichkeit der Betrugsprävention etwa beim Versicherungsbetrug oder die Durchsetzung eigener Rechtsansprüche nicht behindert werden darf. Der Betroffene kann nachfragen: Welche Daten habt ihr von mir gespeichert? Das Gleiche gilt für das Recht auf Löschung.

Mit den vom Bundesrat angeregten Verbesserungen und mit einigen anderen Punkten haben wir insgesamt ein Gesetz gemacht, das im Bundesrat Zustimmung finden wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

Wir haben dort, wo Ausnahmeregelungen möglich sind, zum Beispiel beim Beschäftigtendatenschutz, diese zunächst einmal – das hat natürlich mit der Kürze der Zeit zu tun – dazu genutzt, die jetzigen Regelungen im Bestand zu erhalten. Aber meine Fraktion ist nach wie vor der Auffassung, dass wir ein eigenes Beschäftigtendatenschutzgesetz brauchen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Denn auch beim Beschäftigtendatenschutz muss man in der Lage sein, mit den neuen Herausforderungen einer digitalisierten Arbeitswelt zurande zu kommen. Dazu brauchen wir die entsprechenden Anpassungen. Mit den bestehenden Regelungen alleine werden wir die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern.

Ähnliches haben wir mit den Regelungen zum Scoring getan, also bei der Frage, was Auskunfteien über jemanden speichern und weitergeben dürfen. Auch da haben wir zunächst einmal das jetzige Verbraucherschutzniveau in den Entwurf des Anpassungsgesetzes übertragen. Es ist völlig unbestritten, dass der Datenschutz an dieser Stelle eigentlich der falsche Ansatz ist, weil es nicht um die Frage der Erhebung der Daten geht, sondern darum, welche Daten ich für das Profiling benutzen darf. Auch hier gilt: Wir von der SPD werden einen eigenen Gesetzentwurf zu diesem Bereich des Verbraucherschutzes auf der Tagesordnung behalten.

Insgesamt ist uns – das glaube ich im Gegensatz zu denjenigen, von denen wir hier Unkenrufe gehört haben – mit diesem Gesetzentwurf eine gute, europarechtskonforme Regelung gelungen, mit der wir den Zukunftsherausforderungen beim Persönlichkeitsschutz in einer immer weiter digitalisierten Welt gerecht werden. Ich muss ehrlich sagen: Ich bin auch ein Stück weit stolz auf das, was am Ende des Diskussionsprozesses herausgekommen ist.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Dr. Konstantin von Notz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7103052
Wahlperiode 18
Sitzung 231
Tagesordnungspunkt Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU
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