27.04.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 231 / Tagesordnungspunkt 16 + ZP 5

Fritz FelgentreuSPD - Förderung von Familien und Kindern

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.

Das sagte Albert Einstein, und er meinte die Wissenschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Für die Politik gilt das genauso. Die Grünen halten sich heute aber nicht daran, sondern sie krönen ihre unermüdliche Arbeit in der zu Ende gehenden Legislaturperiode mit einem Antrag, der die Forderungen von sieben älteren Anträgen zusammenfasst. Das ist schön; denn das gibt auch mir die Gelegenheit, einen Überblick darüber zu geben, was die Koalition in den letzten dreieinhalb Jahren nicht nur gefordert, sondern auch entschieden und auf den Weg gebracht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch Ihre Aufgabe als Regierung!)

– Richtig so.

Ihnen wie uns – ich zitiere Ihren Antrag – geht es um Geld, Zeit, Bildung und Teilhabe, um Familien gezielt zu unterstützen. Sie werden sehen: Es waren dreieinhalb gute Jahre für die Familien in Deutschland.

(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es!)

Das liebe Geld ist natürlich ein zentrales Thema für die Familienpolitik. Weil Geld etwas mit Teilhabe zu tun hat, war es für die SPD-Fraktion entscheidend, das Augenmerk auf die Familien zu richten, die eine Unterstützung am nötigsten haben. Deshalb haben wir zum Beispiel die Steuerentlastung für Alleinerziehende um knapp 50 Prozent erhöht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Besonders froh sind wir darüber, dass es uns endlich gelingt, den Unterhaltsvorschuss zu reformieren. Das ist das Geld, das der Staat vorstreckt, wenn ein getrennt lebendes Elternteil aus welchen Gründen auch immer keinen Unterhalt zahlt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

In Zukunft wird dieser Vorschuss bis zum 18. Geburtstag gezahlt. Das ist ein Riesenfortschritt für Alleinerziehende und ihre Kinder.

Schließlich haben wir den Kinderzuschlag erhöht; das ist schon mehrfach erwähnt worden. Diese Leistung können berufstätige Eltern beantragen, wenn ihr Einkommen so niedrig ist, dass sie ohne den Kinderzuschlag als Aufstocker zum Jobcenter gehen müssten.

Meine Damen und Herren, Sie erkennen den Grundgedanken, den wir bei all diesen Verbesserungen verfolgen: Wir wollen den Eltern dabei helfen, mit ihrer Arbeit für die eigene Familie zu sorgen und eben nicht in die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen zu geraten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Frau Dörner, Sie sagen in Ihrem Antrag selbst völlig zu Recht:

Das beste Mittel gegen Kinderarmut bleibt die Erwerbstätigkeit ihrer Eltern.

Ich füge auch als Antwort auf den Kollegen Müller hinzu: Es ist wahrscheinlich sogar das einzige Mittel; denn Armut definieren die Politik und die Wissenschaft bekanntlich nach dem Durchschnittseinkommen. Wer weniger als die Hälfte vom Durchschnitt einnimmt, gilt als arm. Das Durchschnittseinkommen wird aber immer deutlich über dem Einkommen von Menschen ohne Arbeit liegen; denn sogar wenn wir mehr staatliche Leistungen auszahlen, steigt der Durchschnitt weiter an. Deshalb führt nur Einkommen aus Arbeit zuverlässig aus der Armut.

Diese Beobachtung spricht übrigens nicht gegen Solidarität mit denen, die staatliche Hilfe brauchen. Sie trägt nur dazu bei, keine unrealistischen Erwartungen daran zu knüpfen.

Wenn es aber stimmt, dass nur Arbeit wirksam vor Armut schützt, dann muss sie das auch. Wer 40 Stunden die Woche arbeitet, muss ein anständiges Auskommen für sich und seine Familie haben. Deswegen war der SPD die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns so wichtig. Darin sind wir uns mit Kollegen Koob von der Union vollkommen einig.

(Beifall bei der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Glauben Sie, dass 8,84 Euro dafür reichen?)

Für Familien mit niedrigem Einkommen ist der Mindestlohn sicherlich der größte Fortschritt in den letzten drei Jahren.

Meine Damen und Herren, damit aber die Kinder von heute morgen selbst in der Lage sind, für sich und ihre Familien zu sorgen, ist vor allem eine gute Bildung wichtig. Kinder und Familie fördern wir am wirksamsten und am gerechtesten durch erstklassige Kitas und Schulen. Die Kinder in den härtesten Kiezen, in den Brennpunktquartieren, brauchen die besten Kitas und Schulen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])

Deshalb sind wir stolz darauf, dass diese Koalition den Ländern und Kommunen 6 Milliarden Euro zusätzlich für den Ausbau von Betreuung an Kitas und Horten zur Verfügung gestellt hat.

Die SPD hat außerdem durchgesetzt, dass nach Abschaffung des Betreuungsgeldes unseligen Angedenkens, Kollege Lehrieder, die dafür vorgesehenen Mittel zusätzlich an die Länder gehen, um Betreuung zu finanzieren.

(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: In Bayern bekommen es die Eltern nach wie vor!)

Und das sind 2 Milliarden Euro.

Als Sahnehäubchen hat der Bundestag heute beschlossen, über 1 Milliarde Euro für weitere 100 000 Kitaplätze in den nächsten vier Jahren bereitzustellen.

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Das ist doch kein Sahnehäubchen!)

Das sind Maßnahmen, von denen alle Familien in Deutschland massiv profitieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Damit Eltern mehr Zeit für ihre Kinder haben, haben wir die Elternzeit reformiert und das Elterngeld um das Elterngeld Plus ergänzt. Damit unterstützt der Staat Eltern dabei, sich gemeinsam um ihre ganz kleinen Kinder kümmern zu können.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Naja!)

Die Bilanz der Großen Koalition kann sich wirklich sehen lassen.

(Zuruf von der LINKEN: Nein!)

Aber dieser gemeinsame Erfolg bedeutet natürlich nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen können. Die Grünen weisen zum Beispiel zu Recht darauf hin, dass der Kinderzuschlag erstens nicht allen bekannt ist, die einen Anspruch darauf haben,

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Ungefähr 70 Prozent!)

und dass er zweitens mit ziemlich viel Bürokratie verbunden ist. Deshalb hat die SPD vorgeschlagen, den Kinderzuschlag in ein nach Einkommen gestaffeltes Kindergeld einzubeziehen.

Wir haben durchaus ehrgeizige Pläne für eine moderne Familienpolitik. Über die werden wir im Wahlkampf sicherlich noch heftig diskutieren. Dazu gehört zum Beispiel ein Programm für kostenlose Kitas und Schulhorte. Wir wollen nämlich keine finanziellen Hürden vor diesen wichtigen Bildungseinrichtungen aufbauen.

(Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD] – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten erst einmal Plätze schaffen und sie dann umsonst machen!)

Die Grünen kritisieren das. Sie sagen, wohlhabende Eltern seien gerne bereit, für gute Kitas zu bezahlen. – Das stimmt sicherlich auch. Wir Sozialdemokraten sind garantiert die Ersten, die sich dafür einsetzen, dass die starken Schultern mehr tragen als die schwachen.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])

Aber das wollen wir über ein gerechtes Steuersystem organisieren, nicht über Gebühren auf Bildung.

(Beifall bei der SPD – Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Ihr müsst nicht nur reden! Ihr müsst auch machen!)

Wer Schulgebühren ablehnt, der muss auch für gebührenfreie Kitas sein.

(Beifall bei der SPD – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Steuern wollen Sie denn erhöhen?)

Diese gebührenfreie Kita muss trotzdem gut ausgestattet sein, vor allem mit genug Erzieherinnen und Erziehern. Das ist die nächste Baustelle. Auch da ist noch viel zu tun.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Steuern wollt ihr denn erhöhen?)

Wir wollen einen Zuschuss für Eltern, die etwas weniger arbeiten wollen, um mehr Zeit für die Kinder zu haben. Wir nennen das Familienarbeitszeit, und die Union ist dagegen.

(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Ja!)

Darüber müssen wir im Wahlkampf streiten; dafür ist er da.

Über eines, lieber Kollege Marcus Weinberg – gerade tief ins Gespräch versunken –, müssen wir eigentlich nicht mehr streiten: Von Arbeitsministerin Andrea Nahles liegt ein wirklich guter Gesetzentwurf vor, mit dem wir Beschäftigten das Recht geben, aus Teilzeit wieder in Vollzeit zurückzukehren, wenn sie das denn wollen. Das betrifft eben ganz oft Mütter, wenn die Kinder aus dem Gröbsten heraus sind. Wir verstehen überhaupt nicht, warum die CDU/CSU diese vernünftige, familienfreundliche Regelung immer noch blockiert.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns das doch vor der Sommerpause noch gemeinsam anpacken. Wir helfen gerne dabei mit, Ihren Wirtschaftsflügel zu überzeugen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine familienfreundliche Arbeitswelt ist für die Zukunft unseres Landes heute wichtiger denn je.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da lacht er!)

– Ja, das ist so.

Jetzt ist aber die Redezeit deutlich abgelaufen.

Frau Präsidentin, Sie haben vollkommen recht. „ Zeit ist das, was man an der Uhr abliest“, sagt Einstein. Deswegen höre ich jetzt auch auf.

Danke schön.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Das sagt nicht nur Einstein. Vielen Dank, lieber Dr. Felgentreu. – Zum Schluss dieser Debatte spricht zu guter Letzt Paul Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Mann! Guter Mann!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7103117
Wahlperiode 18
Sitzung 231
Tagesordnungspunkt Förderung von Familien und Kindern
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