Klaus BarthelSPD - Änderung des Telekommunikationsgesetzes
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Abend für die Kundinnen und Kunden von Telekommunikationsunternehmen und Internetanbietern. Warum? Wir beschließen heute das Dritte Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes.
Worum geht es dabei?
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das weiß keiner so genau!)
Wir haben es jetzt wieder schwarz auf weiß bekommen: Der Ende März dieses Jahres von der Bundesnetzagentur veröffentlichten Breitbandstudie ist zu entnehmen, wie die Verbraucherinnen und Verbraucher, die Kundinnen und Kunden von den Internetanbietern in die Irre geführt werden. Nur jeder achte Kunde, nämlich 12,4 Prozent, erhält die volle Bandbreite, die zugesagt ist, die beworben wird. 70 Prozent bekommen gerade einmal die Hälfte dieser Bandbreite.
Stellen wir uns das einmal auf andere Produkte, auf andere Märkte übertragen vor: Wir wollen bis zu 1 Kilogramm Kartoffeln und kriegen 125 Gramm, wir wollen bis zu 3 Kilogramm Waschmittel und kriegen die Hälfte davon, oder wir kriegen eine ganz schlecht eingeschenkte Maß Bier.
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das kommt vor! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das gibt es nur in München!)
Im Geschäft oder in der Gaststätte würde man das nachwiegen oder nachmessen lassen und sofort reklamieren.
Bisher konnte der Kunde von Telekommunikationsunternehmen gar nichts dagegen tun. Es fing schon damit an, dass er gar nicht feststellen konnte, welche Bandbreite er tatsächlich hat. Bereits mit der Transparenzverordnung haben wir die Voraussetzung geschaffen, das eindeutig zu ersehen. Es muss jetzt ein standardisiertes Produktinformationsblatt geben, in dem ganz klar festgelegt ist, worin das Angebot besteht, worüber der Vertrag besteht. Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass die Bundesnetzagentur ein Mess-Tool anbietet. Das heißt: Jeder kann jetzt nachmessen lassen, welche Bandbreite tatsächlich bei ihm anliegt. In Zukunft können die Kundinnen und Kunden entweder die vertragliche Erfüllung einfordern, den Vertrag anpassen lassen, also möglicherweise einen günstigeren Tarif bekommen, die Schlichtungsstelle der Bundesnetzagentur anrufen oder eine Vertragsbeendigung anstreben.
Wir haben jetzt länger gebraucht, um diese dritte Lesung durchzuführen, weil wir auf die gerade erwähnte Messstudie der Bundesnetzagentur und den daraus folgenden Umsetzungsvorschlag warten wollten. Wir können damit die Vorgaben der Europäischen Union wirksam umsetzen und den Anforderungen der Kundinnen und Kunden gerecht werden. Es ist ganz wichtig, dass die Bundesnetzagentur diese umfangreiche Studie erstellt und dabei Ross und Reiter genannt hat. Es ist nämlich nicht selbstverständlich, dass – blame and shame – gesagt wird, welche Unternehmen gut und welche schlecht sind. Nun können wir umsetzen und festlegen, was die unbestimmten Rechtsbegriffe im europäischen Recht bedeuten, also was eine erhebliche, eine kontinuierliche oder eine regelmäßig wiederkehrende Abweichung bei der Geschwindigkeit des Breitbandanschlusses ist.
Anders als die Grünen sind wir der Ansicht, dass das nicht der Gesetzgeber festlegen kann. Das geht weder aus rechtlichen Gründen – die europäische Regelung gibt etwas anderes vor – noch aus sachlichen Gründen. Wir halten es vielmehr für vernünftig, dass unsere nationale Regulierungsbehörde, die Bundesnetzagentur, das macht, indem sie einen praktikablen und umsetzbaren Vorschlag macht, indem sie eine Anhörung dazu durchführt – die läuft jetzt gerade –, indem es in Zukunft einen jährlichen Bericht darüber geben wird, wie sich die Geschwindigkeiten tatsächlich entwickeln, also ob die Angaben eingehalten werden. Außerdem wird die Bundesnetzagentur in Zukunft vorschlagen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, damit die Bandbreiten tatsächlich erhöht werden können. Das heißt, das wird ein laufender Prozess sein. Das wäre durch eine starre gesetzliche Regelung nicht möglich; denn dann müssten wir andauernd das Gesetz ändern. Die Bundesnetzagentur ist nun dafür da, praktikable Vorschläge zu machen.
Nunmehr wird Folgendes vorgeschlagen: Bei stationären Breitbandanschlüssen liegt eine erhebliche, kontinuierliche oder regelmäßig wiederkehrende Abweichung vor, wenn nicht mindestens einmal 90 Prozent des Maximums erreicht werden, wenn die normale Geschwindigkeit nicht bei 90 Prozent der Messungen erreicht wird und wenn die Mindestgeschwindigkeit auch nur einmal unterschritten wird. Das ist die sogenannte 90/90/0-Regelung. Auch Art und Umfang der Messungen werden festgelegt. Man kann da also nicht schwindeln. Die Bundesnetzagentur und das Mess-Tool messen zu vorgegebenen Zeiten. Das heißt, wir haben das, was im Entschließungsantrag der Grünen gefordert wird, übererfüllt.
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nicht ganz!)
Das Einzige, was übrig bleibt, sind die sogenannten wirksamen, abschreckenden Sanktionen. Auch wir wollen solche Sanktionen. Aber wir müssen sehen, dass wir uns hier im Privatrecht bewegen. Alle, die immer für Privatisierung und Wettbewerb sind, müssen sich daran gewöhnen, dass das Zivilrecht Verstöße nicht ohne Weiteres als Ordnungswidrigkeit qualifizieren und sanktionieren kann, sondern dass es dafür besondere Regelungen braucht. Nun schaffen wir allerdings in einem zweiten Schritt die Voraussetzungen, dass Sanktionen und Bußgelder verhängt werden können, und zwar in nicht unerheblicher Höhe, aber nur dann, wenn Abweichungen festgestellt worden sind.
Da die Redezeit nicht mehr ausreicht, will ich nur noch darauf hinweisen, dass dieses Gesetz weitere sinnvolle Regelungen enthält, wie beispielsweise die Ausweitung des Zugangs für Gehörlose und Gehörgeschädigte sowie das Redirect-Verfahren, das Verbraucherinnen und Verbraucher vor Abzocke durch Drittanbieter schützt.
Wer jetzt noch in Anträgen behauptet oder der Presse erklärt, dass das alles nichts nutzt und dass die Kunden weiterhin wehrlos sind, liebe Grüne, begeht nicht nur Fehlinformation, sondern erweist uns allen, insbesondere den Verbraucherinnen und Verbrauchern, auch einen Bärendienst. Der Eindruck, dass man sich nicht dagegen wehren kann, ist völlig falsch. Man betreibt nur das Geschäft der Schwindler, wenn man behauptet, dass sich die Kunden sowieso nicht wehren können. Nach dieser Gesetzesänderung ist das nicht mehr der Fall.
Deswegen bitte ich Sie alle, den Entschließungsantrag der Grünen abzulehnen und unserer Gesetzesänderung zuzustimmen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit zu später Stunde.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Klaus Barthel. – Nächster Redner: Ralph Lenkert für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7103123 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Telekommunikationsgesetzes |