28.04.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 232 / Tagesordnungspunkt 37 + ZP 6

Karl SchiewerlingCDU/CSU - Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: In dieser Legislaturperiode hat es viel mehr Veränderungen und Verbesserungen in der Rente als in vielen Legislaturperioden zuvor, zumindest seit 1998, gegeben. Auf den Weg gebracht haben wir die Mütterrente – das war eine zentrale Forderung der Union – und die vorgezogene Altersrente ohne Abschlag mit 63. Wir haben die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente bereits in einem ersten Schritt eingeführt – als Regierungsfraktion kann man unendlich dankbar dafür sein, dass wenigstens das von den Linken akzeptiert wird –, und wir haben miteinander die Flexirente auf den Weg gebracht. Heute bringen wir in einem weiteren Schritt zwei Gesetzentwürfe ein: Der eine steht für eine Verbesserung der Erwerbsminderung, der andere für die in der Tat seit langem geplante Ost-West-Rentenangleichung.

Herr Kollege Bartsch, ich will Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: 1990 war das Niveau der Ostrenten bei 40 Prozent des Niveaus der Westrenten.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)

Sukzessive haben sich die Niveaus angeglichen. In diesem Jahr wird das Niveau der Ostrenten bei 95,7 Prozent des Niveaus der Westrenten liegen. Den Rentnerinnen und Rentnern im damaligen Beitrittsgebiet – diesen furchtbaren Ausdruck benutzte man damals – geht es deutlich besser als vorher.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Kein Widerspruch!)

Wissen Sie, worüber ich mich am meisten ärgere? Die Überleitung der Ostrenten in die Westrenten 1990/1991 war eine der größten sozialpolitischen Leistungen, die dieses Land gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung erbracht hat.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Kein Widerspruch!)

Ich halte es für zwingend geboten, dass Sie jetzt nicht all die Sonderregelungen, die zu DDR-Zeiten einmal geschaffen worden sind, mit dem Anspruch hier vorbringen, dass der Westen sie bitte berücksichtigt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich sage Ihnen: Das ist nicht unsere Aufgabe.

Meine Damen und Herren, wir wollen mit dem Gesetzentwurf, den wir heute einbringen, die Erwerbsminderungsrente ein weiteres Mal verbessern. Ich teile ausdrücklich die Aussage, dass es hier um eine Frage der Gerechtigkeit und um eine Frage des Respekts den Menschen gegenüber geht, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr arbeiten können. Das ist übrigens eine alte Forderung der CDA, die dann von der CDU aufgegriffen worden ist und jetzt gemeinsam in unserer Fraktion Arm in Arm mit der CSU und gemeinsam mit der SPD in dieser Koalition auf den Weg gebracht wird.

Ich halte die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente für zwingend geboten. Ich halte es für einen bedeutenden Schritt, dass wir mit dem Beschluss, der in diesem Jahr anliegt, den durchschnittlichen Zahlbetrag der Erwerbsminderungsrente seit 2013 um 143 Euro pro Person erhöhen. Das ist ein gewaltiger Schritt. Übrigens werden viele Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen waren, durch diesen Schritt aus der Grundsicherung herausgeholt – fürwahr eine wichtige sozialpolitische Leistung. Wir werden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch prüfen, wo möglicherweise noch weitere Dinge zu verbessern sind. Aber schon mit dem vorliegenden Gesetz ist ein wichtiger und zentraler Schritt getan.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Meine Damen und Herren, der Punkt, der mich dabei am meisten umtreibt, ist ein anderer. Das durchschnittliche Alter des Eintritts in die Erwerbsminderungsrente liegt bei uns im Augenblick leider nicht, Herr Kollege Bartsch, bei 51 Jahren, sondern darunter. Das ist ein Punkt, der uns sehr zu schaffen macht. Viele von denen, die heute eine Erwerbsminderungsrente beantragen, haben vorher nie an einer Präventionsmaßnahme oder gar an einer medizinischen oder beruflichen Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen. Mit dem Flexirentengesetz haben wir zielgerichtet ermöglicht, dass eine solche Teilnahme rechtzeitig eingeleitet werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Auch dies ist ein wichtiger, zentraler sozialpolitischer Schritt.

Was mich aber bedrückt und mir zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass immer mehr Erwerbsminderungsrenten mit der Begründung der Zunahme psychosomatischer und seelischer Erkrankungen beantragt werden.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Arbeitsbedingungen verbessern!)

Das ist nicht nur eine Frage der Arbeitswelt, das ist nicht nur eine Frage der Arbeitsbedingungen, das ist auch bezeichnend für die Gesamtentwicklung in unserer Gesellschaft. Dieser Punkt macht mir sehr zu schaffen.

Wenn wir all den Herausforderungen, die im Bereich der Digitalisierung und bei dem Tempo, in dem sich die Wirtschaft verändert – mit all den Anforderungen an die Arbeitnehmer, die daraus resultieren –, vor uns liegen, wirklich erfolgreich begegnen wollen, dann geht das nur mit Menschen, die gesund sind. Das betrifft die soziale, persönliche, psychische, seelische Gesundheit. Nur so finden die Menschen die Kraft, diese Veränderungsprozesse mitzugestalten. Deswegen rate ich uns, den Blick auch auf diese Veränderungsprozesse in unserer Gesellschaft zu richten und etwas mehr zu überlegen, wie wir das miteinander präventiv anders gestalten können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Was mir ebenfalls zu schaffen macht, ist, dass wir im Bereich der Erwerbsminderungsrente genau darauf schauen müssen, von wem welche Anträge kommen und wie die Anträge bearbeitet sind. Ich stehe ein wenig unter dem Eindruck eines unglaublichen Missbrauchsskandals in Westfalen, wo die Rentenversicherung Gott sei Dank rechtzeitig erkannt hat, dass in einem nicht unbeträchtlichen Umfang Menschen für die Erwerbsminderungsrente krankgeschrieben worden sind, bei denen die Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen. Es ist ein klassischer Missbrauch, eine klassische strafbare Handlung.

Das bringt mich dazu, sehr deutlich zu sagen: Jawohl, wir müssen all denjenigen, die wirklich krank sind, helfen, damit sie möglichst nicht dauerhaft auf eine Erwerbsminderungsrente angewiesen sind. Wir müssen aber aufpassen, dass wir die Prüfung und Kontrollen so anlegen, dass es wirklich die Richtigen trifft. Ich bin sicher, dass wir damit viele Menschen schützen, die wirklich auf diese Hilfe angewiesen sind.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Sätze zur sogenannten Ost-West-Rentenangleichung sagen. Ich halte diesen Schritt mit Blick auf die Vollendung der deutschen Einheit – wir haben das damals schon in den Einigungsvertrag hineingeschrieben – für zwingend geboten, und wir setzen mit dem Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz einen Rahmen dafür, dass wir das bis 2024 erreichen. Heftige Kritik ist übrigens an der Finanzierung geäußert worden.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Tat!)

Dort müssten auch die Steuermittel hinein, hieß es.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Es ist vereinbart, dass das ab einem bestimmten Zeitpunkt passiert. Ich will Sie nur der guten Ordnung halber darauf aufmerksam machen, dass der Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, in einem Punkt bereits überholt ist. Der erste Schritt der Anpassung ist bereits aus wirtschaftlicher Kraft viel schneller erfolgt und das ohne Gesetzesänderung.

Das zeigt: Die wirtschaftlich prosperierende Entwicklung in Deutschland und die gute Entwicklung auch in den östlichen Bundesländern führen dazu, dass aus eigener Kraft die Anpassung schneller erfolgt, als wir das per Gesetz vorgesehen haben. Aber mit dem Gesetz geben wir einen rechtlichen Rahmen und damit allen Menschen Sicherheit. Diese Sicherheit, dieser rechtliche Rahmen, das ist etwas ganz Wichtiges, um deutlich zu machen, dass uns an der Angleichung der Lebensverhältnisse und an der Angleichung der Situation der Rentnerinnen und Rentner sehr viel liegt, wir das sehr ernst meinen und auch angehen.

Ich bin sehr sicher, dass wir dies konsequent auch in Zukunft gemeinsam schultern werden und damit den Menschen ein wichtiges Zeichen geben, dass wir die Alterssicherung in Deutschland als einen wichtigen Teil ansehen. Die Menschen müssen wissen, dass Rente Lohn für Lebensleistung ist. Rente ist kein Fürsorgesystem, sondern ist Lohn für Lebensleistung. Ich glaube, je konsequenter wir an diese Dinge herangehen und dies auch deutlich machen, umso mehr werden wir die richtigen Maßstäbe dafür erhalten, wie wir die Veränderungen im Rentensystem zu gestalten haben, damit die Rente auch nach 2030 zukunftsfest ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Markus Kurth ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7103194
Wahlperiode 18
Sitzung 232
Tagesordnungspunkt Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
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