Gudrun ZollnerCDU/CSU - Strafrechtliche Rehabilitierung - Homosexualität
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine lieben Gäste, besonders auf der Ehrentribüne! Ich durfte im vergangenen Jahr auf einer Veranstaltung einen älteren Mann kennenlernen, der sagte: Ich möchte in Frieden mit meinem Vaterland sterben dürfen. – Dieser Mann war ein nach § 175 StGB verurteilter Homosexueller. Es war dieser Paragraf, der diesen Mann zum Verbrecher machte. Durch diesen Paragrafen haben viele ihre Arbeit und ihr Ansehen verloren; an ihm zerbrachen viele Familien und Existenzen. Für viele war eine Verurteilung der soziale Tod, und manchen trieb es tatsächlich in den Suizid.
Wenn man im „Archiv der anderen Erinnerungen“ der Magnus-Hirschfeld-Stiftung die Schicksale der Zeitzeugen verfolgt, dann macht das tief betroffen. Aus dieser Betroffenheit heraus war es der Unionsfraktion, meiner Kollegin Dr. Sabine Sütterlin-Waack und mir ein großes Anliegen, die Rehabilitierung dieser Männer moralisch, gesellschaftlich, politisch und jetzt auch endlich rechtlich voranzubringen.
(Beifall im ganzen Hause)
Die auch nach 1945 fortgesetzte Kriminalisierung und Stigmatisierung Homosexueller und ihre drastische Behinderung in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit verstößt aus heutiger Sicht klar gegen das freiheitliche Menschenbild unseres Grundgesetzes. Deshalb war es auch richtig, dass nach der Abschaffung des Straftatbestandes im Jahr 1994 der Deutsche Bundestag sich im Jahr 2000 mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution bei den verfolgten Homosexuellen für das erlittene Unrecht entschuldigte. Nachdem nun im vergangenen Jahr das Gutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ebenso wie ein unionsinternes Expertengespräch der AG Recht und der AG Familie Möglichkeiten zur verfassungsmäßigen Umsetzung aufgezeigt haben, machen wir nun den nächsten Schritt mit dem Gesetz zur Rehabilitierung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf betreten wir verfassungsrechtliches Neuland. Es muss klar sein, dass eine gesetzliche Regelung dem Gewaltenteilungsgrundsatz gerecht wird; denn Rechtssicherheit gehört zu den Grundpfeilern unseres Rechtsstaats. Und gerade in Zeiten wie diesen ist es besonders wichtig, diese nicht aus den Augen zu verlieren.
So müssen wir beispielsweise darauf achten, dass der Kreis der aufzuhebenden Urteile nicht zu Wertungswidersprüchen mit Verurteilungen aufgrund von anderen Strafvorschriften führt. Wichtig ist auch, dass wir keinen Präzedenzfall schaffen. Für die Urteile nach § 175 StGB ist unser Vorgehen aber auch deshalb ausnahmsweise gerechtfertigt, weil es ausschließlich um die sexuelle Orientierung und um einvernehmliche Handlungen geht. Das heißt, die Verurteilten haben niemanden geschädigt, es gibt keine Opfer, außer den Verurteilten selbst.
Es ist wichtig, die äußerst schwierigen und komplizierten verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, die mit diesem Gesetzentwurf verbunden sind, zu beachten. Sehr viel hat der bayerische Justizminister Professor Winfried Bausback dazu beigetragen, dessen Empfehlungen wir im vorliegenden Gesetzentwurf wiederfinden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich sehr, dass wir die Rehabilitierung der betroffenen Männer noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen können. Es hat lange genug gedauert.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich bin stolz, als Mitglied dieses Bundestags dazu ein bisschen beitragen zu dürfen. Danke, dass ich heute hier als Nichtjuristin und als CSU-Politikerin sprechen durfte.
(Johannes Kahrs [SPD]: Mit einem so schönen Schal!)
– Danke schön.
Danke auch an die CDU/CSU-Fraktion und an die Mitglieder der interfraktionellen Arbeitsgruppe, ganz speziell aber an meine Kolleginnen Dr. Sabine Sütterlin-Waack und Lisa Winkelmeier-Becker für die tolle Unterstützung. Sie haben mir geholfen, diese Rehabilitierung auf den Weg zu bringen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ein schönes verlängertes Wochenende.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7103259 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 232 |
Tagesordnungspunkt | Strafrechtliche Rehabilitierung - Homosexualität |