Stephan HarbarthCDU/CSU - Bekämpfung von Kinderehen
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit in einem vergleichsweise kleinen Land wie Deutschland 80 Millionen Menschen ganz unterschiedlicher Hautfarbe, Religion und Staatsangehörigkeit weitgehend friedlich und konfliktfrei miteinander leben, müssen für alle die gleichen Regeln gelten. Das kann nur die Rechts- und Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zu den Merkmalen, die unsere Werteordnung prägen, gehört ganz entscheidend die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Das gilt nicht nur in Sonntagsreden, sondern dem müssen wir auch in der gesellschaftlichen Realität Rechnung tragen.
Von genau dieser Gleichberechtigung von Männern und Frauen kann nicht gesprochen werden, wenn Kinder verheiratet werden. Dies betrifft in aller Regel Mädchen. In den allermeisten Fällen werden die Mädchen ihrer Lebensperspektiven beraubt. Wenn ein Mädchen im Alter von 12 oder 14 Jahren verheiratet wird, dann hat es regelmäßig keine Chance auf Bildung, weder auf schulische Bildung noch auf berufliche Bildung, keine Chance auf ein eigenes selbstbestimmtes Leben, keine Chance auf eine Zukunft, die es selbst gestalten kann. Deshalb ist es aus meiner Sicht auch für die Integration der Mädchen in Deutschland ganz essenziell, dass wir ihnen zeigen, dass sie in Deutschland in einem Land leben, in dem Frauen dieselben Rechte haben wie Männer.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir treffen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine klare Wertentscheidung: Kinderehen werden wir in Deutschland nicht akzeptieren. – Herr Kollege Petzold, es macht mich zugegebenermaßen etwas sprachlos, wenn Sie erklären, die Formulierung, dass wir Kinderehen bekämpfen wollen, sei eine rechte Sprache, die wir in diesem Haus salonfähig machen. Ich glaube, es ist andersherum: Ihr Vorwurf – Sie sind anscheinend der Meinung, dass die Menschen in unserem Land keine Bekämpfung von Kinderehen wünschen – zeigt, wie eklatant Sie sich von der gesellschaftlichen Mitte unseres Landes entfernt haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dieses Projekt ist der Union – deshalb haben wir es im vergangenen Sommer nach problematischen Gerichtsentscheidungen auf die Tagesordnung unserer Vorstandsklausur gesetzt – wahrlich eine Herzensangelegenheit. Es ist aber in der Umsetzung nicht einfach. Wie soll mit im Ausland geschlossenen Kinderehen in Deutschland konkret verfahren werden? Das Problem resultiert daraus, dass auf solche Ehen regelmäßig das Recht des Staates Anwendung findet, dessen Staatsangehörigkeit die Eheschließenden besitzen.
Wir sehen nun eine klare Regelung vor. War eine Person zum Zeitpunkt der Eheeingehung unter 16 Jahre alt, handelt es sich bei dieser Ehe um eine Nichtehe. Das bedeutet, dass die Ehe von Anfang an ohne weitere Entscheidung unwirksam ist; die Ehe wird behandelt, als hätte es sie nie gegeben. Ist eine Person hingegen zum Zeitpunkt der Eingehung der Ehe mindestens 16, aber unter 18 Jahre alt, so ist diese Ehe aufhebbar. Ein Gericht überprüft auf Antrag der Ehegatten oder der zuständigen Behörde, ob die Ehe aufzuheben ist, wobei wir die Behörden zur Antragstellung verpflichtet sind.
Die Überprüfung dieser Fälle vor Gericht wird im beschleunigten Verfahren erfolgen, um den Betroffenen möglichst schnell Rechtsklarheit zu geben. In aller Regel sind die Kinderehen dann aufzuheben. In gravierenden Einzelfällen mag es aus Kindeswohlgründen geboten sein, die Ehe ausnahmsweise aufrechtzuerhalten, bzw. kann die Ehe durch die inzwischen volljährigen Ehepartner bestätigt werden.
Beide Modelle, das Nichtigkeitsmodell und das Aufhebungsmodell, sind besser als die geltende Rechtslage. Ich persönlich halte das Aufhebungsmodell für das rechtspolitisch beste Modell.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Weil aber beide Modelle besser sind als die gegenwärtige Rechtslage, haben wir uns in der Koalition, in den beiden Koalitionsfraktionen einvernehmlich auf diesen Kompromiss verständigt.
Damit die verheirateten Kinder nach Grenzübertritt betreut werden können, stellen wir in dem Gesetzentwurf klar, dass die Minderjährigen zu ihrem Schutz vorläufig vom Jugendamt in Obhut genommen und vom Ehegatten getrennt werden müssen. Wir stellen außerdem sicher, dass den Kindern durch die Nichtigkeit oder Aufhebung ihrer Ehe keine aufenthaltsrechtlichen Nachteile entstehen.
Wir konkretisieren mit diesen Änderungen gleichsam den Ordre-public-Vorbehalt. Damit machen wir klar, dass unsere Wertvorstellungen hier in Deutschland auch für Zuziehende gelten. Es hat das Kindeswohl Vorrang, und es gilt die Gleichberechtigung von Mann und Frau, egal ob man in Deutschland oder andernorts geheiratet hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diese grundsätzlichen Wertentscheidungen begleiten wir mit einem Verbot traditioneller oder religiöser Trauungen für Minderjährige. Wir bewehren dieses Verbot auch mit Sanktionen. Um ein klares Signal zu senden, regeln wir auch das Recht der Eheschließung in Deutschland neu. Eine Ehe darf künftig nicht mehr vor Eintritt der Volljährigkeit geschlossen werden. Die bisher vorgesehene Befreiungsmöglichkeit – Ehen können bislang in Deutschland mit Genehmigung des Familiengerichts schon im Alter von 16 bis 18 Jahren eingegangen werden, sofern ein Partner volljährig ist – schaffen wir ab.
Meine Damen und Herren, nach meiner Überzeugung wird es mit dieser nationalen Maßnahme nicht getan sein. Was wir auch brauchen werden, ist ein internationaler Standard, nach dem es in einigen Jahren hoffentlich eine Selbstverständlichkeit sein wird, dass Kinderehen nicht nur in Deutschland verboten sind, sondern dass wir weltweit sagen: Wir wollen auf diesem Globus keine Kinderehen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, es ist meine Hoffnung und auch mein Appell, dass wir dieses Gesetzgebungsverfahren nach den intensiven Vorarbeiten nun zügig durchlaufen. Jeder Tag, den ein Mädchen bzw. ein Kind in einer Kinderehe verbringen muss, ist ein Tag zu viel.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat jetzt die Kollegin Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7103265 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 232 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Kinderehen |