Johannes FechnerSPD - Bekämpfung von Kinderehen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Im vergangenen Jahr entschied das OLG Bamberg, dass eine Ehe zwischen einer 14-Jährigen und einem 21-Jährigen zulässig sein soll. Das war der Auslöser für eine breite Diskussion in Deutschland darüber, ob es bei uns weiter Minderjährigenehen geben darf.
Hält man sich vor Augen, dass die Hälfte der in den Flüchtlingslagern im Nahen Osten eingegangenen Ehen, wie wir vom Deutschen Institut für Menschenrechte erfahren haben, unter Beteiligung von mindestens einem Minderjährigen geschlossen wurde, dann stellt man fest, dass auch hier bei uns erheblicher gesellschaftlicher Handlungsbedarf besteht.
Oft hat der Druck aus der Familie auf ein Mädchen, die Ehe mit einem älteren Mann einzugehen, nichts mit dem Islam zu tun, sondern dahinter steckt meistens der Wunsch, die wirtschaftliche Existenz dieses Mädchens zu sichern. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, halte ich für eine fatale Entwicklung: Wenn ein minderjähriges Mädchen aus einem anderen Land zu uns kommt, dann muss es doch die Antwort eines modernen Sozialstaats sein, diesem jungen Menschen genügend Angebote zu machen, ihm Sozialarbeiter zur Seite zu stellen und die Jugendämter personell gut auszustatten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von den Linken, die Antwort eines modernen Sozialstaates kann dann doch nicht die Empfehlung sein, diese Ehe zwischen einem minderjährigen Mädchen und einem alten Mann zu akzeptieren, damit das Mädchen dadurch abgesichert ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das hat auch niemand von uns gefordert! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch keiner gesagt! Sie haben gar nicht zugehört! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das behauptet?)
Wir werden mit diesem Gesetzentwurf das Ehemündigkeitsalter für Ehen, die in Deutschland geschlossen wurden, ausnahmslos von 16 auf 18 Jahre heraufsetzen. Ehen von unter 16-Jährigen sind nichtig, ohne dass es hierfür eines Aufhebungsverfahrens bedarf. Besonders praktische Relevanz hat das für die im Ausland geschlossenen Ehen. Ehen von Menschen zwischen 16 und 18 Jahren sind durch richterliche Entscheidung aufzuheben. Nur in besonderen Ausnahmefällen – da haben wir durch unsere Formulierung die Hürden sehr hoch gelegt – kann ein Gericht von der Aufhebung der Ehe absehen.
Intensiv haben wir in der Tat darüber diskutiert, ob nicht alle Ehen von Minderjährigen nichtig sein sollten oder ob wir uns für das Aufhebungsmodell entscheiden. Ich finde, wir haben hier einen guten Kompromiss gefunden, der darin besteht, die Jugendämter in die Pflicht zu nehmen. Die Jugendämter müssen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Beteiligung eines Minderjährigen an der Ehe zwingend einen Aufhebungsantrag stellen. Das ist eine Mussvorschrift, keine Sollvorschrift. Damit ist gewährleistet, dass diese Minderjährigenehen auf jeden Fall von einem Familiengericht überprüft werden.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht für die unter 16-Jährigen! Da stellt gar keiner mehr einen Antrag!)
Insbesondere für diesen Personenkreis gibt es die Möglichkeit, Frau Kollegin Keul, dass die Ehegatten sagen: Wir sind zwar als unter 18-Jährige getraut worden, aber wir führen eine glückliche Ehe. – Diese Entscheidung können sie als Volljährige treffen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! Nicht, wenn sie unter 16 waren!)
Dann findet kein Aufhebungsverfahren statt, sodass etwa die Gastarbeiterfamilien keine Sorge haben müssen, dass ihre Ehe gerichtlich überprüft wird.
Ein letzter Punkt. Wir gehen mit diesem Gesetz nicht nur gegen die standesamtlichen Trauungen vor, sondern wir führen auch ein Verbot für religiöse Trauungen ein, weil oft der Druck auf Mädchen, sich an einen älteren Mann zu binden, dann, wenn sie durch eine religiöse Handlung oder eine traditionelle Handlung getraut werden, genauso hoch ist wie bei einer standesamtlichen Ehe. Deswegen führen wir ein Bußgeld ein. Wer also eine solche religiöse Trauung vornimmt, obwohl eine standesamtliche Ehe nicht möglich ist, der wird mit einem Bußgeld von bis zu 5 000 Euro belegt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz folgen wir nicht irgendwelchen rechtspopulistischen Sprüchen, sondern wir nehmen die Empfehlungen von vielen Organisationen, denen der Kinderschutz am Herzen liegt, auf. Hiermit schützen wir die Mädchen.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die schützen Sie nicht alle! Sie lassen auch Schutz aus!)
Das ist ein wichtiges Ziel. Deswegen sollten wir diesem Gesetz zustimmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat jetzt die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker für die CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7103267 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 232 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Kinderehen |