Fritz FelgentreuSPD - Bekämpfung von Kinderehen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Jung gefreit hat nie gereut“ sagt man gerne. Ich kann bestätigen: Das gibt es auch heute noch. Meine Frau und ich sind ein Paar, seit sie 16 war und ich 18, und wir kommen immer noch ganz gut miteinander aus. Geheiratet haben wir allerdings erst mit Mitte 20. Da wussten wir schon, worauf wir uns einließen.
Wenn wir jetzt im deutschen Recht die Minderjährigenehe abschaffen, dann tun wir das deswegen, weil wir überzeugt sind: Eine so wichtige Entscheidung sollen nur Erwachsene treffen. Jüngeren Menschen, die sich ihrer Liebe sicher sind, können wir abverlangen, mit der Hochzeit bis zum 18. Geburtstag zu warten.
Eine Notwendigkeit, schon Minderjährige zu verheiraten, verspüren nur Gesellschaften, in denen Jungfräulichkeit und die Familienehre eine höhere Bedeutung haben als der Jugendschutz und die sexuelle Selbstbestimmung.
Als das BGB geschrieben wurde, dachte man in Deutschland in vielen Regionen auch noch so. Inzwischen sind wir zum Glück weiter. Deswegen hätten wir längst den Empfehlungen der Vereinten Nationen, des Kinderschutzbundes und von Terre des Femmes folgen sollen, die Minderjährigenehe abzuschaffen.
Davon, dass wir damit nicht mehr warten dürfen, hat mich eine 14-jährige Berlinerin aus dem Bezirk Neukölln überzeugt. Die Jugendliche erklärte mir in ganz unschuldiger Selbstverständlichkeit, dass es in ihrem Umfeld völlig normal sei, mit 14 zu heiraten – nicht in Syrien, nicht in Afghanistan und auch nicht in Kentucky, sondern hier in Berlin, mitten in Europa. Sie sah darin auch gar kein Problem. Es gehe schließlich darum, dass sich ihr Vater nicht für sie schämen müsse. Und außerdem werde sie ja nicht zu der Ehe gezwungen.
Mir hat dieses Gespräch klargemacht: Es geht bei der Ehe ab 18 nicht um eine Rechtskorrektur, die durch gesellschaftliche Entwicklungen überfällig war. Es geht auch nicht nur um Jugendschutz und Rechte von Mädchen und Frauen in Verbindung mit Einwanderung, sondern es geht auch um die Rechte von Mädchen und Frauen, die bei uns geboren und aufgewachsen sind. Unsere Einwanderungsgesellschaft mit ihren unzähligen verschiedenen Erfahrungs- und Wertehorizonten braucht da, wo es um fundamentale Rechte und Werte geht, eindeutige und leicht verständliche Regeln, die für alle gleich sind und die möglichst keine Ausnahmen kennen.
Einen Kulturrabatt dürfen wir beim Jugendschutz und bei den Rechten von Mädchen und Frauen nicht gewähren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sonst versündigen wir uns an unserer Jugend und potenzieren die Probleme in der nächsten Generation.
Deshalb halte ich den Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas für einen wichtigen Fortschritt zum richtigen Zeitpunkt. Ich bedanke mich dafür und freue mich auf die parlamentarische Beratung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zum Abschluss dieser Aussprache hat der Kollege Alexander Hoffmann für die CDU/CSU das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7103271 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 232 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Kinderehen |