Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Straftaten gegen ausländische Staaten
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! Erneut darf ich Sie heute zu einer Rede am Freitagmittag begrüßen. Wir starten in die Beratungen zur Abschaffung von § 103 StGB, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter in besonderer Weise unter Strafe stellt. Die Vorgeschichte dieser politischen Idee ist ja schon angesprochen worden. Diese setze ich als bekannt voraus. Sie war ja an dieser Stelle auch schon Gegenstand ausführlicher wörtlicher Zitate.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Es ging in dem Verfahren hier, bei der Staatsanwaltschaft in Koblenz und in dem Zivilverfahren in Hamburg um die Fragen: Was ist noch Kunst, und was ist Satire? Wo fängt Beleidigung an? Was darf man noch sagen, wenn man es denn sagen würde? Was muss sich derjenige, der selber gerne austeilt, vielleicht auch sagen lassen? Die ganze Republik hat aufgeregt mitdiskutiert, und die Sympathien waren klar verteilt.
Wir werden es zwar nie erfahren, aber ich glaube, wir würden diese Sitzungswoche nicht mit diesem Tagesordnungspunkt „Abschaffung von § 103 StGB“ beenden, wenn es andere handelnde Personen gewesen wären. Stellen Sie sich einmal vor, ein rechtsgerichteter Journalist, Satiriker oder gar Politiker wäre ein anderes Staatsoberhaupt, das vielleicht mehr Sympathien genießt, mit einem solchen Elaborat angegangen. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, es wäre um Wladimir Putin, Alexis Tsipras, Benjamin Netanjahu oder wen auch immer gegangen. Dann sähe die ganze Sache anders aus.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja?)
Ich glaube, dann wäre eine andere öffentliche Reaktion erfolgt. Die Bundesregierung hätte ohne weitere Aufmerksamkeit die Ermächtigung erteilt, und niemand wäre auf die Idee gekommen, deshalb § 103 StGB aufzuheben.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre umgedeutet worden! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber schon eine recht merkwürdige Auffassung!)
Die Diskussion, die damals geführt wurde, war politisch aufgeladen, juristisch aber nicht ganz korrekt. Es war von Majestätsbeleidigung und ihrem Anachronismus die Rede. Es hieß, dass Staatsoberhäupter doch keine besseren Menschen sind, die einen umfassenderen Schutz brauchen. Insofern ging die Diskussion einigermaßen an der Sache vorbei. Denn bei § 103 StGB geht es nicht um die persönliche Ehre eines Staatsoberhaupts. Es geht auch nicht um Ehrfurcht und Ehrfurchtsverletzung gegenüber einer Majestät oder um ein anachronistisches Obrigkeitsdenken. Deshalb ist das, was wir hier tun, noch nicht wirklich konsistent.
Das Vorhaben, § 103 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, reibt sich damit, dass wir solche Vorschriften auch an anderen Stellen haben, wenn eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Funktion besonders geschützt wird. Wir haben schon angesprochen, dass der Bundespräsident durch § 90 StGB stärker vor Verunglimpfung geschützt ist als der normale Bürger.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Oder die Bundeskanzlerin!)
– Oder die Bundeskanzlerin, genau. – Dabei sind wir uns sicherlich einig, dass die Wahl zum Bundespräsidenten aus der betreffenden Person keinen besseren Menschen macht. Diejenigen, die dieses Amt zuletzt hatten, würden dies für sich auch nicht in Anspruch nehmen.
Es gibt ja diese Sondervorschriften. Zu beachten ist, dass es hier auch um eine bestimmte Funktion geht, die der Anlass für die Beleidigung ist. Von daher wäre es nicht ganz frei von Widersprüchen, um es einmal neutral auszudrücken, wenn dann in Zukunft ein ausländischer Staatschef hinsichtlich einer Beleidigung nur nach § 185 geschützt ist, wonach nur eine Strafe von bis zu einem Jahr verhängt werden kann.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Nur“? Ganz schön wacker!)
Gerade bei Beleidigungen via digitale Medien, Fernsehen usw. wirkt dieses Strafmaß fast als zu gering. Hier würde ich gerne noch einmal den Vorschlag ansprechen – er ist in unserem Koalitionsvertrag erwähnt, aber bisher noch unerledigt geblieben –, dass wir dann, wenn Beleidigungen über solche Medien sozusagen uneinholbar erfolgen, eine Strafverschärfung vornehmen und einen Qualifikationstatbestand schaffen sollten, dann aber gerne für alle Bürger.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, das kommt in dieser Legislatur sowieso nicht mehr!)
Es bleiben, wie gesagt, einige Widersprüche. Aber Rechtspolitik ist manchmal nicht frei von Widersprüchen; dafür gibt es auch andere Beispiele.
(Heiterkeit des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir sollten aber nicht nur das nicht tun, was zu Widersprüchen führt, und lassen das, was vielleicht das größere politische Problem darstellt, unverändert. Zu den tragenden Säulen unseres Rechtsstaates – auch darüber haben wir heute schon häufiger gesprochen – gehören die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz. Sie allein prüft und entscheidet, welches Verfahren sie einleitet und zu welchem Strafmaß sie kommt. Nur in ganz wenigen Fällen – § 104a StGB ist nicht der einzige, aber einer von wenigen – hat die Bundesregierung die Möglichkeit, aus politischen Gründen ein Verfahren zu verhindern. Wir machen deshalb die Einleitung eines solchen Verfahrens von einer Ermächtigung durch die Bundesregierung abhängig.
Man muss hier klar sehen: Eine Ermächtigung ist kein Strafantrag, den man stellt, weil man Interesse an einer Verurteilung hat. Sie hat nur die Bedeutung, dass aus Sicht der Bundesregierung keine außenpolitischen Gründe gegen ein Verfahren sprechen. Es soll gerade der Normalfall herbeigeführt werden, dass nämlich die Staatsanwaltschaft und das Gericht ihre Entscheidungen in eigener Zuständigkeit treffen. Die Staatsanwaltschaft wird also nicht wegen der Ermächtigung, sondern nur aufgrund ihres eigenen Prüfungsergebnisses dazu kommen, ein Verfahren einzuleiten. Wenn die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis kommt, dass sie kein Verfahren will, dann folgt aus der Ermächtigung nichts, null Komma null. Das hat sich damit erledigt.
Man muss sich das noch einmal vor Augen halten: Die Ermächtigung nicht zu erteilen, wäre eine politische Entscheidung. Wenn alles normal laufen soll, wie immer, lautet die Entscheidung: Wir erteilen die Ermächtigung. – Dann können die zuständigen Stellen in diesem Staat ihre Entscheidungen treffen. Weil das etwas kompliziert ist, ist die politische Wirkung komplett anders. In die Erteilung der Ermächtigung wird hineininterpretiert, damit sei eine Verurteilung gewünscht. Damit kommt man natürlich in eine politische Diskussion, die am Kern der Sache völlig vorbeigeht. Ich denke, das sollten wir uns noch genauer anschauen. Es gibt ja auch noch §§ 102 und 104, für die diese Ermächtigung auch relevant ist. Das heißt, die Sache hätte sich hiermit nicht erledigt.
Erledigt hat sich dagegen das Verfahren gegen Jan Böhmermann in unserem Ausgangsfall. Die Staatsanwaltschaft hat bekanntlich entschieden, die Sache einzustellen, und zwar ohne jeden politischen Einfluss. Damit ist das erledigt. Wir werden unser Verfahren hier auch zügig erledigen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Hans-Christian Ströbele.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7103301 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 232 |
Tagesordnungspunkt | Straftaten gegen ausländische Staaten |