Alexander HoffmannCDU/CSU - Straftaten gegen ausländische Staaten
Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der politische Weg des § 103 StGB scheint vorgezeichnet: Wir werden ihn aller Wahrscheinlichkeit nach aufheben. Gestatten Sie mir aber, die Debatte zu nutzen, das, was wir hier tun, auch einmal rechtspolitisch zu beleuchten. Dabei getraue ich mir, die Frage zu stellen – das kann jeder für sich beantworten –, ob wir diese Debatte auch dann führen würden, wenn Herr Böhmermann mit seinem Schmähgedicht nicht Erdogan bedacht hätte, sondern zum Beispiel Obama.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür gibt es ja keinen Grund!)
Das ist etwas, was der Rechtsstaat nicht machen darf: Bei der Entscheidung, welche Reaktion man einer möglichen Beleidigung folgen lässt, darf man in einem Rechtsstaat nicht danach gehen, ob Erdogan beleidigt worden ist, der nicht besonders hoch im Kurs steht, oder jemand, der sehr viel beliebter ist.
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Der Rechtsstaat soll alle gleich behandeln! Das ist der Punkt!)
Das unterscheidet den Rechtsstaat von der Bananenrepublik, Kollege Petzold.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage ist, ob Obama Strafanzeige erstattet hätte!)
Es wurde gesagt, § 103 StGB sei überflüssig, weil § 185 die Ehre ausreichend schütze.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch von Obama!)
Das ist, was die Ehre angeht, richtig. Kollege Bartke, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sehr viel differenzierter aufgedröselt haben, was ich mir heute vom Minister und auch vom Gesetzentwurf gewünscht hätte. Es ist nämlich so, dass § 103 StGB die Ehre dieses Landes schützt und letztendlich auch die diplomatischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland. Man will vermeiden, dass unter Umständen über Monate oder Jahre hinweg ein diplomatischer Faden geknüpft wird – auch zu schwierigen Protagonisten – und dann mit einer Beleidigung alles zunichtegemacht wird und wichtige Folgefragen in eine vollkommen falsche Richtung laufen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss man ihnen beibringen, was Pressefreiheit ist!)
Ich habe bislang noch nicht eine Erklärung bekommen, warum es diesen Schutzbedarf weiterhin nicht mehr geben sollte.
Die zweite Frage, die mich rechtspolitisch bewegt, lautet: Ist denn bei den Ermittlungen gegen Böhmermann irgendetwas geschehen, zu dem wir heute in der Rückschau sagen, dass das mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar ist? Zugegeben: Bundesjustizminister Heiko Maas hat erklärt, er halte die Entscheidung der Kanzlerin für die Zulassung der Ermittlungen für falsch. Eine juristische Begründung, die ich sowohl beim Kollegen Fechner als auch im Rechtsausschuss beim Parlamentarischen Staatssekretär Lange erfragt habe, habe ich dafür nicht bekommen.
Herr Kollege Hoffmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. von Notz?
Ja, aber mit großem Vergnügen, Herr Präsident.
Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank auch, Herr Kollege Hoffmann, für das Genehmigen der Zwischenfrage. Es wird auch keine Majestätsbeleidigung.
Ich wollte Sie nur fragen: Ist Ihre Rede jetzt als Rückholung dessen zu verstehen, was hier eingebracht ist? Denn ich habe bisher kein Argument für die Vorlage gehört, auf der, glaube ich, auch Ihre Fraktion draufsteht. Deswegen frage ich Sie: Ist das ein Minderheitenvotum, oder sprechen Sie sich doch für diese Vorlage aus? Sonst verstehe ich den Gesetzentwurf der Großen Koalition gar nicht.
(Zuruf von der CDU/CSU: Die Rede ist ja noch gar nicht zu Ende gewesen!)
– Ach so. Der Spannungsbogen wird bis zum Schluss gehalten, und dann heißt es: „Trotzdem machen wir das mit“?
Danke für die Frage, Kollege Notz. – Wenn es ein Antrag wäre, würde ich das auch so formulieren. Als Jurist weiß ich ja, wie man Anträge formuliert. Nein, es geht um etwas anderes. Wie ich vorangestellt habe, möchte ich die aktuelle Frage, mit der wir uns beschäftigen, rechtspolitisch beleuchten. Bei dieser Gelegenheit möchte ich natürlich meine Meinung sagen. Ich bin freier Abgeordneter. Ein freier Abgeordneter darf eine Meinung haben.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, natürlich! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich!)
Das ist selbstverständlich nicht damit zu verwechseln, dass die Regierungskoalition jetzt eine andere Meinung hat. Das Mandat lässt eine freie Meinungsäußerung zu.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf jeden Fall!)
Wir stehen vor einer parlamentarischen Beratung, in der wir – Kollegin Winkelmeier-Becker hat das anklingen lassen – auf die Systematik dieses Abschnitts weiterhin werden achten müssen. Deswegen sind das alles wichtige Impulse, die ich für die weitere parlamentarische Beratung geben will.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will fortfahren: Das Verfahren wurde damals eingestellt. Heute sind große Teile dieses Gedichts verboten,
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist noch nicht entschieden! Es ist noch nicht rechtskräftig!)
was ja dem Grunde nach dafür spricht, dass die Rechtseinschätzung des Ministers damals eine falsche gewesen ist.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist noch nicht rechtskräftig!)
Ich weiß nicht, wer sich daran erinnern kann bzw. wer von Ihnen da war, als der Kollege Seif dieses Gedicht in diesem Haus vorgelesen hat.
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Nein! Bitte nicht! – Zurufe von der SPD: Nein! – Wiederholen Sie das nicht!)
– Nein, keine Angst. – Die Reaktionen waren bemerkenswert; denn wir waren alle peinlich berührt, liebe Kolleginnen und Kollegen,
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Aber vom Kollegen Seif vor allen Dingen! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist Satire, Herr Kollege!)
und zwar aus einem ganz einfachen Grund: In Kenntnis der Dinge, die da formuliert worden sind, ist es nämlich so gut wie unmöglich, zu erklären, dass das noch unter Kunstfreiheit und Meinungsfreiheit fallen soll;
(Hans- Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie dem Künstler sagen!)
denn das war nichts anderes als eine Aneinanderreihung von Beleidigungen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist selbstverständlich wichtig, dass wir Erdogan ein deutliches Signal senden, wie wir Kunstfreiheit, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit verstehen. Aber ich persönlich glaube, dass das Schmähgedicht von Böhmermann dafür definitiv das falsche Beispiel ist.
Kollege Bartke, ich habe Ihren Ausführungen sehr viel abgewinnen können. Ich bin auch der Meinung, dass diese Anreizwirkung durchaus ein Punkt ist, den wir diskutieren sollten. Dann könnten wir allerdings auch darüber nachdenken, ob wir die Ermächtigungsnorm von § 104a StGB in den Fokus setzen. Das soll aber den weiteren Beratungen vorbehalten bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich freue mich auf die weitere Auseinandersetzung in dieser spannenden Sache und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als nächster Redner hat Thorsten Frei für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7103306 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 232 |
Tagesordnungspunkt | Straftaten gegen ausländische Staaten |