17.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 233 / Zusatzpunkt 1

Anton HofreiterDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde zu möglichen rechtsextremen Strukturen in der Bundeswehr

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind nur knapp einer großen Tragödie entgangen. Eher durch Zufall wurden die Umtriebe der Gruppe von Franco A. aufgedeckt und so ein potenzieller, schwerer Anschlag verhindert.

Die Zunahme rechtsextremer und rechtsterroristischer Aktivitäten muss uns alle beunruhigen. Hier ist in Deutschland etwas ins Rutschen geraten. Rechtsextreme Gesinnungen und Tendenzen sind in Deutschland beileibe keine Seltenheit. Das ist 72 Jahre nach Ende der Naziherrschaft beschämend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Mit der Aufdeckung der Planungen von Franco A. ist die Bundeswehr in den Fokus gerückt. Lassen Sie mich klarstellen: Die allermeisten Soldatinnen und Soldaten leisten einen großartigen Dienst für unser Land. Sie verdienen es nicht, unter Pauschalverdacht gestellt zu werden;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

aber die Probleme als Einzelfälle zu bagatellisieren, ist unverantwortlich.

Verdeutlichen wir uns zuerst die Dimension dessen, worüber wir hier reden: Franco A. und seine Kumpanen – das sind inzwischen mehr als gedacht – waren nicht irgendwelche Soldaten, die abends Wehrmachtslieder schmetterten oder Wehrmachtsandenken sammelten. Das alleine ist schon schlimm genug und leider gar nicht so selten in deutschen Bundeswehrkasernen, wie sich heute noch einmal zeigte. Nein, Franco A. und seine Komplizen planten mutmaßlich schwere Gewalttaten gegen Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens. Sie legten Todeslisten an, sie beschafften sich Anleitungen zum Bombenbau, und sie horteten Unmengen an geklauter Munition aus Bundeswehrbeständen.

Es ist schleierhaft, warum die Pläne und das Doppelleben von Franco A. so lange unentdeckt blieben. Eindeutigen Hinweisen auf die Gesinnung des Oberleutnants wurde nicht nachgegangen. Es schauten zu viele im entscheidenden Moment bewusst oder unbewusst weg. Dass dies so lange unentdeckt blieb, ist ein Skandal, und dafür tragen Sie, Frau von der Leyen, die Verantwortung. Sie sind seit fast vier Jahren Ministerin und damit verantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Diese Verantwortung können Sie nicht von sich weisen, indem Sie am Ende die Verantwortung in Richtung Truppe schieben. Sie sind de facto die Oberkommandierende dieser Truppe. Deshalb sage ich: Übernehmen Sie die Verantwortung, die Sie als Ministerin zu tragen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Machen wir uns zweitens klar: Dass es in den Sicherheitsbehörden Probleme im Umgang mit Rechtsextremismus gibt, ist nun wahrlich keine Neuigkeit. Wir haben es beim Bundesamt für Verfassungsschutz gesehen und bei Teilen der Polizei; man denke an die Vorfälle in Sachsen im letzten Jahr. Deshalb ist es unverständlich, dass die Ministerin diese Probleme so lange ignoriert hat. Der Wehrbeauftragte hat immer wieder darauf hingewiesen. Schauen Sie in all die Anfragen, die von der Opposition gestellt wurden. So kann ich nur zu dem Schluss kommen: Frau von der Leyen, offenbar haben Sie über Jahre weggeschaut, und darunter leiden jetzt auch die vielen anständigen Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr.

Sie sagen jetzt zwar selbst, Sie hätten es verpasst, früher gegenzusteuern; aber Sie können nicht wirklich erklären, warum Sie in den letzten vier Jahren derart wenig bis nichts gemacht haben, warum Sie in den letzten Jahren, in denen in Deutschland die Zahl rechter Gewalttaten insgesamt gestiegen ist und viele Experten vor neuem Rechtsterrorismus warnten, nicht gehandelt haben. Ihr Nichtstun war fahrlässig, und Sie können nur dem Himmel dafür danken, dass das keine schlimmeren Konsequenzen hatte.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Gruselige Rede! Das ist doch gruselig!)

Frau von der Leyen, Sie ergreifen erst jetzt, nach starkem öffentlichen Druck, Maßnahmen, um diesen Missständen entgegenzuwirken. Das ist sehr spät und vor allem eines: Das ist beschämend.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist unverschämt, was Sie sagen!)

Eines muss man auch sagen: Wenig hilfreich ist aktuell, dass nun auch die CSU nostalgisches Wehrmachtsgedenken verharmlost und ein problematisches Traditionsverständnis fördert. Es muss für alle Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr deutlich sein, dass in unserer Armee ein klares Bekenntnis zur freiheitlichen und demokratischen Grundordnung gelebt wird.

Aber das soll nicht ablenken vom Hauptproblem: Frau von der Leyen und die Bundesregierung haben den inneren Zustand der Truppe zu lange sträflich vernachlässigt. Seit zwölf Jahren trägt die Union die Verantwortung für die Bundeswehr. Sie präsentiert sich heute in einem schwierigen Zustand. Ihre Bilanz, Frau von der Leyen, ist eine Bilanz des Scheiterns. Sie und Ihre Partei stellen ein Sicherheitsrisiko dar.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sie sind das personifizierte Sicherheitsrisiko!)

Vielen Dank, Anton Hofreiter. – Der nächste Redner: Rainer Arnold für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7110187
Wahlperiode 18
Sitzung 233
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu möglichen rechtsextremen Strukturen in der Bundeswehr
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