17.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 233 / Tagesordnungspunkt 5

Karl-Heinz BrunnerSPD - Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich meine Ausführungen mit der fast harmonischen Übereinstimmung beginnen, die die vier Diskutanten soeben vorm Brandenburger Tor am Pariser Platz anlässlich des Tages gegen Homophobie gezeigt hatten; denn alle vier Diskutanten sind bzw. waren der Auffassung, dass die Ehe für alle kommen muss: Für den einen ist es eine Frage der Zeit, und für den anderen muss sie auf der Stelle kommen.

Gestatten Sie mir aber, einen anderen Einstieg zu wählen, nämlich den, den der Kollege Hirte in trefflicher Weise quasi auf dem Tablett serviert hat. Lieber Kollege Hirte, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, wir haben doch nächste oder übernächste Sitzungswoche eine Verfassungsänderung auf der Tagesordnung. Wir Sozialdemokraten sind bereit, die Ehe für alle in diese Verfassungsänderung im Omnibusverfahren mit aufzunehmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir sorgen für die Zweidrittelmehrheit in den Ländern und in diesem Haus, und Sie sorgen für die Zweidrittelmehrheit bei Ihren Ländern und Ihrem Haus. Ein Wort drauf, und wir gehen nach Hause und haben heute, am 17. Mai, ein paar Minuten nach 17.50 Uhr ein vernünftiges Ergebnis.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die vier Jahre, die ich diesem Hohen Hause angehöre und in denen ich die Debatte leider mitverfolgen und mittragen musste, führen mich zu der Erkenntnis, in die Einlösung dieses Versprechens, nämlich schnell eine Verfassungsänderung umzusetzen, wenig Vertrauen haben zu können. Ich habe wenig Vertrauen, weil ich feststelle, dass seit Anbeginn dieser Legislatur das, was wir vereinbart haben, nämlich rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartner schlechterstellen, zu beseitigen, bis zum heutigen Zeitpunkt mit ganz wenigen Ausnahmen verschleppt, verzögert und verhindert wird.

Ich sage ganz offen: Diskriminierung abzubauen, Lebenspartner gleich welchen Geschlechtes, die sich als Ehepartner lieben und als solche leben, in dieser Gesellschaft zu achten, ist unsere dringende Pflicht, die wir laut Grundgesetz haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist so einfach. Das kann jeder verstehen; dazu braucht man keine höhere Bildung. Es geht ganz einfach darum, Ungleichheiten und Diskriminierungen zu beseitigen. Kollege Hirte, Sie haben gesagt, Sie finden keine Diskriminierung in diesem Land. Nehmen Sie bloß den Schulhof, wo es heißt: „Du schwule Sau!“, „ Du Schwuchtel!“, und Ähnliches. Nehmen Sie den Versicherungsvertreter, der süßsäuerlich guckt, weil man ihm nicht die Eheurkunde, sondern eine Lebenspartnerschaftsurkunde vorlegen muss. Nehmen Sie den Vermieter, der die Wohnung nicht vermietet, weil er an ein schwules oder lesbisches Paar nicht vermieten will.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Doch Sie sagen, es gibt keine Diskriminierung in diesem Land. Wir leben, glaube ich, in unterschiedlichen Staaten, in unterschiedlichen Ländern.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren insbesondere aus der Union, ich habe es akzeptiert, ich kann es akzeptieren, und ich habe mehrfach wiederholt, dass ich eine Gewissensentscheidung verstehen kann. Ich kann zwar nicht verstehen, wie jemand aus seinem Gewissen heraus Diskriminierung und Ungleichbehandlung für gut empfindet, aber ich kann eine Gewissensentscheidung in jeder Form akzeptieren. Ich kann und will aber nicht akzeptieren, dass aus reinem Machtkalkül, aus reiner Machtgier, nur weil jemand Bauchschmerzen hat, weil jemand glaubt, er müsse eine bestimmte Klientel bedienen, Menschen in unserem Land, die nichts anders wollen, als als Eheleute anerkannt, respektiert und geschätzt zu werden, die nichts anderes wollen, als ihre silberne Hochzeit zu feiern, bei der der Bürgermeister kommt,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bürgermeisterin!)

die goldene Hochzeit nach 50 Jahren oder die diamantene Hochzeit zu feiern, bei der dann der Landrat und die Abgeordneten kommen,

(Mechthild Rawert [SPD]: Und die Landrätin!)

ihr Recht in dieser Gesellschaft nicht gegeben wird. Die Realität sieht leider so aus: Die Ehe für alle wird seit Jahren blockiert, die Entscheidung verzögert.

Was mich heute auf die Palme bringt – ich sage dies in den letzten Sekunden, die ich hier noch zur Verfügung habe –, ist, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit Jahren versuchen, eine Lösung herbeizuführen und die Kohlen aus dem Feuer zu holen, wenn Sie die Anträge auf Vertagung stellen. Begründen Sie die Anträge auf Vertagung, setzen Sie ein Konzept um, wie Sie den Menschen verfassungsrechtlich Gerechtigkeit verschaffen wollen, dann sind wir dabei – aber nur dann, wenn Gerechtigkeit und die Ehe für alle in diesem Lande Realität werden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner spricht Alexander Hoffmann von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7110279
Wahlperiode 18
Sitzung 233
Tagesordnungspunkt Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare
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