Nicole MaischDIE GRÜNEN - Verbraucherpolitischer Bericht
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war ja eine putzige Ideensammlung, die Frau Heil uns hier vorgetragen hat. Wenn man das alles so hört, fragt man sich, wer hier eigentlich in den letzten zwölf Jahren regiert hat. Wenn Sie so viele tolle Vorschläge haben, wie man die Verbraucher besser schützen kann, dann hätten Sie in den letzten Jahren doch einmal zwei oder drei davon in die Tat umsetzen können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])
Es ist aber klar, dass Sie lieber Ideen spinnen, die nach vorne gerichtet sind, statt Bilanz zu ziehen; denn Ihre verbraucherpolitische Bilanz der letzten Jahre sieht ziemlich trübe aus.
Dabei sind Sie, gerade was den wirtschaftlichen Verbraucherschutz angeht, gar nicht mal so schlecht gestartet. Sachverständigenrat, Marktwächter und Verbraucherschutzmandat für die BaFin – das waren bei aller Kritik, die man immer im Detail haben kann, strukturell gute Fortschritte für den Verbraucherschutz. Auch das Kleinanlegerschutzgesetz war sicher ein guter Anfang, die Wildwestmethoden auf dem Grauen Kapitalmarkt einzudämmen. Aber dann wird es schon ziemlich dünn und düster.
Der Vorschlag, das Kartellamt als Verbraucherbehörde auszubauen, wurde von der CDU ad acta gelegt. Frau Heil, Sie haben gesagt, dass Sie den Menschen vertrauen. Das ist schön und gut, aber Sie sollten nicht Google, Facebook und Co – den digitalen Giganten, die sich zu Monopolisten aufschwingen – vertrauen, sondern Sie hätten das Kartellamt hier mit einem scharfen Schwert ausstatten sollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])
Diese Fehlentscheidung bei der Frage, welche Rolle das Kartellamt spielen soll, war aber im Grunde genommen das, was Ihre Politik ausgezeichnet hat: im Zweifel gegen die Kunden. Über VW will ich gar nicht reden. Auch im Finanzbereich haben Sie sich immer wieder gegen die Kunden auf die Seite der Anbieter gestellt.
Besonders deutlich wird das bei der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Hier haben Sie ohne Not rückwirkend in das Widerrufsrecht Tausender Verbraucherinnen und Verbraucher eingegriffen. Das heißt, Sie haben den Menschen ihr gutes Recht per Federstreich weggenommen, weil die Sparkassen und die Banken das so wollten. Das war eine Dreistigkeit; das war unglaublich. Das war ein riesiger politischer Fehler.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie mit der gleichen Geschwindigkeit und Beflissenheit Politik für die Bankkundinnen und Bankkunden gemacht hätten. Das von Ihnen angesprochene Konto für jedermann ist nur die Folge der Umsetzung einer europäischen Richtlinie. Sie sprechen von Wettbewerb beim Girokonto. Wollen wir einmal sehen, ob sich das als Realität herauskristallisiert.
Aber Sie hätten noch viele andere Dinge für die Bankkundinnen und -kunden tun können. Stichwort „Abzocke bei den Vorfälligkeitsentschädigungen“: Wer heute ein Häuschen baut und den Kredit vorzeitig ablösen muss, weil die Ehe in die Brüche gegangen ist oder weil etwas anderes Schlimmes passiert ist, ist mit dem Klammerbeutel gepudert. Man hat keine Ahnung, welche Strafgebühren man der Bank zahlen muss. Es gibt überhaupt keine transparente Berechnungsgrundlage. Ich als Kunde weiß nicht, ob mich die Bank zu Recht um Tausende von Euro abzockt.
(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht! Das ist ja unglaublich!)
Hier Transparenz und Sicherheit zu schaffen, sodass die Kunden wissen, worauf sie sich einlassen, wäre eine Aufgabe für Sie gewesen. Aber da sind Sie gescheitert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein anderes Thema ist die Restschuldversicherung. Die meisten Menschen wissen nicht: Wer heute einen Kredit aufnimmt, bekommt oft eine Restschuldversicherung untergemogelt, die im Grunde genommen nur die Bank dagegen absichert, dass der Kunde nicht mehr zahlt. In den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um ein völlig sinnloses, überteuertes Produkt. Zum Teil führen die Prämien für solche Versicherungen zur Verdopplung oder fast Verdreifachung des Zinssatzes. Mit solchen Versicherungsabschlüssen zulasten der Verbraucher muss Schluss sein. Wenn solche Geschäfte schon getätigt werden müssen, dann sollten die Kunden einen eigenen Vertrag haben und dann sollte der Preis für ein solches oftmals schwachsinniges Produkt in Euro und Cent sowie als Effektivzins ausgewiesen werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Heiko Maas als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet ist,
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ganz böses Gerücht!)
dann muss man sagen, dass Christian Schmidt, der andere Verbraucherschutzminister, gleich liegen geblieben ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Leider ist meine Redezeit fast vorbei. Eigentlich müsste ich mich über Herrn Schmidt dreimal mehr empören als über Herrn Maas. Nur so viel: Nicht einmal die dürren Versprechen des Koalitionsvertrages haben Sie eingelöst. Restaurantbesucher werden über Gammelbuden noch immer nicht informiert. Bei der Schulverpflegung und der Lebensmittelverschwendung befindet er sich in einer Art politischen Winterschlaf und ist nach vier Jahren noch immer nicht aufgewacht.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird auch nichts mehr!)
Das ist unglaublich. Dabei wäre es so viel besser gegangen. Diese Koalition hat in ernährungspolitischer Hinsicht vier Jahre total verschwendet. Das ist traurig. Aber das wird hoffentlich am Ende dieses Jahres wieder anders.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vielen Dank, Nicole Maisch. – Nächste Rednerin: Elvira Drobinski-Weiß für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7110917 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Verbraucherpolitischer Bericht |